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Sechswortgeschichte

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Ich wollte wieder einmal eine Dreiwortgeschichte schreiben und habe auf Twitter nach Wortvorschlägen gefragt. Die Ergebnisse habe ich kurzerhand in einer Sechswortgeschichte verarbeitet. Vielen Dank an Des_Roin und Angriffsvektor für die Vorschläge!

 

Niemand wusste, was für ein Tag war. Ich hatte auch nicht vor, es irgendjemandem zu sagen. Was sollte es bringen? Ich versuchte einfach, mir einen schönen Tag zu machen. Aber das hätte ich auch an jedem anderen Tag versucht.
Es war ein sehr warmer Tag. Aus Sicht eines jeden anderen Menschen wäre das übertrieben gewesen. Alle anderen Menschen hätten gesagt, es wäre knallheiß. Aber ich hatte nun einmal einen etwas komischen Körper. Ich war ziemlich unempfindlich, was Temperaturen anging. Woher das wohl kam?
Ich hatte nichts zu tun, ich war allein. Und es war warm. Daraus folgte zwangsläufig, dass ich mich in die örtliche Groß-Eiswassertonne, sprich: ins Freibad begab. Doch zuvor musste ich mich noch eincremen. Ich hatte zwar kein gutes Temperaturempfinden, das hinderte meinen Körper aber nicht daran, bei mehr als zehn Minuten Sonne eine unangenehme krebsrote Färbung einzunehmen. Und so musste ich eben jeden Sommer der Sonnencremeindustrie einen Haufen Geld für 50er in den Rachen werfen. Ich schmierte mich also mit weißem Zeug ein, hoffte, dass ich keine Stelle vergessen hatte, und warf mich in Schale. Naja. In blaue Badebekleidung.
So gut sah ich darin nicht aus, aber das sollte mich nicht daran hindern, Bewegung im kühlen Nass zu suchen. Während ich noch einen Rock und ein T-Shirt überstreifte, überprüfte ich, ob ich etwas vergessen hatte. Das kam häufiger mal vor. Hatte ich nicht. Gut. Dann los.
Die warme Luft strich an mir vorbei, während ich auf dem Fahrrad Richtung Freibad rollte. Es fühlte sich eigenartig an. Ich rollte über die Flussbrücke und sah aus den Augenwinkeln, wie ein paar Männer am Ufer ihrem geliebten Fangsport nachgingen.

Ich erinnerte mich daran, wie ich bei meinem Opa in der Garage stand. Zwischen 80er-Jahre-Nacktpostern und Werkzeugen hatte er mir erklärt, wie seine Angel funktionierte. Und dass sie schweineteuer gewesen war. Ich wusste noch genau, wie sehr sie mich interessiert hatte. Naja, mit acht Jahren interessiert einen fast alles, was man nicht wirklich anrühren durfte. Mein Opa hatte mir viel gezeigt und mit mir viel gemacht. Er hatte mich auf dem Roller mitgenommen zum Brötchenholen. Allerdings war er nur komische Schleichwege gefahren, weil ich vorne sitzen musste und das eigentlich verboten war. Und er hatte mir zum Geburtstag immer einen Fünfziger geschenkt. Mittlerweile war es mit den Abenteuern wie auch mit dem Geburtstagsgeld eh vorbei, er lag seit drei Jahren in kalter mecklenburgischer Erde.
Ich zuckte mit den Schultern und fuhr in die Allee ein, in der das Freibad lag. Die Kassiererin verlangte beim Eintritt meinen Studentenausweis. Sie musterte ihn, dann riss sie ihre Augen auf.
„Alles G-“
„Schon gut“, winkte ich ab, nahm die Eintrittskarte und ging davon. Rasch zog ich in der Umkleide meinen Rock und mein T-Shirt aus. Dann schnappte ich meine Badutensilien und betrat das Bad.
Ich ließ mich auf der Wiese nieder und merkte ziemlich schnell, dass Zigarettenrauch in meine Nase stieg. Für einen Abend in einer Bar vielleicht ganz en chaud, aber nicht für einen Tag im Freibad. Ich nahm mein Handtuch und verzog mich ein paar Meter weiter unter einen schattigen Baum.
Ein Schluck aus der Wasserflasche, dann ging ich zum Becken. Ich hoffte, dass sie sich nicht in Heißwasser verwandelt haben würde, bis ich zurück war. Es könnte passieren.
Ich schwamm Bahnen vor mich hin und fühlte mich sofort in meinem Element. Wenn ich im Wasser war, vergaß ich immer alles andere.
Nachdem ich einen Kilometer geschwommen war, trieb es mich ins Nichtschwimmerbecken. Dort ruhte ich mich ein wenig aus. Einfach am Rand hängen. Und die Beine kreisen lassen.
Auch wenn ich es mir vielleicht gewünscht hatte, war ich nicht so alleine. Und so schwamm, ich weiß nicht, wie viel Zeit zwischenzeitlich vergangen war, ein ungefähr zehnjähriges Mädchen vorbei. Ich musste meine Beine einklappen, sonst hätte sie mich gerammt.
Ich blickte um mich. Ein paar andere Menschen waren noch im Wasser. Und auf einmal ertönte direkt hinter mir eine männliche Stimme.
„Weitermachen.“
Ich drehte mich um und erblickte den Bademeister, der mich anlachte. Ich lachte zurück und setzte meine Beine wieder in Bewegung.
Ich beobachtete ihn. Kurze, blonde Haare, ein orangefarbenes T-Shirt, blaue Shorts und eine Sonnenbrille. Nicht schlecht. Ob er noch länger hier arbeitete?
Ich beobachtete ihn noch eine ganze Weile, rutschte an ihm vorbei, schwamm in seine Richtung und wieder weg, bis ich das Becken verließ und mich auf meinem Handtuch ausstreckte. Das Mineralwasser war inzwischen lauwarm. Ich starrte in den blauen Himmel. Keine Wolke zu sehen.
Ich hob meinen Kopf leicht. Da drüben war die Imbissbude. Schwimmbekleidete Leute holten sich Eis, Pommes und Würstchen – und sahen teilweise selber so aus wie Bratwürstchen. Wohl zu lange in der Sonne gewesen. Nicht, dass sie am Ende noch verbrannten. Ich wusste, wie sich das anfühlte.
Gerne wäre ich noch weiter im Schatten geblieben, aber langsam überkam mich der Wunsch nach etwas in den Magen und etwas Unterhaltung. Und so stand ich auf, kaufte mir ein Eis mit Schokoladenhülle und holte mein Handy aus dem Schließfach. Dann legte ich mich wieder hin.
Ich genoss den süßen Geschmack, der sich auf meiner Zunge breitmachte. Und es war nicht nur süß, es war auch kalt. Was half, mich vom Schwitzen abzuhalten.
Ich schaltete mein Handy wieder an. 3 neue Nachrichten. Ein Urlaubsfoto von meiner besten Freundin, ein verpasster Anruf von meiner Oma und eine Nachricht von Tim.
Na, was machst du an diesem schönen Tag?
Er wusste, was für ein Tag heute war. Hatte sich aber dafür entschieden, nichts direkt zu sagen. Sehr gut. Hatte ich mir ja auch verbeten.
Bin im Freibad und du?
Oh, da wäre ich ja gerne dabei, schrieb er postwendend zurück. Das glaubte ich ihm sofort.
Glaubst du, das wäre eine gute Idee?, schrieb ich.
Naja, du dürftest dich halt dann nicht wundern, wenn ich eine mega Erektion bekomme, lautete die nächste Nachricht in meinem Postfach.
Ich lachte auf. Das war wieder typisch für ihn. Siehste, genau das meinte ich, antwortete ich und legte mich wieder hin.
Ich musste zugeben, dass mein Leben ziemlich langweilig gewesen war, bis ich ihn kennen gelernt hatte. Klar, er war nicht der Erste gewesen, der an mir Interesse bekundet hatte, aber trotzdem tat es ziemlich gut. Außer wenn er es mal wieder zu weit trieb.
Gelegentlich hatte ich auch einfach das Gefühl, ihn nicht zu verstehen, nicht schlau aus ihm zu werden. Ich wusste manchmal nicht, ob ich es toll finden sollte oder nicht. So sehr mir die Anziehung gefiel, manchmal schreckte ich auch zurück. Liebe konnte ich von ihm jedenfalls nicht erwarten, das war mir klar. Manchmal fand ich das nicht schlimm. Manchmal dachte ich, warum schreibe ich mit jemandem, für den ich eh nur eine willkommene Ablenkung bin?
Ich seufzte und starrte in den blauen Himmel.
Wahrscheinlich hatte es damit zu tun, dass ich einfach nach Aufmerksamkeit gierte und mich darüber freute, wenn mich ein Kerl geil fand.
Ich reckte den Kopf, ich lächelte den Bademeister an, der lächelte zurück. Ich legte den Kopf wieder zurück.
Mein Handy vibrierte.
Schade, du würdest es nicht bereuen.
Ich flirtete gerne ein wenig. Und ab und zu gab es einen Kerl, der da nicht schreiend wegrannte. So wie Tim eben. Ich freute mich darüber, wenn ich eine positive Reaktion bekam. In meinem Kopf war ich immer noch das kleine, hässliche Mädchen, das keiner leiden konnte, schlecht im Sport war und eine Zahnspange trug. Furchtbar, das Ding…
Ich schüttelte mich kurz, stand auf, packte das Handy zurück ins Schließfach und sprang wieder ins Sportbecken.
Schwimmen war der einzige Sport auf der Welt, der mir gefiel und den ich einigermaßen beherrschte. In meiner Jugend war ich mal Basketballfan gewesen, aber da hatte ich mich auch eher aufs Gucken beschränkt. Mit einer Größe von einsfünfundsechzig konnte man aktiven Basketball auch eher vergessen. Meine beste Freundin hatte mich vor ein paar Jahren mal zum Lacrossetraining eingeladen. Auch toll zum Ansehen, aber mehr auch nicht. Und so verlagerte ich mich eben aufs Schwimmen. Freibad im Sommer, Hallenbad im Winter. Und wenn ich es mir leisten konnte, fuhr ich ans Meer.
Ich zog meine Bahnen durchs Becken und erblickte dabei am Horizont die Kirche. Wie gut, dass ich da nicht mehr reinmusste, das war ja früher das Sonntagsritual gewesen in meiner Familie. Seit ich da ausgezogen war, zwang mich keiner mehr dazu. Und keiner zwang mich dazu, was zu glauben.
Die Kirche war nicht das einzige Sonntagsritual in meiner Familie gewesen. Sonntagabends hatten wir immer alle zusammengegessen und „Die Fallers“ geguckt. Es war die Lieblingsserie meiner Oma. Das heißt, Vaters Mutter. Sie war zu uns ins Haus gekommen, nachdem Opa gestorben war, und sie bestand darauf, ihre Lieblingsserie zu gucken, jeden Sonntagabend. Und da sie kaum noch hören konnte, war der Fernseher immer extrem laut. So wusste jeder, der sich im Haus aufhielt, irgendwann zwangsläufig genau, was in der Serie jetzt wieder abging. Ob Caro Sonntag ihren Sohn mittlerweile dem Vater gezeigt hatte? Wollte Oma mir bestimmt erzählen, als sie mich vorhin angerufen hatte. Oder es hatte mit dem heutigen Tag zu tun. Wobei ich mir das verbeten hatte, aber so was hatte Oma noch nie interessiert.
Ich packte mein Zeugs wieder zusammen, zog mich wieder an und verließ das Schwimmbad. Auf dem Heimweg überlegte ich, was ich mit dem Rest des heutigen Tages anfing. Morgen musste ich wieder los. Ich seufzte laut. Das war ein weiterer Grund, warum ich Sonntage immer gehasst hatte. Immer schon die Schrecken des Montags im Nacken. Und ich musste noch das Seminar vorbereiten. Ich war morgen mit einem Referat dran, für das ich unbedingt noch ein Youtubevideo raussuchen musste. Ob es Youtube noch geben würde, wenn ich eines Tages wirklich mal in einer Klasse stand und Biounterricht gab? Ich wusste es nicht.
Zu Hause angekommen öffnete ich meinen Briefkasten. Außer einem Werbebrief von WWF war aber nichts drin. Wie langweilig. Ich ging in meine Wohnung und setzte mich auf mein beiges Sofa. Ich öffnete den WWF-Brief, der mich von der Wichtigkeit des Artenschutzes überzeugen wollte, der natürlich nur mit einer Spende an diese Organisation funktionieren würde. Dann legte ich ihn weg. Eine ganze Weile lang lauschte ich der Stille. Dann seufzte ich.
Ich öffnete den Laptop. Nützte ja alles nichts. Ich suchte in meinen Unterlagen nach dem Video über Evolution, das ich der Seminargruppe morgen im Referat präsentieren wollte. Hatte ich es nicht hier irgendwo in den Unterlagen abgespeichert? Ich suchte im Fotoordner nach dem Link. Irgendwann hatte ich mir mal den Tick mit dem Handy-Bildschirm-Abfotografieren angewöhnt. Hier war es nicht. Statt dem erwünschten schlechten Screenshot hatte ich nur ein Foto von der letzten Silvesterparty gefunden. Eine blaue Flamme.
Blaue Flamme? Silvesterparty? Was war das noch gleich?
Ach, richtig. Meine Freunde und ich hatten Feuerzangenbowle gemacht. Ich erinnerte mich dunkel daran, dass ich den Arm um Tim gelegt hatte und ihm halbbetrunken versucht hatte, zu erklären, dass unser Chemielehrer im Unterricht Feuerzangenbowle gemacht hatte und warum das nicht gut war. Man hätte den Karamellisierungsprozess ja auch anders erklären können oder so ähnlich, wollte ich ihm weismachen.
Ich schüttelte mich kurz und suchte weiter. Da vibrierte mein Handy.
Kommst du vorbei?
Ich muss unbedingt noch das Referat zu Ende vorbereiten, antwortete ich Tim. Nicht mitgeschriebener Untertitel: Glaubst du eigentlich, ich habe sonst nichts zu tun? Du bist nicht der wichtigste Mensch auf dem Planeten. Ich recherchierte weiter.
Mein Handy vibrierte.
Nanu, ein Foto?
Eine Weinflasche. Und darunter eine Nachricht.
Schade, ich hatte nicht vor, die allein zu trinken. ;D
Ich grinste, klappte meinen Laptop zu und zog mir ein schönes Kleid an. Dann fuhr ich los.

30 days music challenge

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Ich liebe Listen, vor allem, wenn sie über Musik gehen. Und so entdeckte ich neulich auf Twitter die #30daysmusicchallenge. Ich kenne mich allerdings, ich würde zwischendurch garantiert vergessen, die Lieder zu posten, also mache ich es jetzt einfach en bloc.

Ein Song, den du magst, der eine Farbe im Titel hat

Ein Song, den du magst, der eine Nummer im Titel hat

Ein Song, der dich an den Sommer erinnert

Ein Song, der dich an jemanden erinnert, den du lieber vergessen würdest

Ein Song, der LAUT abgespielt werden muss

Ein Song, der macht, dass du tanzen willst

Ein Song zum Dazu-Fahren

Ein Song über Drogen oder Alkohol

Ein Song, der dich glücklich macht

Ein Song, der dich traurig macht

Ein Song, der dir niemals auf den Wecker geht

Ein Song aus deinen Vor-Teenager-Jahren

Einer deiner liebsten Songs aus den 70ern

Ein Song, den du gern auf deiner Hochzeit hören würdest

Ein Song, der ein Cover von einem anderen Künstler ist

Eines deiner liebsten klassischen Lieder

Ein Song für ein Duett beim Karaoke

Ein Song aus dem Jahr, in dem du geboren wurdest

Ein Song, der dich übers Leben nachdenken lässt

Ein Song, der dir viel bedeutet

Ein Lieblingslied mit dem Namen einer Person im Titel

Ein Song, der dich nach vorne bringt

Ein Song, von dem du denkst, dass jeder ihn hören sollte

Ein Song von einer Band, von der du dir wünscht, sie wäre noch zusammen

*denkt lange nach*

Ein Song von einem Künstler, der nicht mehr lebt

Ein Song, der macht, dass du dich verlieben willst

Ein Song, der dein Herz zerbricht

Ein Song von einem Künstler, dessen Stimme du liebst

Ein Song aus deiner Kindheit

Ein Song, der dich an dich selbst erinnert

Puh, war das ne lange Liste. Fühlt euch gern berechtigt, eure eigenen Listen in die Kommentare zu posten.^^

Mit musikalischen Grüßen

Die Kitschautorin

Nachtrag vom 8. Dezember 2020: Einige Links wurden ausgetauscht, weil nicht mehr existent oder die alten Künstler Idioten waren.^^

Geschützt: Schon wieder eine schrottige Zeitschrift

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Back in black

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Meine unfreiwillige Zeit ohne WLAN ist nach fünfundzwanzig Tagen, drei Techniker-Terminen, ungezählten Minuten in der Vodafone-Hotline und einigem Wirrwarr um die Verteilerkästen (dazu später mehr) endlich vorbei. Ich kann wieder lustig vor mich hinbloggen. Zunächst einige kleine Sachen, die ich erlebt habe:

– Ich war über Weihnachten bei meinen Eltern und hatte das unglaubliche Glück, sowohl auf dem Hin- als auch dem Rückflug in direkter Nachbarschaft derselben gestressten Familie zu sitzen. Die beiden Mädchen benahmen sich einfach mal gar nicht, die Mutter drohte dauernd damit, die Kinder im Falle erneuten Nichtbenehmens umzusetzen, und zwar, ohne es zu tun. Die beiden Mädchen hießen übrigens Bente und Tomma.

– Wenn ich in der Uni mit dem Internet arbeiten muss, greife ich dafür gern auf die Computerräume zurück. Normalerweise interessiert mich nicht besonders, was die anderen dort machen, aber vor zwei Wochen oder so erblickte ich auf dem Bildschirm vor mir ein Bild eines Zwanzigers, mit folgender Aufschrift: “Geh zur Schule… Ich hab für diesen Schein drei Schwänze gelutscht… Ich bin ein Kerl!” Ich musste mich unglaublich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen.

– Ich habe dieses Semester ein Pädagogik-Tutorium gegeben, das ich vor etwas über zwei Wochen ausfallen lassen musste. Der Grund für den Ausfall trat über Nacht ein. Sobald ich wusste, dass es mit der Uni an dem Tag nix mehr wird, schrieb ich meinen Tutanden. Es tat mir zwar leid für die, die an dem Tag umsonst im Raum standen, allerdings gab es auch einen, der meinte, ob ich nicht früher Bescheid sagen könne, er lese seine Mails immer nur abends… sorry, da kann ich dir auch nicht helfen.

– Die Aasgeier von der GEZ wollten ganz gern, dass ich denen ihre ausstehenden Beiträge bezahle. Ich erfuhr davon durch einen Brief, auf dem zwei Sachen standen: der Nachsendeaufkleber der Deutschen Post und eine Bemerkung “bitte nicht nachsenden”. Finde den Fehler.

Und jetzt möchte ich noch einige Dinge zum Umzug sowie dem neuen Leben im Dorf sagen.

Tagesordnungspunkt 1: Der Umzug

Das war mit Abstand der längste und nervigste Umzug in meinem Leben. Er fing vor ziemlich genau drei Monaten an, als ich mein WG-Zimmer kündigte und die ersten Möbel da rausholte, und strenggenommen endet er erst Mitte Februar, wenn die neue Küche geliefert wird. (Ich wäre aber willens, zu sagen, dass er heute mit der erfolgreichen Installation des Internets beendet wurde.) Fast alle meine Möbel sind auf der städtischen Deponie gelandet, was mich zehn Euro gekostet hat, was aber lange nicht so viel war wie die Tickets, die man mir im Zuge des Einladens aufs Auge drückte. Ich bin schon froh, dass ich nicht mehr in einer Straße mit einem Mangel an Parkplätzen wohne. Ich musste viele Dinge kurz vor knapp organisieren – z.B. die Küchenbestellung –, weil ich erst am 15. Dezember die Zusage für die Wohnung bekam. Zwischendurch hatte ich Stress mit meinem Ex-Hauptmieter, weil ich das Zimmer für die Neue nicht saubergemacht hatte. Und der Nachsendeantrag trat erst am 12. in Kraft.

Tagesordnungspunkt 2: Internetprobleme

Am 2. Januar habe ich einen 16000er-Internetanschluss bestellt. Am 17. kam zum ersten Mal ein Techniker, der sich, um an den Hauptverteilerkasten zu kommen, durch einige Büsche am Nachbarhaus schlagen musste. Obwohl er danach meinte, es müsse jetzt gehen, ging es nicht. Der Vodafone-Hotline-Mann erklärte, das liege daran, dass er nicht die 16000er-, sondern die niedrigere Leitung freigeschaltet habe. Deswegen könne ich den Modem-Installationscode nicht eingeben. Also neuer Technikerbesuch. Die Aushilfe, die sich vor drei Tagen durch Büsche UND Schnee geschlagen hatte, erklärte mir, das könne nicht der Kasten sein, der für den Anschluss benötigt wird. Ich bekam einen halben Nervenzusammenbruch. Nach x Anrufen bei der Hausverwaltung (die am Samstag nicht zu erreichen ist) wurde schließlich klar, dass der APL-Kasten, von dem der Techniker sprach, in einem kleinen verhutzelten Kellergang ohne Licht oder richtige Tür liegt. Und heute wieder ein Techniker. Es war derselbe wie am 17. und er wunderte sich darüber, dass ich immer noch kein Netz hatte, schließlich habe er alles richtig gemacht. Letztlich hat er aber doch irgendwas richtig gemacht, denn ich habe jetzt Internet. Am witzigsten war noch, wie ich auf diesen Kasten im Kellergang aufmerksam wurde. Anscheinend weiß meine ca. achtzigjährige Nachbarin besser über so was Bescheid als die Leute, denen das Haus gehört.

Tagesordnungspunkt 3: Leben im Dorf

Ich bin in ein Dorf gezogen, das ich vorher nicht kannte, und das, obwohl mir das Stadtleben immer besser gefallen hat als das Dorfleben. Aber ich finde es hier gar nicht so blöd. Ich habe vierzig Minuten mit dem Regionalexpress bis zur Uni, etwa genauso viel bis ins kleinste Bundesland, es gibt mindestens fünf Läden, bei denen ich mich mit Dingen des täglichen Bedarfs versorgen kann, Internet habe ich ja jetzt auch, das Hallenbad ist nur eine Bahnstation entfernt und gelegentlich treffe ich morgens am Bahnhof auf einen Kommilitonen, der im Nachbarort wohnt. Mein Freund hat nur noch fünf Minuten zur Arbeit anstatt wie früher, je nach Aufenthaltsort, mindestens eine halbe Stunde zur Uni. Und das frühe Aufstehen finde ich gar nicht so nervig. Ich habe ja auch Glück, dass ich nicht mehr vor 10 da sein muss. So langsam gewöhne ich mich an alles. Sogar daran, dass ich mich morgens auf dem Fahrrad bequem zum Bahnhof rollen lassen kann, nachmittags auf dem Rückweg aber treten muss. Und das Allerbeste: Ich lebe nicht mehr mit wildfremden Menschen zusammen, die gerne Stress schieben, sondern mit dem Mann, den ich liebe.

Mit freundlichen Grüßen

Die Kitschautorin

Im Schwimmbad

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Mein Freund wohnt in der alten Heimat. (Und ich werde bald übergangsweise zu ihm ziehen, aber das ist ein anderes Thema.) In dieser alten Heimat besuchten wir am Sonntag das Schwimmbad. Nach mehr oder weniger erfolgreicher sportlicher Betätigung aßen wir im Badrestaurant. Dann sprach mich der Kellner an. “Bist du denn nicht die Kitschautorin? Warst du nicht auf der Grundschule in 10-km-entfernt-Dorf?”

“Ähm… ja! Wer bist du denn?”

Er nannte seinen Namen und da fiel mir alles wieder ein. Wir waren tatsächlich dreieinhalb Jahre in einer Klasse und hatten in dieser Schwimmhalle sogar zusammen Unterricht. Aufmerksame Leser wissen, dass ich dort nicht Schwimmen gelernt habe. Er hat sich natürlich getraut, vom Sprungbrett zu springen. In Musik hatte er immer eine Zwei. (Vor einigen Monaten habe ich übrigens auf der Internetseite der Lokalzeitung gelesen, dass er in der Abizeit experimentelle Musik gemacht hat… okay.) Er hat mich gefragt, was ich jetzt mache, und nachdem ich geantwortet hatte, erzählte er, dass er in der Stadt, aus der Alphaville kommen, Biologie studiert, aber keinen Job gefunden hat, und deswegen sei er jetzt erst mal im Schwimmbadrestaurant.

Er hat sich erstaunt gezeigt, dass ich ihn nicht wiedererkannte. Dabei ist es über 13 Jahre her, dass ich ihn zuletzt gesehen habe. Ich habe in der Zeit das Abitur, eine Ausbildung und den Großteil eines Bachelorstudiums hinter mich gebracht, bin weggezogen und einige Köpfe gewachsen, habe mich verlobt und meine Haarfarbe von dunkelblond auf Kaschmirrot geändert. (Nicht in genau dieser Reihenfolge.) Und das ist nur eine kleine Auswahl von den Dingen, die sich seitdem geändert haben.

Vielleicht sehe ich ihn ja bei meinem nächsten Besuch im Schwimmbadrestaurant wieder. Ich würde mich freuen.

Mit freundlichen Grüßen

Die Kitschautorin

Jahresrückblick 2013

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1.       Ganz grob auf einer Skala von 1 bis 10: Wie war dein Jahr?

8. Es ist kein großer Mist passiert wie die letzten beiden Jahre, aber einige sehr schöne Sachen.

2.       Zugenommen oder abgenommen?

Es wird wohl ungefähr gleich geblieben sein. Zumindest sehe ich nicht wesentlich fetter aus.

3.       Haare länger oder kürzer?

Mehr oder weniger gleich… irgendwie finde ich einfach, dass mir kurz vor schulterlang am besten steht.

4.       Kurzsichtiger oder weitsichtiger?

Weder noch, allerdings ist laut Optikertest eine Hornhautverkrümmung dazugekommen. Ich war deswegen aber noch nicht beim Augenarzt. Müsste ja auch erst mal wieder einen guten finden.

5.       Mehr Kohle oder weniger?

Ein bisschen weniger, weil mir vom Bafög-Höchstsatz jetzt knapp 150 Euro abgezogen werden, aber das ist okay.

6.       Besseren Job oder schlechteren?

Schlechter.

7.       Mehr ausgegeben oder weniger?

Genau kann ich das nicht sagen. Ich habe aber versucht, mich etwas zurückzuhalten.

8.       Dieses Jahr etwas gewonnen und wenn, was?

Mrs Elch hat Mutterpasshüllen verlost, ich habe mitgemacht, eine gewonnen und sie an eine zu dem Zeitpunkt schwangere Freundin weitergegeben.

9.       Mehr bewegt oder weniger?

Mehr, ich gehe jetzt einmal in der Woche schwimmen.

10.   Anzahl der Erkrankungen dieses Jahr?

Ein paar Erkältungen und dieses merkwürdige Brustdrücken. Also, vielleicht drei. Smiley mit geöffnetem Mund

11.   Davon war für dich die Schlimmste?

Natürlich das Brustdrücken. Ich dachte teilweise, ich müsste sterben.

12.   Der hirnrissigste Plan?

Das Praktikum in der zweitgrößten Stadt Deutschlands.

13.   Die gefährlichste Unternehmung?

Den ganzen Tag bei stechender Sonne draußen herumzulaufen. Das hat mich ins Krankenhaus gebracht.

14.   Die teuerste Anschaffung?

Vermutlich irgendwelche Zugtickets.

15.   Das leckerste Essen?

Mein Freund und ich haben vor einigen Wochen zusammen eine göttliche Lasagne gemacht.

16.   Das beeindruckendste Buch?

Philippe Pozzo di Borgo – “Ziemlich beste Freunde. Das zweite Leben des Philippe Pozzo di Borgo”.

17.   Der ergreifendste Film?

“Der Butler”. Ich hätte nicht so leben können wie er. Ich wäre regelmäßig explodiert.

18.   Die beste CD?

Ich habe mir in diesem Jahr keine CD gekauft.

19.   Das schönste Konzert?

Ich war nur auf einem Konzert, aber das war ganz cool – Emil Bulls.

20.   Die meiste Zeit verbracht mit?

Mit meinem Freund.

21.   Die schönste Zeit verbracht mit?

Mit meinem Freund.

22.   Zum ersten Mal getan?

Eine Hochzeitsmesse besucht. In einem evangelischen Gottesdienst gewesen (und zwar an Weihnachten sowie im Ausland, außerdem wurde er von einer Frau geleitet). Einen White Russian getrunken. An einer Internet-Fernsehsendung teilgenommen. Durch eine Uniklausur gefallen. Ein indisches Restaurant besucht. Eine Zeitschrift abbestellt. Mit einer Frau zusammengewohnt, mit der ich nicht verwandt war. Diverse Rezepte ausprobiert, z.B. grünes Pesto und Nougatringe. Meinen Laptop in die Reparatur gegeben. Einen Graphic Novel gekauft. Bei “Gay in May” gewesen. Gegenstand eines Interviews gewesen. Zwecks Recherche die Juristenbibliothek besucht. Die Hamburger Unimensa ausprobiert. Ein Museum in der zweitgrößten Stadt Deutschlands besucht. Ein Telefoninterview geführt, bei dem ich nicht mitschreiben konnte und das dazu noch sehr merkwürdig verlief. In Hessen gewesen. Ein Buch auf Reisen geschickt. Eine Obdachlosenzeitung gekauft. Erdnuss- und Mohn-Mandel-Eis gegessen. Fleisch mit Gesicht zu mir genommen. Eine Petition gestartet. In einem bosnischen Restaurant gewesen. Die Nudelbar meiner Mensa ausprobiert. Sarrazin gelesen. Heißen Met probiert. Die Bundeskanzlerin live gesehen.

(Heilige Scheiße, ist das viel…)

23.   Nach langer Zeit wieder getan?

Mir einen angetrunken.

24.   Dinge, auf die ich gut hätte verzichten können?

Heimweh. Diverse Seminarssitzungen. Frage 11.

25.   Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?

Meine Petition zu unterschreiben.

26.   Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?

Eine DVD von “Susi und Strolch”.

27.   Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?

Das zweite Fotobuch von Farin Urlaub.

28.   Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?

„Ich liebe dich und möchte für immer mit dir zusammen sein.“

29.   Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?

So ziemlich dasselbe wie bei Frage 28.

30.   Dein Wort des Jahres?

Christentum.

31.   Dein Unwort des Jahres?

Linksgrün.

32.   Dein(e) Lieblingsblogs des Jahres?

“Topf voll Gold” und Publikative.org.

33.   Verlinke deine Rückblicke der vorigen Jahre.

https://kitschautorin.wordpress.com/2012/01/01/jahresruckblick-2011/

https://kitschautorin.wordpress.com/2012/12/23/soundtrack-of-2012/

https://kitschautorin.wordpress.com/2013/01/01/2013-omfg/

Mit freundlichen Grüßen und Wünschen für das Jahr 2014

Die Kitschautorin

Und, was macht die Kitschautorin so?

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Es gibt unheimlich wichtige Neuigkeiten: Ihr könnt jetzt mit eurer Lieblings-Kitschautorin chatten! Ich habe einen eigenen Channel im IRC: irc://iz-smart.net/kitschi

Außerdem (das ist wirklich wichtig) wollen Neonazis am Samstag in Münster aufmarschieren. Ich möchte dagegen protestieren, weil man fremdenfeindlichem Denken keinen Raum geben darf, und dazu aufrufen, dass ihr das auch alle tut:

http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2012/02/27/neonazis-wollen-durch-munster-marschieren_8138

http://www.keinenmeter.de.ms/

Zum Abschluss folgt, inspiriert von meinem Abendessen, eine Kurzgeschichte.

Mit freundlichen Grüßen

Die Kitschautorin

Milchreis

Als Kind hatte Carina Milchreis immer gemocht. Sonntags hatte ihre Mutter Milchreis gekocht, alle hatten ihn zusammen gegessen, und danach war immer etwas unternommen worden. Zoo, Kino, Schwimmbad. Das hatte unglaublichen Spaß gemacht. Und es schien unglaublich lange her.

Solche Sonntagnachmittage hatte es schon seit zehn Jahren nicht mehr gegeben. Eines Tages war Schluss gewesen. Carinas Vater hatte seine Sachen gepackt und war ausgezogen. Sie hatten sich zwar immer öfter angeschrien, aber die Sonntagnachmittage hatte es trotzdem gegeben und Carinas Eltern hatten ja auch gesagt, dass sie sich immer noch sehr lieb hatten.

Daran musste Carina denken, als sie mit dem Zug Richtung Norden fuhr. Ihre Mutter wollte sie unbedingt sehen und sagte, es sei etwas ganz Wichtiges. Im Abteil saß Carina ein Pärchen gegenüber, das den gemeinsamen Urlaub besprach und immer wieder Zärtlichkeiten austauschte. Carina musste an ihre Eltern denken. Sorgerechtsstreit. Komische alte Männer in komischen Sachen fragten sie, bei wem sie lieber sein wollte. Sie hatte nie irgendjemandem eine Antwort darauf gegeben. Es hatte ihr ja auch niemand gesagt, wieso ihre Eltern sich nicht mehr lieb hatten. Nach einigen Monaten wurde sie schließlich zu ihrem Vater gesteckt. Ihre Mutter sah sie von da an kaum noch. Alle zwei Wochenenden. Milchreis gab es keinen mehr.

Mit sechzehn Jahren war Carina neugierig geworden. Sie hatte endlich wissen wollen, warum ihre Eltern sich hatten scheiden lassen. Sie hatte nicht viel mehr gefunden als ein paar aussagekräftige Liebesbriefe zwischen ihrer Mutter und dem Typen, der ihr später als der neue Macker ihrer Mutter vorgestellt wurde. Natürlich hatte die Mutter andere Worte benutzt, aber Carina war mit ihm nie so richtig warm geworden.

Nach ein paar Stunden stieg sie aus dem Zug. Der Macker von Carinas Mutter holte sie am Bahnhof ab. Sie wechselten einige wenige Worte. Smalltalk mit einem Small mind, dachte sie. Als sie zu Hause angekommen waren, wartete die Mutter schon am Küchentisch. Sie hatte gekocht. Milchreis.

„Hallo, Carina! Schön, dass du wieder da bist!“ Sie versuchte, ihre Tochter zu umarmen, die sich dabei steif wie ein Brett machte. Nach einigen unbeholfenen Kommunikationsversuchen und Minuten, in denen Carina in ihrem Milchreis herumstocherte, atmete die Mutter tief durch und nahm die Hand ihres Mackers.

„Wir haben tolle Neuigkeiten!“

Carina hob ihren Kopf ein paar Millimeter. „Ach ja?“

„Ich bin schwanger! Du bekommst ein kleines Schwesterchen! Na, was sagst du nun?“

„HALBschwester. So viel Zeit muss sein.“

„Carina! Also wirklich!“ Die Mutter schaute sie missbilligend an.

„Ihr habt euch kein Stück für mein Leben interessiert. Warum sollte ich mich jetzt für Eures interessieren? Zu wem ich denn lieber wollte, habt ihr mich gefragt. Ich wollte zu keinem lieber! Aber das war euch scheißegal. Und jetzt versuchst du mit deinem Macker einen auf glückliche Familie zu machen. So wie damals, als du behauptet hast, ihr hättet euch immer noch lieb. Sogar Milchreis hast du gekocht. Glaubst du, dass ich den Scheiß jetzt noch fresse?“ Carina warf den Teller an die Wand und ließ zwei erwachsene Menschen zurück.

Nachtrag vom 4. November 2020: Der oben genannte IRC-Server wurde abgeschaltet. Wenn trotzdem noch Interesse am Chat mit mir besteht, gerne melden.

Geschützt: Jahresrückblick 2011

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Bis die Sonne aufgeht

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Dieser Text entstand unter Mitarbeit von ein paar anderen schlaflosen Forenusern von Klopfers Web. Danke an Cyberbird, Jade, Freaki und gillie.

Es war einmal ein Mädchen, das allein in ihrem Zimmer saß. Ihr Blick wanderte langsam, suchend durch den kargen Raum. An einem der ihr so bekannten Objekte blieb ihr suchender Blick hängen. Sie nahm ihren Taschenspiegel in die Hand und betrachtete ihn… Im Spiegel sah sie, dass sie einen unfassbar großen Pickel auf der Stirn hatte. Warum passiert so was immer, wenn etwas Wichtiges ansteht?, dachte sie, den Pickel vorsichtig betastend. Langsam ließ sie den Spiegel wieder sinken, um dann zur Schminkkiste zu greifen und den Lippenstift herauszugreifen, den sie beim ersten Date mit ihrem Freund getragen hatte.

Der Lippenstift war sehr alt und zerliebt, auch wenn sie wusste, dass ihr diese Farbe nicht stand. Trotzdem griff sie immer wieder zu dem alten Stück, war es doch ihr Liebster. Also trug sie den Lippenstift bedächtig und mit Vorfreude auf, um dann anschließend ein bisschen Abdeckpuder auf dem überriesigen Stirnpickel aufzutragen. Nicht das Beste, aber ausgehfertig, dachte sie, während sie behäbig, aber entschlossen von dem viel zu weichen Bett aufstand. Unentschlossen stand sie vor dem großen, sperrigen Kleiderschrank und versuchte, sich für eine Auswahl von Kleidern zu entscheiden, von der sie schließlich das grau-schwarz-geringelte Kleid wählte, da es ihre Figur so elegant umspielte, begleitet von weißen Strümpfen und Absatzschuhen. Müde und mit einer flinken Trägheit schlüpfte sie in ihre neue Kleidung, mit verstohlenen und leicht zweifelnden Blicken in Richtung des großen Spiegels an der Wand. Seufzend betrachtete sie ihr Werk. So richtig gefiel ihr nicht, was sie sah, und so suchte sie ihre Schmuckschatulle. Sie suchte sich ihre kleinen Diamantohrringe aus der Schatulle, steckte sie an und sie fragte sich, ob ihr Date, das zufällig ein Studienfreund ihres Exfreundes war, sie auch hübsch finden würde. Zwar hatte sie sich ein wenig Selbstbewusstsein in letzter Zeit angeeignet, hauptsächlich durch die eindeutigen Blicke einiger Männer, aber die Trennung hatte sie doch sehr mitgenommen und Zweifel hinterlassen.

Nun hatte ihr Studienkollege ein Blind Date für sie arrangiert, was sie allerdings davon halten sollte, wusste sie nicht. Doch sagte sie sich, dass es ja vielleicht auch Spaß machen könnte, sofern ER sich galant verhielt. Stumm stand sie nun da und dachte darüber nach, was sie nun erwarten würde, eigentlich war sie nicht der Mensch für solche Blind Dates. Langsam, aber sicher stieg Nervosität in ihr auf, während sie sich auf den Weg zum Auto machte, um sich zum Treffpunkt zu begeben, der in einer ihr nicht unbekannten Straße lag. Diese Straße war im Allgemeinen bekannt unter den vergnügungssüchtigen Jugendlichen der Stadt, was sie um einiges verunsicherte, wenn sie zu lange darüber nachdachte. Trotzdem machte sie sich auf den Weg zum Treffpunkt, sie konnte die Männer schließlich nicht sitzen lassen.

Und vielleicht würde es ja doch noch ein toller Abend werden, trotz ihrer Bedenken vor dem Mann, den sie gleich treffen würde, und als sie die Kneipe betrat, starrte sie voller Erstaunen und gleichzeitiger Anziehung auf den Studienfreund ihres Ex.

Es waren seine wundervoll melancholischen Augen, die sie langsam taumelnd in ihren Bann zogen. Mit stockendem Atem und zitternden Händen bewegte sie sich auf den Mann zu, der sie mit einem charmanten Grinsen begrüßte und sagte: „Hallo, ich freue mich, dich wiederzusehen, du siehst heute wirklich wundervoll aus.“ Ihre Knie wurden weich und noch bevor sie das erste Wort aus ihrer rauen, zugeschnürten Kehle pressen konnte, nahm er ihr ihren roten Mantel ab und schob ihr den verwelkt knarzenden Stuhl zurecht.  „Hallo, und d-danke“, stotterte sie leise und wurde dabei leicht rot, bevor sie sich auf den Stuhl setzte und leicht verschämt nach der Karte fragte, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen, was sicher einen Ohnmachtsanfall zur Folge gehabt hätte, da er so einen intensiven Blick hatte.

Sie spürte den Blick auf sich ruhen und für einen Moment war es, als wäre sie ihm komplett ausgeliefert, seinem Blick, seinem Atem, seine Worte umgaben sie. Ich bin doch sonst nicht so, dachte sie und wagte einen Blick über die Karte, der sofort von ihrem Verehrer erwidert wurde, woraufhin sie sich wieder hinter ihrer Karte versteckte, um so zu tun, als würde  sie sich für etwas zu essen und zu trinken entscheiden. Gedankenverloren biss sie sich auf ihre Unterlippe und versuchte verzweifelt, ruhig zu bleiben, ihr Bein wippte ruckartig und unbemerkt.

Sie dachte daran, wie er sie schon früher angezogen hatte, als sie noch mit ihrem Freund zusammen gewesen war. Natürlich mied sie ihn damals, als sie noch unter den starken Fittichen ihres Freundes stand, aber würde sie sich jetzt noch zurückhalten müssen oder können? Unbewusst strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, ‚will ich mich überhaupt zurückhalten?‘ „Ich finde es wirklich schön, dass du heute Abend gekommen bist und mich nicht versetzt hast“, unterbrach er ihre Gedanken. „Wie könnte ich dich versetzen?“, platzte es unbewusst aus ihr heraus und noch während sie einen kurzen Anflug von Scham verspürte, trafen sich ihre Blicke. Sie versuchten, in den Blicken des jeweils anderen zu lesen, und sie wusste nicht, was sie denken sollte. Denn so wunderbar fesselnd sein Blick auch war, so meinte sie, eine Unsicherheit, ja beinahe schon eine Abscheu in seinen Blicken zu spüren. Das Gefühl, ihm nicht gerecht zu werden, nahm in ihr Überhand, denn sie war ohnehin niemand, der über großes Selbstbewusstsein verfügte, und bei ihm versagte ihr kläglich aufgebautes Selbstvertrauen natürlich völlig. Jetzt war der Punkt erreicht, da eine lautstarke Wand der Stille zwischen beiden hing und sie komplett ihren Gedanken und seinen Blicken ausgeliefert war. Das Schweigen schien beide zu bedrücken. Es wurde aber unterbrochen von der Kellnerin, die jetzt herangetreten war, und die junge Frau bestellte zerstreut eine Lasagne. „Nichts zu trinken?“, fragte die Kellnerin. Erschrocken fuhr die junge Dame wieder hoch, da sie in Gedanken schon wieder ganz woanders gewesen war. „Nein, danke.“ Dann war ihr Begleiter dran. Er bestellte ein Steak und dazu, mit Blick auf sein Date, eine Flasche Wein. Wein? Was hatte er vor?

Irgendwo hatte sie mal gehört, wenn das Gegenüber Wein bestellt, will es Sex. Doch das war ganz und gar absurd. Der Typ sah so brilliant aus, dass er jede Frau haben konnte, wieso sollte er sich für sie entscheiden? Sie hatte einen rausgewachsenen Haarschnitt, ihre Lippen waren aufgesprungen, an den Oberschenkeln saßen mindestens zehn Kilo zu viel und ihre Brüste waren zu klein. Mal abgesehen davon, dass er sich mit seiner Größe sicher nicht auf eine ein Meter siebzig große Frau einlassen würde.

Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis die Kellnerin mit dem Wein kam. In der Zwischenzeit wichen sie ihren Blicken gegenseitig aus, und sie überlegte fieberhaft, wie sie ein Gespräch beginnen sollte. Schließlich war er es, der mit einem Kompliment über ihr Aussehen das Schweigen brach. „Du siehst wirklich toll aus. Noch schöner, als ich dich in Erinnerung hatte“, bemerkte er und hob sein soeben gefülltes Weinglas zum Anstoßen. Verlegen lächelte sie. „Danke.“ In Wirklichkeit begann sie sich aber zu ärgern. Sie war tatsächlich reingefallen. Sie war bei weitem nicht die Erste, die seinem Charme und seinem Aussehen erlegen war. Der Mann war ein stadtbekannter Frauenheld. Da sah man mal wieder, dass solche Gefühle überhaupt nicht logisch waren. Welche Gefühle? Anziehung. Leidenschaft? Verknalltheit. Das ganz sicher. Seinetwegen wäre ihre letzte Beziehung fast schon zwei Jahre eher in die Brüche gegangen. Sie  konnte sich von ihm losreißen. Wer wollte schon so einen? Bei ihm musste sie sich ja sicher sein, nach vier Monaten nicht mehr zu zählen. Aber zählte das jetzt noch?

„Du kannst dir sicher denken, warum ich dich treffen wollte“, sagte er und setzte das Glas ab.

„Nein. Nein, kann ich nicht“, gab sie zu. „Ich wusste ja nicht mal, dass du das Blind Date bist. Obwohl ich es mir so eingeredet hab.“

„Wie? Sebastian hat dir nichts davon gesagt?“

„Nein, hat er nicht. Aber offensichtlich muss ich mit ihm noch ein Hühnchen rupfen. Was bildet er sich ein, in meine Privatangelegenheit einzugreifen? Das geht gar nicht. Ich wollte dich nie wiedersehen. Und jetzt bist du auf einmal hier!“

„Wolltest du wirklich nicht?“, entgegnete er und betrachtete sie mit diesem Blick, den sie schon früher gehasst hatte. Der bedeutete, dass er ganz genau wusste, was sie in Wahrheit dachte. Er war gut in so was. „Denkst du, ich hab damals nicht gemerkt, was du von mir denkst? Das war doch offensichtlich.“

„Ach, meinst du?“ Sie war jetzt nicht mehr nervös, sondern langsam ziemlich wütend. „Weißt du, wie fies so was ist? Du hast doch gar keine Ahnung! Und schmeißt dich auch noch an mich ran! Das war doch das Letzte!“

„Erzähl mir nicht, dass du so unschuldig warst! Alles ging doch von dir aus!“ Mittlerweile wurden sie von allen Restaurantgästen angestarrt. „Erzähl doch keinen Quatsch.“ Sie schenkte sich noch mehr Wein ein und trank ihn in einem Rutsch aus. „Dir liegt so was doch im Blut. Du kannst doch gar nicht anders.“ So laut, dass es fast schon klirrte, setzte sie ihr Weinglas ab. „Und weißt du was? Darauf kann ich gut verzichten! Ich brauche dich nicht! Und dein bescheuertes Verhalten auch nicht!“ Sie sprang auf, riss dabei fast den Tisch um und stürmte davon. Ihr Weg führte sie geradewegs in die Waschräume für Damen. Sie setzte sich in eine leere Kabine, schloss die Tür und vergrub ihren Kopf in ihren Händen. Wie gern wäre ich jetzt in Paris oder an irgendeinem anderen Ort, der ganz weit weg ist, dachte sie.

Stille. Unendliche Stille. In der Klokabine hörte man weder den Restaurant- noch den Toilettenbetrieb. Außer ihr war niemand da. Es war ganz still, ihr Kopf war dafür umso lauter. Gedanken schossen ihr in Bruchteilen von Sekunden durch den Kopf. Was sollte sie hier? Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein? Er kannte sie doch eigentlich gar nicht. Und dann auch wieder doch. Er hatte ihre Gedanken genau erraten. Entmutigt bewegte sie ihren Kopf nach oben und sah, wie an die Tür ein paar undeutliche Striche gemalt waren. Es sah nach Wellen im Schwimmbad aus. Sie war früher eine gute Schwimmerin gewesen. Irgendwann hatte das nachgelassen, wann genau eigentlich? Es war ziemlich genau zwei Jahre her, ungefähr, seit – ja, seit sie mit ihm im Schwimmbad gewesen war. Neben ihm, der so schnell durchs Wasser schwebte, als hätte er schon immer dort gelebt, war sie sich vorgekommen wie ein unförmiger, hässlicher Klotz.

Sie merkte gar nicht, wie ihr Tränen aus den Augen rollten, über die Wangen, den Hals runter, und im Kleid versickerten. Dieses blöde Teil! Sie hätte es sich am liebsten runtergerissen. Irgendwann stand sie auf und blickte in den Spiegel über den Waschbecken. Sie sah furchtbar aus mit all dem zerlaufenen Makeup. Sie wischte sich mit rauen Zügen das Geschmiere aus dem Gesicht und beschloss, einen Zehner auf den Tisch zu schmeißen und dann nach Hause zu gehen. Zurück in ihr einsames Zimmer. Sie schniefte und warf das vollgeschmierte Klopapier weg. Dann steuerte sie den Essbereich wieder an. Zu ihrer Überraschung saß er immer noch da. Er starrte ins Leere. Außer ihnen waren keine anderen Gäste mehr da. Als er merkte, dass sie da war, guckte er sie stumm an. Aus seinem Blick war alles und nichts zu lesen. Sie setzte sich wieder hin. „Tut mir Leid, dass ich hier einfach so weggelaufen bin.“ Nur, um etwas zu tun zu haben, schaufelte sie sich die restliche Lasagne rein. „Wir sind vermutlich beide nicht gerade unschuldig.“ „Wie Recht du hast“, pflichtete er ihr bei. „Und was machen wir jetzt?“ Zwei Gläser Wein waren noch übrig, die sie beide rasch austranken. „Wir sollten vielleicht… zu einem von uns… nach Hause gehen. Reden. Was meinst du?“ „Gute Idee“, antwortete sie. Die Rechnung bezahlte er. Der Fußmarsch durch die Stadt, zu seiner Wohnung, wurde schweigend zurückgelegt. Beide hatten wahrscheinlich sehr viel Gedankenmüll im Kopf, der verwertet oder entsorgt werden musste. Nach einiger Zeit standen sie vor der Haustür. Galant, wie er nun einmal war, hielt er ihr sie auf. Die Wohnung lag im dritten Stock. Um die Zeit schliefen natürlich schon alle anderen Hausbewohner. Vor der Wohnungstür schließlich stotterte er im Flüsterton: „Wi… willst du nicht mi… mit reinkommen?“ Es rührte sie, wenngleich sie nicht ganz genau wusste, was davon zu halten war. Er war gut darin, Frauen etwas vorzuspielen, und sie wusste das. Aus diesem Grund war sie ja hier gelandet. Doch war das Ganze echt? War es nun Show oder nicht? Das vermochte sie nicht zu sagen. Schon lange wusste sie, dass man sich nie sicher sein konnte. Nie. Aber war das in der Liebe nicht so? Sie stellte sich auf ihre Zehenspitzen, soweit das eben möglich war, zog ihn zu sich runter, soweit das eben möglich war, und gab ihm einen leidenschaftlichen Kuss. Er schlang ihre Arme um sie und hob sie dabei ein bisschen hoch, und sie wuschelte durch seine Haare. Als sie wieder von ihm abließ, lächelte er sie an. Dann gingen sie in seine Wohnung.

ENDE