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Bedeutungsschwanger, Teil 2

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Den Nachmittag verbrachte ich damit, laut Musik zu hören. Hauptsächlich deshalb, weil mein Bruder dasselbe tat. Laute Musik war im Prinzip das Einzige, was gegen laute Musik half. Auch wenn meine Eltern das nicht einsehen wollten und es weiterhin mit Ermahnungen versuchten. Wenigstens gaben die restlichen Familienmitglieder Ruhe.
Irgendwann brüllte ich „Tschau!“ ins Zimmer meines Bruders, verabschiedete mich von allen anderen Familienmitgliedern herzlich und ging zurück zum Bahnhof. Ich war ziemlich gut drauf.
Ich wollte mich nämlich mit Lukas treffen. Das war zuletzt irgendwie untergegangen, im Uni-Stress et cetera. Jetzt hatten wir endlich frei. Aber das war nicht der einzige Grund, warum wir uns treffen wollten.
Er hatte mich vor drei Tagen aufgeregt angerufen und gesagt, es gäbe wunderbare Neuigkeiten. Und dass er mich zum Essen einladen wollte. Ich konnte mir nun überhaupt nicht vorstellen, worum es ging, aber ich freute mich auf jeden Fall auf einen schönen Abend mit meinem Freund.
Vor dem Rendezvous machte ich noch einen Zwischenstopp in der WG, um mich ein wenig aufzuhübschen. Ich wollte ja gut aussehen. Ich lief die knapp über siebzig Stufen hoch, öffnete die Tür und ließ die Tasche auf den Boden fallen. Im selben Augenblick streckte Anna den Kopf durch ihre Zimmertür. „Hi, Sara! Na, wie geht’s?“ Mir fielen sofort ihr Elan und ihre gute Laune auf, die in ihrer Stimme lagen. Dann schritt sie auch noch aus der Tür und drehte sich einmal im Kreis. „Na, wie findest du mein neues Outfit?“
Mir blieb der Mund offen stehen. „Wow, du siehst unglaublich aus!“
In der Tat konnte ich es einfach nicht glauben. Anna hatte ihr Erscheinungsbild komplett verändert. Normalerweise immer in der klassischen Sweatjacke-Jeans-Kombination gekleidet, war sie jetzt in ein rosafarbenes, ärmelloses Kleid und Ballerinas verpackt. Und das war nicht alles. Statt die Haare wie üblich in ein Haargummi nach hinten zu binden, waren sie offen. So fiel mir erst auf, wie lange Haare Anna eigentlich hatte. Sogar ihre Brille hatte sie weggelassen. Trug sie Kontaktlinsen? Jedenfalls musste Anna ihre Augen nicht zusammenkneifen, um mich zu sehen.
Wieso hatte sie sich so verändert? „Wow, du hast deinen Stil komplett verändert… was ist los?“
„Ach, ich fühle mich so glücklich, ich könnte die Welt umarmen!“, freute sich Anna und tänzelte auf dem Flurteppich herum. Das war für sie höchst ungewöhnlich. Nicht, dass sie sonst immer rumlief wie sieben Tage Regenwetter, aber explosiv gute Laune kam nun auch nicht gerade oft vor…
„Was ist denn los?“
„Ich habe gleich ein Date!“
Anna ein Date? Das war aber nun wirklich ungewöhnlich. In den fast zehn Jahren, die ich sie nun schon kannte, hatte sie sich noch kein einziges Date gehabt. Sie war nicht mal verliebt gewesen. Klar, ein bisschen verknallt schon, aber nie war es was Richtiges gewesen. Ich hatte ja auch sehr lange liebestechnisch nichts am Laufen gehabt, aber ich war ja immerhin tausend Mal verliebt gewesen…
„Ich freue mich schon so. Sehe ich eigentlich hübsch aus? Oder soll ich doch noch mal ein anderes Teil anprobieren?“
„Du siehst toll aus. Aber mit wem hast du dich denn verabredet?“
Annas Gesichtsausdruck rutschte ins Eigenartige. So zwischen geheimnisvoll und glücklich. „Ist ein Geheimnis!“, sagte sie dann auch dazu passend. „Ich will das erst sagen, wenn was draus wird.“
„Wieso? Hast du eine Affäre mit einem Politiker und keiner soll’s erfahren?“
„Nee, aber es ist eben mein Geheimnis.“ Ihr Lächeln verschwand kurz, um gleich darauf wiederzukommen. „So, ich muss gleich los, ich hoffe –“ In diesem Augenblick klingelte ihr Handy. „Ja? – Ja, ich bin’s, was gibt’s?“ Sie verschwand in ihrem Zimmer…
Wieso zur Hölle verschwand sie zum Telefonieren in ihr Zimmer? Das hatte sie doch sonst auch nicht für nötig gehalten. Was hatte das nur wieder alles zu bedeuten?
Kopfschüttelnd ging ich in mein Zimmer, zog mein kleines schwarzes Kleid mit den Pailletten drauf an und schminkte mein Gesicht ein bisschen. Gerade, als ich mein Spiegelbild ein letztes Mal betrachten wollte, flog die Tür plötzlich auf und Anna stürmte herein. „So, ich muss jetzt los. Ich freu mich schon so auf sie! Äh, ich meine, auf die Person. Bis dann!“ Drückte mir einen Schmatzer auf die Wange und verschwand genauso schnell, wie sie gekommen war.
Meine beste Freundin verhielt sich so irre wie noch nie. Ich hatte aber auch nicht mehr viel Zeit, um darüber nachzudenken, denn schon klingelte Lukas an der Haustür, um mich abzuholen.

Er hatte sich einen Anzug angezogen, worüber ich mich sehr freute. In Anzügen sah er nämlich unheimlich gut aus. Ob das der einzige Grund war, aus dem er jetzt in Schwarz und Weiß und Krawatte steckte?
Vorm Restaurant stiegen wir von seinem Roller runter. „Ist irgendwas?“, fragte Lukas. „Du siehst so konfus aus.“
„Schon gut, reden wir gleich drüber.“
Das Restaurant war ziemlich schick. Ich war fast ein bisschen eingeschüchtert.
„Wie war denn dein Tag, Sara?“, fragte Lukas mich, als wir uns auf den Stühlen niederließen.
„Ach, frag nicht.“
„Wieso, was war denn los?“
„Meine Familie spielt verrückt und Anna dreht durch vor Liebe.“
„Was haben sie denn gemacht?“
Ich trank einen Schluck Orangensaft. „Die werdenden Eltern streiten sich über jeden Scheiß zur Zeit. Sogar über so lächerliche Sachen wie die Wandfarbe fürs Kinderzimmer. Lea will Rosa, Gero ist dagegen. Und was alles noch schlimmer macht: Oma will unbedingt, dass die beiden heiraten.“ Ich sprach das Wort so aus, als hielte ich das für etwas total Schlimmes.
„Was ist denn daran so schlimm?“, fragte Lukas und zuckte mit den Achseln.
„Keine Ahnung“, antwortete ich und zuckte nun meinerseits mit den Achseln. „Die beiden sind vielleicht auch nicht so unbedingt fürs Heiraten… Aber vielleicht hätten sie sich noch dazu entschlossen, wenn Oma jetzt nicht so angekommen wäre. So waren sie natürlich dagegen. Du weißt ja, besonders Lea hasst es, wenn man ihr etwas aufzwingen will.“
„Naja, um ehrlich zu sein, hätte ich das schon erwartet bei deiner Oma“, gab er zu. „Sie kommt halt noch aus einer Generation, in der das so üblich war. Und jetzt muss ihrer Meinung nach das Kind wohl legitimiert werden.“
„Tjaja, da hast du wohl Recht“, pflichtete ich ihm bei. „Jedenfalls gab es zu Hause einen Riesenzoff. Und was alles nicht besser gemacht hat, war Pauls verspätetes Erscheinen beim Essen. Der Kleine kommt wohl grad in die Pubertät und so, jedenfalls soll so was in letzter Zeit häufiger vorkommen. Und er läuft jetzt rum wie einer dieser Unterstufengangster.“
„Buah, schrecklich!“ Lukas verzog sein Gesicht.
„Ja, das kannst du wohl sagen. Und natürlich hat er auch so ein Monsterhandy. All das hat natürlich nicht dazu beigetragen, die Stimmung zu heben.“
„Kann ich mir lebhaft vorstellen.“
Jetzt brachte uns die Kellnerin die Vorspeise. Sie schmeckte sehr gut. „Ich freue mich, dass du mich zum Essen eingeladen hast. Haben wir schon länger nicht gemacht“, sagte ich und lächelte ihn an. Er nahm meine Hand. „Ja, und es ist nicht einfach so. Ich habe tolle Neuigkeiten!“
„Echt? Welche denn?“
„Es ist so unglaublich!“
„Na, was denn? Nun erzähl schon!“, forderte ich Lukas ungeduldig und lächelnd auf.
Er schien zu zögern. Schließlich entschloss er sich aber doch dazu, es mir zu erzählen. „Erinnerst du dich noch daran, wie ich mit diesem Typen gesprochen habe, dem der Club in der Rosenstraße gehört?“
„Ja, warum?“
„Er fand uns total cool und wir werden bald regelmäßig dort auftreten! Jeden Freitagabend!“
„Wow, das ist ja toll!“ Ich freute mich für ihn.
„Und das ist noch nicht alles: Wir haben endlich einen neuen Bassisten!“
Jetzt hechtete ich so halb über den Tisch, um ihn zu drücken. Dabei hätte ich fast meinen Orangensaft umgestoßen. Lachend setzte ich mich wieder hin. „Das sind ja wirklich gute Neuigkeiten!“
„Hast du nicht Lust, zur ersten Probe vorbeizukommen? Ich bin mir sicher, du würdest dich mit ihr verstehen.“
„Mit ihr?“ Ich war verwundert.
„Ja. Es ist eine Sie.“
„Gibt ja nicht viele Frauen, die Bass spielen, oder? Wie heißt sie denn?“
„Kiki.“
Kiki, bei dem Namen klingelte irgendwas in meinem Kopf, ich konnte aber nicht genau sagen, was.
„Entschuldigst du mich bitte kurz? Ich muss eben für kleine Jungs“, sagte Lukas plötzlich. Zerstreut antwortete ich: „Jaja, geh nur.“ Dann setzte ich meine Gedanken fort…
Kiki, wieso kam mir dieser Name bekannt vor?
War es jemand, den er aus der Schule kannte? Aus der Uni? Eine Verwandte?
Lukas kam zurück und rieb sich freudig die Hände. „Du glaubst mir gar nicht, wie sehr ich mich auf die erste Probe freue! Echt super, dass ich Kiki wieder getroffen habe. Und was wir uns nicht alles zu erzählen hatten! Nach all der Zeit.“
Und da fielen mir die Tomaten von meinen Augen.
Kiki war seine Exfreundin.
Im Gegensatz zu mir hatte er vor mir schon Beziehungen gehabt, und ich wusste das. Es hatte mich im Grunde nie besonders interessiert. Aber jetzt wurde ich doch unruhig…
„Wieso hast du mir nicht gesagt, dass Kiki deine neue Bandkollegin ist?“
„Wieso sollte ich?“ Er schien unsicher.
„Wieso solltest du“, echote ich. „Vielleicht, weil es mich doch ein klein bisschen interessiert, wenn du mit deiner Exfreundin ZUSAMMENSPIELST?“
„Bitte beton das Wort nicht so!“
„Wie denn sonst?“
„Sara!“, rief er. Er ergriff meine Hand. „Bitte. Sie ist nur eine gute Freundin. Da passiert nicht. Sie hat doch selbst einen Freund. Ich würde doch nie eine andere wollen als dich!“
„Wirklich?“
„Ja, wirklich. Ich liebe dich doch, wie könnte ich da je was mit einer anderen anfangen?“

Geschützt: Nazis, Nachdenken und Nachwuchs

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Fragebogen zu Film und Kino

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Was ist wohl am naheliegendsten für eine Bloggerin, die kaum Filme kennt? Genau: ein Fragebogen zu dem Thema! (Ich habe ihn hier gefunden: http://medienjunkieblog.wordpress.com/2011/07/17/fragebogen-zu-film-und-kino/)

1.) Ein Film, den du schon mehr als 10 Mal gesehen hast:

“Die fabelhafte Welt der Amélie”.

2.) Ein Film, den du mehrfach im Kino gesehen hast:

Keiner.

3.) Ein Schauspieler, wegen dem du eher geneigt wärst, einen Film zu sehen:

Ich glaube, am ehesten würde da Christoph Waltz passen.

4.) Ein Schauspieler, wegen dem du weniger geneigt wärst, einen Film zu sehen:

Til Schweiger.

5.) Filmmusical, dessen Songtexte du komplett auswendig kannst:

Komplett nicht, aber ich kann viele Stücke von “West Side Story” und “Linie 1”.

6.) Ein Film, bei dem du im Kino mitgesungen hast:

Kann mich nicht erinnern, das jemals getan zu haben.

7.) Ein Film, den jeder gesehen haben sollte:

“The King’s speech”.

8.) Ein Film, den du besitzt:

“Zwei glorreiche Halunken”.

9.) Ein Schauspieler, der seine Karriere nicht beim Film startete und der dich mit seinen schauspielerische Leistungen positiv überrascht hat:

Da fällt mir im Augenblick nur Omar Sy ein.

10.) Schon mal einen Film in einem Drive-in gesehen?

Nein.

11.) Schon mal im Kino geknutscht?

Na klar!

12.) Ein Film, den du schon immer mal sehen wolltest, du bist bisher aber nie dazu gekommen:

*denkt lange nach* Ich bin vor lauter Müdigkeit eingeschlafen, als ich “Octopussy” gesehen habe, zählt das auch?

13.) Hast du jemals das Kino verlassen, weil der Film so schlecht war?

Nein, aber z.B. “The American” hätte ich gern vorm Ende abgedreht.

14.) Ein Film, der dich zum Weinen gebracht hat:

Vermutlich “Sicko”.

15.) Popcorn?

Hab ich kurz nach Weihnachten zum ersten Mal als schmackhaft erlebt. Aber bis jetzt nicht im Kino.

16.) Wie oft gehst du ins Kino?

Wenn’s hochkommt, alle paar Monate mal.

17.) Welchen Film hast du zuletzt im Kino gesehen?

*denkt lange nach* “Der Medicus”.

18.) Dein Lieblingsgenre?

Da will ich mich gar nicht festlegen. Ich kann nur sagen, was ich wirklich nicht mag: Fantasy, Horror.

19.) Dein erster Film, den du im Kino gesehen hast?

*denkt lange nach* “Toy Story”.

20.) Welchen Film hättest du lieber niemals gesehen?

“Captain America – The first Avenger”.

21.) Der merkwürdigste Film, den du mochtest?

“Traumschiff Surprise – Periode 1”. Betonung auf ‘mochtest’.

22.) Der beängstigendste Film, den du je gesehen hast?

“Shutter Island”.

23.) Der lustigste Film, den du je gesehen hast?

Da will ich mich auch wieder nicht festlegen, aber der Simpsons-Film hat sicher gute Chancen.

24.) Ein deutscher Film, den jeder gesehen haben sollte?

“Russendisko”.

25.) Ein Kurzfilm, der dich begeistert hat?

“Pärchenabend” (mit Anna Maria Mühe und Hannah Herzsprung).

Mit freundlichen Grüßen

Die Kitschautorin

Krümelmonster, Teil 22

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Noch lange saßen wir da und unterhielten uns über Gott und die Welt. Am nächsten Tag ging ich glücklich, aber müde durchs Leben und erledigte nach und nach alles, um das ich mich zu kümmern hatte. Zwischen Uni, Freundeskreis und schwangerer Schwester war das zum Beispiel die Besorgung der Weihnachtsgeschenke.

Seit zwei Wochen hingen die Lichterketten nun schon an den Kaufhäusern und in den Straßen. Wie viele Leute in der Zeit wohl schon alles für ihre Lieben besorgt hatten? Die Menschenmassen nahmen, während ich Stück für Stück die Geschenkeliste abarbeitete, jedenfalls kein Ende und das, obwohl ich mir eine relativ späte Zeit zum Weihnachtsshoppen ausgesucht hatte. Na ja, ich war nicht eher dazu gekommen.

Und so zog sich alles ziemlich lange hin, obwohl ich ganz genau wusste, was ich meinen Lieben kaufen wollte. Paul sollte ein Hot-Wheels-Auto bekommen, meine Mutter ein Buch von Dora Heldt. Papa wollte ich ein gerahmtes Bild schenken und Oma ein paar Malfarben. Anna würde sich hoffentlich über den Comicband freuen, den ich für sie ausgesucht hatte, und Aurélie würde an Weihnachten eine Schneekugel mit dem Eiffelturm unter der Tanne finden. Die werdenden Eltern bekamen von mir ein paar Babysachen, Strampler und so etwas, natürlich in neutralen Farben. Ich wusste ja das Geschlecht noch nicht.

Für all das brauchte ich eine halbe Ewigkeit. Als ich mich zum letzten Mal an der Kasse anstellte, rief plötzlich jemand von irgendwoher ganz laut: „Sara!!!“

Genervt drehte ich mich um. „Was ist denn?“

Es war Kati. Wieso traf ich Leute eigentlich immer zum falschen Zeitpunkt? Irgendwie wollte ich sie gerade nicht sehen. Nervös betrachtete ich die Schlange vor mir.

„Hi, Kati“, begrüßte ich sie wenig begeistert. „Auch Weihnachtsgeschenke kaufen?“

„Ja“, erwiderte sie. „Ich hab eigentlich schon alle… nur das für meinen Vater, das ist jedes Jahr eine neue Herausforderung.“ Sie hatte mit mir über ihren Vater gesprochen. Ich wusste noch ziemlich genau, was sie gesagt hatte, und nickte verständnisvoll.

„Also, was ich dir noch sagen wollte…“, setzte sie an, nachdem wir uns eine Weile angeschwiegen hatten, während wir so halb in der Kassenschlange standen. Nanu? Was wollte sie mir sagen?

„Also, ich kann… konnte dich ja überhaupt nicht leiden. Aber es war schon ziemlich witzig, wie wir uns an Hannes gerächt haben. Das hat mir unheimlich gut getan.“

„Ja, das war ziemlich gut“, musste ich zugeben, obwohl ich auch nicht so viel von ihr hielt.

„Und ich wollte dir sagen, dass es mir Leid tut, dass ich einfach in dein Zimmer gegangen bin und deine CD kaputt gemacht hab. Du hast ja eigentlich überhaupt nichts gemacht. Der wahre Übeltäter ist Hannes und an dem haben wir uns jetzt gerächt. Also… tut mir Leid.“

„Ach was“, winkte ich ab. „Ist doch Ehrensache.“

„Und ich hab noch was für dich“, rief sie und kramte in ihrer Handtasche herum.

„Wie… du für mich?“

Nach einer Weile hatte sie ein kleines, in Silberpapier eingewickeltes Teil hervorgekramt und drückte es mir in die Hand.

„Na, mach es schon auf! Ist für dich“, ermutigte Kati mich. Ungläubig riss ich das Silberpapier und die rote Schleife, die noch drumherum gewesen war, ab und zum Vorschein kam… die CD mit den französischen Liedern. Mit zwei Songs, die ich noch überhaupt nicht kannte. Und was am Wichtigsten war: Auf dem Cover hatten die drei Bandmitglieder unterschrieben! Ich konnte es nicht fassen. „Wie… die ist für mich? Aber wie konntest du sie so schnell… und warum ist die signiert?“

„Tja, manchmal hat Reich-Sein eben auch so seine Vorteile. Viel Spaß damit!“ Sie lächelte mich an und ging.

„Aber das wäre doch nicht nötig gewesen!“, rief ich ihr hinterher. Sie drehte sich noch um und rief: „Die hast du verdient!“ Und weg war sie.

Ich konnte es nicht glauben. Ich registrierte gar nicht, dass ich von einigen Leuten in der Schlange überholt wurde, und statt den verlangten sechzig Euro drückte ich der Kassiererin sechzehn Euro in die Hand, so durcheinander war ich.

Diese ganze vorweihnachtliche Episode brachte mich noch mehr zum Nachdenken. Wahrscheinlich war Kati doch nicht so ein schlechter Mensch, wie ich nach über vierzehn Jahren schlechten Erfahrungen mit ihr gedacht hatte. Trotz all dem Haare-Ziehen und Angeben. Und genau dies bewog mich, mich mit ihr nach der Uni mit ihr auf einen Kaffee zu treffen.

Als ich kam, saß sie bereits an einem Tisch am Fenster. Ihr Haar trug sie wie gewöhnlich mit einer Haarspange nach hinten geklemmt, in ihren Ohren steckten Perlenstecker und ihren Körper bedeckte ein dunkelblauer (marineblauer?) Pullover. Wenn man sie so sah, konnte man eigentlich denken, sie studiere BWL und nicht Pädagogik.

„Na, wie geht’s dir?“, begrüßte sie mich.

„Körperlich oder seelisch?“, fragte ich zurück. Doch wir wurden unterbrochen vom Kellner, der unsere Bestellungen aufnehmen wollte. Kati nahm Latte Macchiato, ich einen Orangensaft. „Ich will ja nicht so enden wie letzte Woche“, erklärte ich es Kati.

„Wie, was ist dir denn da passiert?“, fragte sie.

„Ach, bei dem ganzen Stress hab ich vergessen, was zu trinken. Das war letzten Samstag“, erzählte ich. „Da hat mich dann meine Schwester besucht, und schwupps! bin ich ihr vor die Füße gekippt –“

„Ach ja, richtig, das hab ich mitgekriegt“, rief Kati sogleich.

„Echt? Wie jetzt? Auf jeden Fall hat Hannes mich dann wiederbelebt –“

„So weit ist es also schon gekommen? Dieser gottverdammte Lügner!“

„Wieso bin ich ein Lügner? Dieser Latte macchiato ist wirklich der beste in der ganzen Stadt!“, schaltete sich der Kellner ein, der uns gerade die Getränke brachte. „Nein, ich hab nicht Sie gemeint, keine Sorge!“, beruhigte Kati ihn und machte sich sofort ans Schlürfen. „Na, dann bin ich ja beruhigt“, erwiderte der Kellner und ging davon.

Verwirrt fragte ich: „Wer ist ein Lügner?“

Schlürf.

„Kati, wer ist ein Lügner?“, wiederholte ich meine Frage.

Schlürf. Keine Reaktion.

„Kati, verdammt noch mal, was ist hier los?“

Die Angesprochene zuckte zusammen und hätte hierbei fast ihr Glas umgestoßen. „Ich wollte es dir eigentlich nicht sagen, aber…“ So, als hätte sie mir ein äußerst vertrauliches Geheimnis zu erzählen, sah sie sich erst nach beiden Seiten um und rückte dann bis auf fünf Zentimeter an mein linkes Ohr heran, um zu sagen: „Ich habe alles gesehen.“

„Wie, du hast alles gesehen?“

„Ich hab gesehen, wie du umgekippt bist, ich hab gesehen, wie Hannes behauptete, dich wiederbelebt zu haben und auch, wie er dich in sein Zimmer geschleppt hat, um dir all das romantische Zeug zu erzählen. Der wollte dich nur bei der Stange halten!“

„Moment mal, was meinst du damit?“

„Dass Hannes dir nur was vorgespielt hat, damit du dich nicht völlig von ihm abwendest. Erinnerst du dich daran, wie nach dem Aufwachen der andere Typ, der dabei war, zu dir gesagt hast, dass du Flüssigkeit brauchst?“

„Dunkel…“

„Der hat dich in Wahrheit wiederbelebt. Das war gar nicht Hannes. Der würde so was auch nie im Leben hinkriegen.“

Ich fühlte mich voll verarscht. Ich konnte gar nicht glauben, dass er es nicht gewesen sein sollte. Konnte ich Katis Version wirklich Glauben schenken?

„Das… ist doch alles gar nicht wahr“, stammelte ich. „Das erzählst du doch alles nur…“ Ich zeigte mit dem Finger auf sie. „Und am Ende krallst du dir Hannes!“

„Was soll das eigentlich?“, erregte sich Kati. „Da erzähle ich dir einmal im Leben die Wahrheit und dann kriege ich so was zu hören. Glaub doch, was du willst! Ich hab’s nicht nötig!“

„Nein, so hab ich das gar nicht gemeint. Aber… wieso hast du alles beobachtet?“

„Ich hatte ihn an dem Abend noch mal besucht. Ich bin dann kurz Richtung Toilette gegangen… und dann hörte ich nur einmal kurz deine Stimme und dann hab ich halt alles gesehen. Und ich wollte unbedingt wissen, was Hannes mit dir macht… da hast du schon Recht. Er ist so ein Arschloch!“ Traurig guckte Kati auf den Boden.

„Natürlich ist er das!“ Wütend guckten wir an die Decke. „Boah, ich bekomme glatt Lust, mich noch mal an ihm zu rächen!“, schnaubte sie. „Nein, das haben wir doch schon!“, antwortete ich. „Das brauchen wir nicht, denke ich.“

Eine Weile schwiegen wir beide. Nachdenklich starrte ich in meinen Orangensaft, den ich immer noch nicht angerührt hatte. Du brauchst Flüssigkeit.

„Der andere Typ hat mich also wiederbelebt?“, fragte ich schließlich. Kati nickte und guckte dabei genauso drein wie ich.

„Wer war das eigentlich?“

„Ach, das war Lukas. Ein alter Freund von Hannes. Hat nach dem Abi ‘ne Ausbildung zum Krankenpfleger gemacht und studiert jetzt Medizin.“

„Lukas…“

„Ja, so heißt er.“

„Krankenpfleger? Und Medizinstudent? Deswegen konnte er mich wiederbeleben… Und er hat sofort gewusst, was mir fehlt.“ Ich trank mein Glas in einem Zug aus.

„Also, danke, dass du mir das gesagt hast“, sagte ich zerstreut. „Ich gehe mal kurz auf die Toilette.“

Dort saß ich dann und seufzte so laut, dass ich damit die Pieselgeräusche überdeckte. Ständig änderte sich mein Leben und ich kam kaum hinterher. Es war so, als hätte sich jemand oben im Himmel den magischen Stift zum Drehbuch meines Lebens geschnappt und würde die abenteuerlichsten Wendungen und Schnitte einbauen. Wahrscheinlich sollte ich mir den Stift zurückholen. Wieso dachte ich über so etwas eigentlich auf der Toilette nach?

Beim Händewaschen fiel mir etwas auf, das sich im Spiegel spiegelte. Ich drehte mich mal kurz um. So erfuhr ich, dass meine Uni in knapp zwei Wochen einen Weihnachts- beziehungsweise Adventsball anbot. Das an der Wand hängende Plakat versprach für einen Eintrittspreis von fünfzehn Euro pro Studinase „vorweihnachtlichen Glamour und die besten Cocktails der ganzen Stadt“ (was für eine inflationär gebrauchte Floskel). Stattfinden sollte das Ganze in der Uni und es wurde eine Band angekündigt.

Wer von den Verantwortlichen hatte eigentlich die bescheuerte Idee, so etwas im Winter zu veranstalten, wo doch klar war, dass bei dem Wetter Abendkleider zu tragen lauter Erkältungen auslösen würde?

Dies sagte ich auch Kati, als ich wieder da war. „Tja, dann sind die Hörsäle wenigstens nicht mehr so voll, weil alle Mädchen zu Haus bleiben“, lachte sie. „Aber wo hast du denn das mit dem Ball gesehen?“

„Auf dem Klo. Es gibt Cocktails und es spielt ‘ne Band.“

„Echt? Welche denn?“

„Keine Ahnung. Irgendwas mit Students, ich hab mir den Namen nicht gemerkt.“

„Ah, Lukas spielt in einer Band, die so heißt. Die sind ziemlich gut.“ Kati wischte sich über die Nase. „Na ja, ich muss gleich nach Hause, ich will noch für die Pädagogik-Prüfung lernen.“

„Ja, ich sollte wahrscheinlich auch mal wieder lernen“, gab ich zu. „Hab in letzter Zeit ziemlich wenig gemacht.“

Wir bezahlten und fuhren nach Hause. An der Tür zu Flur 2 trennten sich unsere Wege.

„Hättest du denn Lust, zum Weihnachtsball zu gehen?“, fragte Kati.

„Keine Ahnung, muss mal schauen. Ich meld mich bei dir, okay?“
Wir verabschiedeten uns und ich ging in mein Zimmer, um mich mit den Vorlesungsmitschriften und einer heißen Tasse Kakao ins Bett zu legen.

Geschützt: Kinderfernsehen

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Geschützt: Kurz kommentiert (mehr oder weniger), Teil 20

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Geschützt: Lächerlicher Jugendschutz

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Geschützt: Bücher und ich

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Geschützt: Gedanken beim Lesen des Flimmo

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Geschützt: Fern sehen

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