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Bevor ich sterbe, möchte ich
Ich finde diese Aktion klasse. Wir alle sollten darüber nachdenken, was unsere Wünsche sind, die wir uns unbedingt erfüllen möchten. Außerdem finde ich es interessant, zu lesen, was sich andere so wünschen. Als ich davon las, wusste ich genau, dass ich auch teilnehmen möchte, und das habe ich auch getan, als die Aktion in meiner Stamm-Mensa zu Gast war:
https://www.flickr.com/photos/100511533@N08/15534718618/
(Die fünfte Ergänzung stammt von mir.)
Ich fand es erstaunlich, zu lesen, dass sich so viele Studenten Kinder wünschen. Aber irgendwie hat es mich auch gefreut. Blöd fand ich hingegen, dass einer an die Tafel schrieb, er wolle in den Dschihad ziehen:
https://www.flickr.com/photos/100511533@N08/15534718538/
Ob Troll oder Islamist, das geht gar nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Die Kitschautorin
Krümelmonster, Teil 26
Ich musste mit jemandem darüber reden. Also schnappte ich mein Handy und rief Anna an. Niemand ging ran. Sie hatte ihr Handy wohl mal wieder aus. Also rief ich den nächsten Namen im Telefonbuch an. Sieben Mal piepte es… und dann hörte ich eine stupide Mailboxansage, aufgenommen von der Person, die ihn besaß, und Freddy. „Tut mir Leid, Aurélie ist gerade nicht zu erreichen. Ruft am besten gleich zurück, wenn ich wieder da bin… oder auch nicht!“ Albernes Gekicher. Oh Mann! Ich legte auf und scrollte mich nach oben zu meiner Schwester durch. Wenn die jetzt nicht konnte, dann…
„Hallo, wer ist da?“
„Ich bin’s, Sara. Du, ich muss unbedingt mit dir reden!“
„Was ist denn- Uaaah!“ Würgegeräusche. Ich verzog angewidert mein Gesicht. Wenig später vernahm ich Geros Stimme. „Hallo, wer ist da?“
„Sara hier, hallo. Was ist denn mit Lea los?“
„Na ja, ihr geht’s gerade nicht so gut. Soll ich ihr was ausrichten?“
„Sag ihr einfach, sie soll morgen um zwölf in die Mensa kommen“, sagte ich, legte auf und verzog mich voll genervt von der Welt nach Hause.
Da wollte ich mal mit anderen über meine Probleme reden und niemand hatte Zeit für mich! Das war doch echt unglaublich. Mit niemandem konnte ich darüber reden, keiner hatte Zeit für mich! Wieso hatten Anna und Aurélie eigentlich Handys, wenn sie sowieso nicht rangingen? Lea hatte natürlich auch keine Zeit für mich gehabt. Musste sie denn ausgerechnet dann kotzen, wenn ich sie anrief? Ja, ich wusste schon, sie konnte nichts dafür. Nichtsdestotrotz war ich total verärgert und genervt. Ich wollte einfach nur mit jemandem sprechen, musste aber natürlich warten, bis Lea sich am nächsten Tag in die Mensa schleppte. Na gut, schleppen war vielleicht übertrieben. Aber nach dem, was ich gestern gehört hatte, konnte es ja nicht so toll sein.
Das sagte ich ihr auch, und dass ich sie am Vortag per Handy kotzen gehört hatte. „Tut mir Leid, aber seit ich schwanger bin, passiert mir das ständig. War keine Absicht, das gestern. Was hast du denn?“ Sie haute sich einen ordentlichen Bissen ihres Salates rein.
„Du ernährst dich nur noch gesund, was?“, bemerkte ich, während ich auf ihr Essen deutete.
„Ja“, antwortete sie. „Muss ich ja. Aber was ist jetzt mit dir? Gero sagte, du klangst gestern ziemlich nachdenklich.“
„Ja, da hat er wohl Recht. Ich wollte gestern unbedingt jemanden haben zum Reden… aber niemand hatte Zeit.“
„Was war denn los, meine Güte?“
Ich nahm erst einmal einen großen Bissen meines Wraps, ehe ich erzählte, wieso. „Na ja, ich hab Lukas gestern erzählt, was mir mit Hannes passiert ist, und danach wirkte er irgendwie kalt. Und er hat mich ganz schnell rausgeworfen, weil er zu einer Bandprobe musste.“
„Du hast WAS?“ Lea kreischte so laut, dass sich einige Leute nach ihr umsahen. „Du hast es ihm doch nicht ernsthaft erzählt, oder?“
„Ähm… Doch“, gab ich unsicher zurück, „er stand gestern nur mit Handtuch vor mir und da war ich so schockiert, dass er es mir angesehen hat und fragte, was los war… da hab ich es ihm halt gesagt.“
„Das ist doch nicht wahr! Wie blöd kannst du sein?“, regte Lea sich auf.
„Du bezeichnest mich als blöd? Komm erst mal wieder runter!“
„Der Kerl ist eindeutig in dich verknallt und da erzählst du ihm deine Männergeschichte? Meinst du nicht, du hast ihm damit ein bisschen weh getan? Und ich wette“, Lea zeigte mit dem Zeigefinger auf mich, „dass er die Bandprobe nur vorgeschoben hat, weil er keinen Bock hatte, den Stachel noch tiefer reingeschoben zu kriegen.“ Sie sah sich nach allen Seiten um und trank dann ihr Wasser.
„Was? Denkst du wirklich, Lukas hat… Gefühle für mich?“
„Aber natürlich, das sieht doch jeder Blinde. Du triffst dich mit ihm, er unterhält dich stundenlang, ist besorgt um dein körperliches Wohl… und ich hab gesehen, wie er dich ansieht. Er lächelt dich ständig an und seine Augen kleben sozusagen an dir. Also, der steht auf dich, hundertprozentig.“
„Meinst du wirklich?“, fragte ich ungläubig.
„Na klar. Nur leider hast du ihm wohl signalisiert, dass du überhaupt nichts von ihm willst.“
„Wie kommst du denn darauf?“
„Ich weiß ja nicht, was du ihm genau gesagt hast… aber wenn es dasselbe ist, was du mir auch gesagt hast, dann sieht es verdammt schlecht aus.“
„Oh Gott…“ Ich vergrub mein Gesicht in den Händen.
„Das kannst du wohl sagen.“
Den Rest der Mahlzeit nahmen wir schweigend ein. Wir brauchten gleich lang für unser Essen. Nur dass Lea sich etwa drei Mal so viel bestellt hatte wie ich. Ich stocherte in meinem Essen herum und sah zu, wie es von der Gabel zurück auf den Teller fiel. Ich hatte keinen Appetit mehr. Das Essen kam mir eklig vor… genauso wie ich selbst.
Nach einer halben Ewigkeit, in der Lea längst zu ihrer Vorlesung verschwunden war, stand ich auf und nahm mein Tablett mit. Dabei musste ich aufpassen, dass es mir vor lauter Energielosigkeit nicht aus den Händen glitt.
Seufzend stellte ich es auf die Ablage… und zuckte fast zusammen. An der Eingangstür stand Lukas! Er schien sich mit irgendjemandem zu unterhalten und mich dabei komplett zu übersehen. Das konnte ich ihm nicht einmal verdenken…
„Hi!“, rief plötzlich jemand von hinten und tippte mir auf die Schulter. Ich drehte mich um.
„Ich hasse es furchtbar, erschreckt zu werden!“, fauchte ich Hannes an. „Mach das nie wieder!“
„Entschuldigung, das wollte ich nicht. Hör mal, kann ich mit dir reden?“
„Muss das sein?“, nölte ich. „Warum geht’s denn?“
Wir gingen etwas zur Seite. „Hör mal“, begann Hannes. „Mir ist klar geworden, dass ich mich wie ein kompletter Idiot verhalten habe und ich wollte dir sagen, wie Leid es mir tut.“ Er sah sich um. „Also, wie hast du dich entschieden?“
„Dass ich dich nicht will. Also mal ehrlich, glaubst du wirklich, dass ich jetzt noch eine Beziehung mit dir will, nach all dem, was du mir angetan hast? Und Kati auch!“
„Ich denke, ihr habt mir mehr als deutlich klar gemacht, dass ich ein Vollarsch war. Willst du denn wirklich keine Beziehung mit mir? Ich bin mir über meine Gefühle für euch beide klar geworden… und ich weiß jetzt, dass ich nur dich liebe.“
„Aber ich empfinde nichts für dich.“
Hannes seufzte. „Ja, daran kann ich wohl nichts ändern.“ Er sah mich an. „Denkst du, wir können trotzdem Freunde bleiben?“
Ich sah ihn an. „Ja, vielleicht können wir das.“
„Aber… gute Freunde umarmen sich doch, oder?“, äußerte er sich, und ehe ich mich’s versah, lag ich in seinen Armen. „Was soll das?“ Ich riss mich von ihm los und klebte ihm eine. Danach rannte ich Richtung Eingangstür. Lukas war nicht mehr da. Verdammt, ich hätte ihm so gerne noch einiges gesagt! An Uni war jetzt natürlich nicht mehr zu denken.
Zu Hause randalierte ich total. Ich schmiss meine Kissen durchs Zimmer und ließ mich irgendwann total fertig auf den Boden fallen. Meinen Arm streckte ich so weit aus, wie es eben ging, und drückte auf den Anschaltknopf meines Radioweckers. Das Radio startete. Der meganervige Ansager rief etwas ins Mikrofon:
„Und jetzt, meine lieben Freunde, kommt der meistgewünschte Song unserer Hörer: Platz 1 – Incubus mit Love hurts.“
Das konnte doch nicht wahr sein! Wollten die mich alle quälen? Schlagartig stand ich wieder auf den Beinen und schnappte mir das große Kopfkissen. Ich haute so lange damit auf den Radiowecker, bis ich es irgendwie schaffte, den Knopf wieder zu betätigen und das nervige Teil zum Schweigen zu bringen. Doch damit war mein Wutanfall noch lange nicht vorbei. Ich schlug um mich und fluchte dabei so laut, wie ich konnte: „Scheiße! Verdammt! Mist! Shit! Damn! Blast! Merde! Mince! Zut!“ Plötzlich klopfte es laut an der Tür. Wütend riss ich sie auf. „Was?“
„Du fluchst ja ganz schön laut. Was ist denn los mit dir?“, fragte Kati.
„Hat man das bis zu deinem Zimmer gehört? Komm ruhig rein“, murmelte ich und räumte schnell das größte Durcheinander beiseite.
„Nein, ich bin bei dir vorbeigekommen, weil ich dich fragen wollte, ob du mitkommst zum Weihnachtsball. Dann besorg ich die Karten.“
„Was soll ich da?“, rief ich verzweifelt. „Ich werde ja doch nur in meinem schönsten Kleid in der Ecke stehen und traurig zur Bühne starren. Ich will da auf gar keinen Fall hin.“
„Aber wieso denn nicht?“
„Ich sag besser gar nichts mehr, bevor ich noch einer Person weh tue.“ Ich ließ mich mit dem Gesicht nach unten aufs Bett fallen.
„Wem hast du denn weh getan?“
„Lukas.“
„Und womit, wenn ich fragen darf?“
„Ich will eigentlich gar nichts sagen. Es reicht ja schon, dass ich Lukas zu viel erzählt hab. Und ihm damit ‘nen Dorn ins Herz gebohrt hab.“
„Du tust mir schon nicht weh damit. Erzähl ruhig“, drängte Kati.
„Ich hab Lukas gesagt, was mir mit Hannes passiert ist und er hat mich ziemlich schnell aus dem Haus geworfen. Er wirkte überhaupt nicht glücklich, das kann ich dir sagen.“
Kati riss die Augen auf und atmete tief aus. „Schöne Scheiße, was?“
„Das kannst du aber laut sagen.“
„Und wieso hast du’s ihm gesagt?“
„Na, weil ich so geschockt war, als Lukas nur mit ‘nem Handtuch vor mir stand.“
„Aber wieso hat er das gemacht?“
„Weil er duschen musste, nach der Schneeballschlacht, die wir veranstaltet haben!“, rief ich und zog mir das Kissen über den Kopf.
Kati sagte erst einmal eine Weile gar nichts mehr. Schließlich stand sie auf. „Dann willst du also nicht mit auf den Weihnachtsball kommen?“
„Auf keinen Fall. Wie gesagt“, brummte ich durchs Kissen.
„Aber gerade jetzt wäre es doch gut, wenn du mitkommst! Es wird bestimmt wieder alles gut, wenn du ihm erklärst, was du über ihn denkst!“
„Ich denke nicht, dass er mich nach dem heutigen Tag jemals wieder sprechen will“, rief ich und setzte mich wieder auf.
„Und wieso das bitte nicht?“
„Weil er gesehen hat, wie Hannes mich umarmt hat?“
„Wie, er hat dich umarmt? Das hast du mit dir machen lassen?“
„Es kam so plötzlich! Hannes hat mich gefragt, wie ich mich entscheide. Da hab ich gesagt, ich will keine Beziehung mit ihm. Und er fragte, ob wir vielleicht Freunde bleiben könnten und da hab ich ja gesagt. Und er meinte, gute Freunde würden sich umarmen, und hat mich gepackt! Und Lukas hat alles gesehen.“
„Und was hast du dann gemacht?“
„Ich hab Hannes eine geklebt, was sonst? Was musste der mich auch umarmen? So ein Arsch!“ Ich fing an zu schluchzen und nahm mein Gesicht sofort wieder in meine Hände. Kati setzte sich sofort neben mich und nahm mich in den Arm, aber das konnte mich auch nicht davon abhalten, zu weinen über all den Mist, der mir passiert war.
Krümelmonster, Teil 18
Die Uni ging rasend schnell vorbei. Gerade hatte ich mich noch im Hörsaal mit Anna zum gemeinsamen Mittagessen in der Mensa verabredet und schon stand ich in der Riesenschlange, die sich vor der Essensausgabe auftürmte. Lautstark unterhielten sich alle Studenten darüber, woraus das Mensaessen heute wohl bestand, und wie sie sich heute wieder durch alle Übungen geschludert hatten. So richtig nahm wohl niemand das Studium ernst, dachte ich.
Im Augenblick musste ich aber etwas anderes ernst nehmen… ich verspürte ein dringendes natürliches Bedürfnis. Also bat ich Anna: „Kannst du mir etwas mitbringen? Ich gebe dir das Geld dann gleich wieder.“
„Kein Problem“, erwiderte sie.
Ich rannte raus und erleichterte mich auf der Toilette. Ah, tat das gut. Wie neugeboren wusch ich mir die Hände. Als ich mir das Gesicht mit kaltem Wasser abpatschte, hörte ich plötzlich etwas. Neben der surrenden Lampe über den Spiegeln ertönte noch ein Geräusch. Ich dachte eigentlich, ich wäre alleine in den Mädchenwaschräumen gewesen. Komisch, was war denn da los?
Neugierig spitzte ich meine Ohren. Erschrocken stellte ich fest, was ich da hörte: Es klang wie weibliches Schluchzen. Untermalt von leisem Schniefen drang es verzweifelt in meine Ohren. Was sollte ich denn jetzt machen? So etwas war mir noch nie passiert, zumal mir die erstickte Stimme irgendwie bekannt vorkam.
Zögerlich ging ich zur verschlossenen Kabine und klopfte an die Tür. „Hallo? Ist da jemand?“
„Was willst du?“, heulte die Person, die auf der anderen Seite der Tür war. Ich erschrak abermals, denn es handelte sich um niemand anderen als Kati. Jetzt war ich noch ratloser.
Wie ein Dummkopf fragte ich: „Weinst du etwa?“
Die Antwort war: „Na und? Was geht dich das an? Hau ab!“
Plötzlich stieg Wut in mir auf. „Ja, genau! Warum interessiere ich mich eigentlich für jemanden, der meine CD, die so schwer zu finden war, einfach kaputt macht? Ganz zu schweigen davon, dass ich vielleicht so was wie Angst hatte, als einfach jemand in mein Zimmer eingebrochen ist. Dann heul doch weiter!“ Ich steuerte den Ausgang an.
„Nein, bitte bleib da!“, ertönte Katis schwache Stimme. Sie schnäuzte sich irgendwo rein, wahrscheinlich ins Klopapier. War das nicht viel zu rau für ihre zarte Nase?
Trotzdem drehte ich mich wieder um und kehrte zurück zur Tür, die mittlerweile offen war.
Kati war ein jämmerlicher Anblick. Sonst stolzierte sie immer wie die Königin von Saba durch die Welt, nahm sich alles, was sie wollte, kümmerte sich nicht darum, ob sie jemandem schadete oder nicht und sah dabei auch noch immer gut aus. Jetzt saß sie da wie ein Häufchen Elend , ihre Klamotten saßen grundfalsch und ihre Wimperntusche war verschmiert; um sie herum lagen dutzendweise vollgeweinte Taschentücher und Klopapierhaufen. Eigentlich hätte ich in diesem Moment Schadenfreude empfinden sollen, das hätte jeder Mensch in meiner Lage getan, denke ich. Aber ich konnte es irgendwie nicht.
Um mich zu sortieren, fragte ich erst einmal: „Was ist denn los, dass du dir fast das Hirn rausweinst?“
Sie schniefte. „Hannes hat mich verlassen.“
„Wirklich?“
„Ja.“ Schnief. „Ich habe mit ihm darüber geredet, wie sehr mir das wehtut, dass er ständig mit anderen Mädels herummacht. Ich habe immer so getan, als würde mir das nichts ausmachen, weil ich mich so gefreut habe, dass jemand mit mir zusammen sein wollte.“
„Wie? Ich dachte, die Jungs fliegen auf dich.“
„Ja, das stimmt auch“, schnaubte Kati bitter und schnäuzte sich erneut. „Sie fliegen auf mich, weil mein Vater eine Firma hat und mir pausenlos das Geld in den Arsch schiebt. Ich will das alles gar nicht! Diesen tollen Wagen, den ich zum Abitur gekriegt habe, wollte ich ablehnen. Aber da hat mein Vater mir ins Gewissen geredet. Dass ich ihn nicht mehr lieben würde und dass ich doch dankbar für solch ein Geschenk sein sollte. Der kapiert auch echt gar nichts mehr!“ Sie schaute mir in die Augen. „Als ich Hannes getroffen habe, dachte ich, er wäre der Erste, der kein schnelles Abenteuer mit mir wollte, der nicht so oberflächlich ist wie alle anderen. Aber da hab ich mich wohl getäuscht. Ich bin bei ihm geblieben… wieso eigentlich? Weil ich ihn liebe, verdammt noch mal!“ Jetzt fing sie richtig an zu weinen. Oh mein Gott, was machte ich nur mit einem Mädchen, das ich eigentlich von Grund auf gehasst hatte? Verlegen klopfte ich ihr auf dem Rücken herum. „Du… darfst dir nicht alles gefallen lassen!“, sagte ich zu ihr.
„Hab ich doch auch nicht“, murmelte Kati.
„Ja, du hast meine CD, die ich jetzt mühsam wieder irgendwo suchen darf, kaputt gemacht, und mir mit dem Einbruch einen Riesenschrecken eingejagt. Super, wirklich!“
„Ich war total sauer auf dich. Nachdem ich rausgefunden habe, dass er mit dir geschlafen hat, wollte ich einfach nicht mehr. Ich hab rot gesehen.“
„Aber wieso verschwendest du deine sinnlose Wut an mich? Sieh es doch ein“, versuchte ich ihr klarzumachen, „der Typ ist ein totales Arschloch. Er verführt alle Weiber und kümmert sich nicht darum, ob er mit irgendjemandes Gefühlen spielt. Das hat er mit mir doch auch gemacht! Wir dürfen das nicht länger tolerieren.“
„Und was schlägst du vor?“, fragte Kati schwach.
„Wir müssen uns an ihm rächen. Hast du Zugang zu seinem Zimmer?“
„Klar, wieso?“
„Wir werden ihm zeigen, dass wir beide nicht alles mit uns machen lassen. Also, hast du morgen Abend Zeit?“
Fünf Minuten später kam ich an Annas Tisch an. Sie sah erst nach einigen Sekunden von ihrem Handy auf. „Tut mir Leid, ich hab gerade eine SMS von Aurélie gekriegt. Sie kommt gleich in die Mensa. Aber wo warst du denn so lange? Wollten alle Studentinnen gleichzeitig aufs Klo oder was?“
„Nein, ich hab noch was wegen der Uni besprochen.“ Das war nicht mal gelogen, Kati und Hannes studierten ja auch hier.
„Na gut, hier ist jedenfalls dein Essen. Hat ein Euro achtzig gekostet, gibste mir die wieder?“, fragte sie und deutete dabei auf einen Teller mit Curry-Tofu-Risotto.
Ich gab ihr das Geld zurück. „Also“, rief Anna, während sie ihr Portmonee wieder einsteckte, „hast du mal wieder was von unserem Traumpaar gehört?“
„Du meinst Aurélie und Freddy? Nein, nicht das Geringste. Das letzte Mal, als ich die beiden zusammen gesehen habe, ist schon Ewigkeiten her. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass Aurélie wohl ganz schön wütend auf ihn sein muss. Ich hab dir doch erzählt, wie sie mich im Café angemeckert hat. Und das war noch stark untertrieben.“
„Ja, das hast du mir erzählt. Neuerdings kommt Aurélie immer sauspät nach Hause und von Freddy redet sie gar nicht mehr“, berichtete Anna. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, die sind gar nicht mehr zusammen. Aber das hätte sie mir wohl gesagt.“
„Ja, das seh ich auch so“, pflichtete ich ihr bei. „Das kann so nicht weitergehen. Die lieben sich doch.“
„Deswegen haben wir doch gesagt, dass wir etwas unternehmen. Oh, da kommt sie ja! Hey, Aurélie! Hier sind wir!“ Anna winkte unserer gemeinsamen Freundin zu, die sich gerade etwas zu essen geholt hatte. Als sie näher kam, sah ich, dass sie sich zu ihrem Hauptgericht noch Baguette und Crème brûlée genommen hatte – typisch französisch.
„Hey, Mädels, wie geht es euch?“, begrüßte Aurélie uns und stellte das Tablett auf dem Tisch ab. Sie wirkte recht gut gelaunt.
„Gut, und dir?“, entgegnete ich.
„Mir geht’s perfekt. Ich denke schon gar nicht mehr an diesen Idioten von Freddy. Den hab ich völlig ausgeblendet“, erzählte sie und begann, zufrieden an ihrem Baguette zu mampfen.
Sie sprach uns darauf an, ohne dass wir sie dazu aufgefordert hatten? Verdächtig.
Ich tauschte einen Blick mit Anna aus. Sie schien dasselbe zu denken wie ich. Wie oft hatten wir solche Momente schon gehabt?
„Schau, Aurélie“, begann Anna das Gespräch, „wir wollten heute Abend zusammen ein paar Filme gucken. Willst du mitmachen?“
„Gerne, was guckt ihr denn so?“
Scheiße, so weit hatten wir noch nicht geplant. „Ähm“, stammelte ich, „wie wäre es denn mit ‚Die fabelhafte Welt der Amélie’? Du magst doch die Musik so gerne“, sagte ich und hätte mir am liebsten auf die Zunge gebissen. Als es Aurélie so dreckig gegangen war, hatte sie doch die ganze Nacht diese Musik gehört – bestimmt wollte sie nicht, dass Anna es mir erzählte, wie es Aurélie gegangen war.
Aber sie schien nichts bemerkt zu haben (oder es machte ihr nichts aus). „Oh, klar, für den Film bin ich immer zu haben. Ich hab heute ziemlich lange Uni, wann wolltet ihr denn anfangen?“
Anna sah mich an. „So um sieben vielleicht?“
„Ja, das passt gut, da bin ich schon wieder zurück.“
Da schien Anna was einzufallen. Sie stand auf einmal auf und sagte: „Einen Moment, wir sind gleich wieder da, okay?“ Sprach’s und zog mich vom Stuhl. Verwundert ließ ich mich von ihr aus der Mensa schleppen und sah noch, wie Aurélie uns verwundert hinterher sah.
„Was sollte das denn?“, wollte ich sofort von Anna wissen, sobald wir draußen standen.
„Es gibt einen wichtigen Punkt, den wir nicht bedacht haben, und das wollte ich dir vor Aurélie nicht sagen!“
„Ach, du meinst…“
„Ja, genau. Irgendjemand muss Freddy doch auch noch Bescheid sagen. Nur wie machen wir das? Das Ganze findet ja bei uns in der WG statt, da wird er wohl kaum hinkommen wollen“, gab Anna zu bedenken.
„Wir könnten ihn ja etwas früher kommen lassen…“, schlug ich vor.
„Hm, na ja, vielleicht kann er da nicht… Wir müssen irgendwie verbergen, dass Aurélie da sein wird…“
„Ja, aber wie?“
„Vielleicht könnten wir… Ach, du Scheiße!“, fluchte Anna plötzlich los.
„Was ist denn nun schon wieder?“
Krümelmonster, Teil 17
Am nächsten Morgen wurde ich wieder von der Sonne im Auge geweckt. Doch diesmal war es keine stechende Sonne, sondern eine freundliche Sonne. Vorsichtig zog ich die Jalousien hoch. Hinter mir drehte sich Lea grunzend im Bett um. Ich setzte mich auf die Fensterbank und beobachtete die Sonne. Sie ging gerade auf und war schön orange gefärbt. Ich beobachtete gern Sonnenaufgänge. Wann hatte ich mir das letzte Mal Zeit dafür genommen? Ich war zu beschäftigt gewesen.
Jetzt starrte ich in die orangefarbene Sonne und dachte nach. Hannes hatte gesagt, er hatte nicht gewusst, wie er sich entscheiden sollte. Wusste ich das? Nein, wusste ich nicht. Was sollte ich tun?
Plötzlich zuckte ich zusammen, denn hinter mir ertönte ein lautes Gähnen. Es war eindeutig weiblich gefärbt. Als ich mich umsah, bemerkte ich, dass es meiner großen Schwester gehörte. Wem auch sonst? Ich wurde langsam paranoid, nach dieser CD-Geschichte. Ich spürte einen Stich im Herzen.
Diese Kati verteidigte ihren Hannes wirklich mit allen Mitteln, sie schreckte vor nichts zurück. Und das, obwohl er ein Schürzenjäger war, dieses Wort benutzte Oma manchmal für solche Männer. Er schaute allem hinterher, was Brüste hatte. Anna hatte ja mal erwähnt, dass er sogar einige Dozentinnen verführt hatte. Und da wollte Kati ihn wirklich noch haben? Das konnte ich, genauer betrachtet, nicht verstehen. Und wieso dachte ich überhaupt noch über ihn nach? Gut, er sah unheimlich gut aus, war wahnsinnig charmant, hatte einen tollen Humor –
„Guten Morgen! Na, wie geht’s dir?“, fragte Lea und schwang ihre Beine aus dem Bett.
„Dumme Frage. Gehen wir jetzt zur Uni?“
„Das bezog sich eigentlich eher auf dein körperliches Wohlbefinden.“ Lea suchte ihre Klamotten zusammen.
„Seit wann drückst du dich so verschwurbelt aus? Mir geht’s super, danke.“
Lea streifte das Top ab, in dem sie geschlafen hatte, und wusch sich am Becken. Nebenbei unterhielten wir uns.
„Jetzt sag mal, wer war eigentlich dieser Typ, der dich gestern entführt hat?“, fragte sie ungeniert nach. Ich zuckte zusammen. „Nun sag schon, wer ist das?“
„Hannes. Er wohnt im Zimmer neben mir.“
„Ach wirklich? Darauf wäre ich ja nicht gekommen“, versetzte Lea und lehnte sich dabei auf den Beckenrand.
„Mehr gibt es auch nicht über ihn zu sagen.“
„Wirklich nicht?“
„Nein, wirklich nicht!“, antwortete ich gereizt.
„Ja, sicher“, antwortete Lea. Ihr war anzusehen, dass sie mir nicht glaubte. Sie begann, sich ihr nach Parfüm stinkendes Zeug wieder abzuwaschen. „Also, wer ist Hannes?“
Manchmal hasste ich ihre Neugier einfach. „Also gut, er hat mich angequatscht, wir haben uns im Duschraum wiedergetroffen und miteinander geschlafen und ich hab mich in ihn verknallt, obwohl er ein verdammter Casanova ist und nichts von mir wissen will! So, bist du jetzt glücklich?“
Erschrocken ließ Lea ihr Deo fallen. Mit einem Ausbruch meinerseits hatte sie wohl nicht gerechnet. „Was? Und das hast du mir nicht erzählt?“
„Nein, du hattest doch viel schlimmere Probleme. Übrigens solltest du dich abtrocknen, sonst erkältest du dich noch.“
„So ein Quark!“, wies sie meinen Einwand beiseite, trocknete sich aber dennoch schnell ab und zog sich an. Dann setzte sie sich neben mich auf die Fensterbank.
„Du hast wirklich mit einem Jungen geschlafen, den du kaum kannst? Aber das war doch dein erstes Mal!“
Trübsinnig antwortete ich: „Das hat mich auch nicht davon abgehalten, mit ihm in die Kiste zu steigen.“
„Habt ihr denn wenigstens verhütet?“
„Ja, haben wir. Sogar zweifach.“
„Das hätten Gero und ich auch machen sollen“, seufzte Lea. „Dann würde ich jetzt kein Baby in mir tragen. Ich bereue es mittlerweile auch, dass ich einfach so mit ihm geschlafen habe. Obwohl wir ja schon so lange zusammen sind.“
„Wirklich?“
„Ja. Ich weiß noch überhaupt nicht, wie ich mich entscheiden soll, alles stürzt auf mich ein. Und das lag nur daran, dass wir irgendwie nicht vernünftig aufgepasst haben. Na ja, worüber haben wir gerade gesprochen? Ich kann dir jedenfalls nur raten, aufzupassen, mit wem du schläfst und wann du das tust.“
„Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Ich komme mir jedenfalls unheimlich idiotisch vor“, rief ich.
„Das kann ich mir vorstellen. Aber solltest du nicht auch langsam ins Bad gehen? Sonst verpasst du schon wieder eine Vorlesung.“
„Ich habe dieses Semester erst zwei verpasst“, entgegnete ich, verzog mich aber dennoch zur Körperhygiene.
Unterwegs redeten wir weiter. Wir redeten über vieles, über unsere Familie, über Hannes und Kati, über Leas Baby. Aber eines hatte ich noch nicht herausgefunden.
Ich fragte sie: „Wo bist du eigentlich gewesen? Du bist ja gestern Abend erst ziemlich spät bei mir angekommen.“
„Ach… Ich bin gestern Abend zu Fuß durch die ganze Stadt gelaufen und habe auf irgendein Zeichen gewartet, das mir zeigt, ob ich das Baby behalten soll oder nicht.“
„Und, hast du ein Zeichen bekommen?“
„Nein, irgendwie nicht. Das Komische war, ich bin irgendwann einfach vor Geros Wohnung gelandet. Ich wollte nicht mit ihm reden, ich hab mich nicht getraut… und bin dann einfach wieder weggegangen.“ Traurig schaute sie aus dem Fenster des Busses.
Ich legte den Arm um sie. „Es ist ganz natürlich, dass du Angst vor einem Gespräch hast. Aber irgendwann musst du mit ihm sprechen. Es ist auch sein Kind!“
„Und mein Körper!“
„Die Entscheidung liegt definitiv bei euch beiden. Und ich würde besonders dir raten, nichts zu überstürzen.“ Verzweifelt suchte ich nach irgendetwas, das ich meiner großen Schwester raten konnte. Mir fiel nur eins ein. „Kannst du dich an Oma erinnern?“
„Ja, ganz toll.“ Lea schnaubte. „Als sie erfahren hat, dass ich schwanger bin, ist sie ausgerastet. Die fiesesten Sachen hat sie mir an den Kopf geworfen.“
„Ja, aber sie hatte auch einen Grund dafür!“
„Und welcher wäre das, bitte?“
„Sie ist selber mit 17 schwanger geworden!“
„Wie?“ Überrascht schaute Lea mich an. „Mit 17?“
„Na, als sie Tante Marie erwartet hat!“
„Na klar, wieso ist mir das nie aufgefallen? Darüber habe ich eigentlich nie nachgedacht. Das muss ja hart für sie gewesen sein.“
„Ja, genau. Sie musste ein Kind mit einem Mann aufziehen, den sie gerade mal ein paar Monate kannte. Es war bestimmt nicht einfach, aber es hat geklappt.“
Wir kamen an der Uni an. An der Mensa trennten sich unsere Wege. Sie musste nach rechts, ich nach links.
Bevor wir uns trennten, sagte ich noch zu ihr: „Besprech das mit ihm. Bei Oma hat es funktioniert. Ihr müsst gemeinsam herausfinden, ob ihr das auch schaffen könnt.“