Vor einigen Monaten habe ich einen Brockhaus bekommen, der in etwa so alt ist wie meine Eltern. Die Einträge sind vom damaligen Zeitgeist geprägt und das liest man deutlich heraus, wenn man sich die Artikel z.B. über die ehemalig deutschen Ostgebiete durchliest. Da kommt schon so ein bisschen Bedauern darüber hervor, dass das jetzt nicht mehr deutsch ist. Auf zwei Artikel möchte ich besonders eingehen.
H wie Homosexualität
Für diese Kerngruppe gilt, daß der männliche Homosexuelle seinen Partner als Mann liebt und keinerlei weibliche Züge haben muß.
Na, immerhin haben sie das erkannt.
Passive und rezeptive Wünsche spielen aber bei Neigungshomosexuellen eine gewisse Rolle in der sexuellen Praxis.
Was soll das denn heißen?
Beim Menschen weisen neuere Beobachtungen (J. Bieber) auf den Einfluß der Mütter […]. Außerdem soll der distanzierte oder ganz fehlende Vater als negative frühkindliche Erfahrung von Bedeutung sein. In psychoanalytischer Sicht liegt […] eine invertierte, negative ödipale Einstellung zugrunde […]. Homosexuelle haben meist intensive nichtsexuelle Beziehungen zu älteren Frauen.
Hehe, J. Bieber. Aber stimmt das wirklich, was da steht?
Lesbierinnen können in der Kleidung und im Verhalten männliches Gehabe zeigen.
Joah, so wie jede Frau… Richtig krank wirds aber, wenns um die Heilung von Homosexualität geht.
Eine medikamentöse Behandlung der Neigungshomosexualität existiert nicht. Die analytische Psychotherapie hat nur bei starkem Leidensdruck, einem eindeutigen Heilungswunsch (was sehr selten ist) und beim Vorliegen von Zeichen von Neurose einige Aussichten. Die Erfolge liegen, auch bei mehrjähriger Behandlung, bei 20%.
Schön, wie Homosexuelle hier als krank dargestellt werden. Und sie wollen sich nicht heilen lassen, weils keine Krankheit ist!
Später wird dann noch darauf eingegangen, dass Homosexuelle häufig ihre Partner wechseln, eifersüchtig sind und das Sexuelle überbetonen. Oh Mann. (Direkt danach kommt übrigens der Nachsatz, dass Homosexuelle als Minderheit dastehen, häufig mit Vorurteilen bedacht und diskriminiert werden.)
M wie Mulatte
Mulatte […], Europäer-Neger-Mischling; meist alle Grade der Kreuzung, urspr. das Kind eines Europäers und einer Negerin (oder umgekehrt). Nachkommen von M. ersten Grades mit Weißen heißen Terzeronen (3/4 weiß), von Weißen und Terzeronen: Quarteronen, von Weißen mit Quarteronen: Quinteronen usw. bis Octaronen.
“Neger” würde heute niemand mehr schreiben. (Ich übrigens auch nicht.) Der Rest liest sich so wie die Rassenlehre der Nazis.
Mit freundlichen Grüßen
Die Kitschautorin
PS: Boah, bin ich heute fleißig! Aber nur hier im Blog… nicht in der Uni.
Über ‚Neger‘ stolpere ich auch immernoch in manchen Texten – auch wenn ein Buch aus den 60ern stammt… Eine us-amerikanische Freundin findet es stets belustigend, dass alles illegale in Deutschland das präfix schwarz hat – Schwarzfahren, Schwarzarbeit, sogar Schwarzangeln („really, there’s such a thing??“) – „that’s, in some way, even more racist than our society“.
Und das ist aus 1963; wahrscheinlich damals noch fortschrittlich:
