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Schlagwort-Archive: Stadtbus

Butterkeks, Doppelkupplungsgetriebe, Apostasie

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(Vielen Dank an Klopfer für diesen tollen Titel. Ernsthaft, wtf? :D)

Freitag, 13 Uhr. Endlich hatte sie es geschafft. Eine Arbeitswoche war vorbei. Und die war diesmal so anstrengend gewesen wie noch nie. Den blöden Antrag zur Projektverlängerung fertigschreiben, unzählige Fälle bearbeiten und gerade noch die Sitzung mit ihren Vorgesetzten. Wer würde es ihr da übelnehmen, wenn sie etwas Entspannung brauchte?
Gerade so unauffällig, wie es möglich war, räumte sie die Hinterlassenschaften der Sitzung weg, damit sie sich endlich davonmachen konnte. Die Butterkekse in den Schrank, die Gläser in die Spülmaschine und ihre Akten in die Tasche. Sie überlegte kurz, ob die Spülmaschine so voll war, dass sie sie anstellen musste, und entschied sich dann dagegen. Und außerdem musste sie ja einen Zug kriegen. Schnell schloss sie ihr Büro ab und huschte davon.
Ungeduldig wartete sie auf den Bus, der sie zum Bahnhof brachte. Natürlich hätte sie auch ein Taxi nehmen können, aber an diesem Wochenende würde sie noch genug Geld ausgeben, da musste das nicht auch noch sein. So gab es halt zwanzig Minuten Fahrt und drei merkwürdige Gespräche mit Fahrgästen extra, bevor sie sich und ihren Rollkoffer zu Gleis 11 dirigieren konnte.
Unten angekommen konnte sie sich direkt wieder ärgern. Schaffte es die Deutsche Bahn eigentlich nie, ihre Züge mal pünktlich ankommen zu lassen? Gerade jetzt, wo es so wichtig war! Sie wartete eine gefühlte Ewigkeit, bis der Zug in die große Stadt endlich einfuhr und sie sich auf den blauartigen Sitzpolstern niederlassen konnte.
Und während der Zug davonfuhr, konnte sie all die Gedanken der letzten Woche langsam hinter sich lassen und darauf konzentrieren, was noch vor ihr lag. Sie wollte einen Freund besuchen, den sie länger nicht gesehen hatte. Seit sie berufstätig war, schafften sie es kaum noch, sich zu sehen, aber wenn, war es immer toll. Sie genoss seine Gesellschaft, die eine der wenigen Sachen war, die ihr Leben noch in irgendeiner Weise interessant machten.
Sie schrieb ihm kurz, dass sie im Zug saß und in gut vier Stunden ankäme, und ließ sich dann wieder in den Sitz sinken. Abgesehen vom Fahrkartenkontrolleur sprach sie mit niemandem und niemand mit ihr. Sie hatte es so an sich, sich abzuschirmen. Mit niemandem zu kommunizieren, mit dem es nicht unbedingt nötig war. Die meisten Menschen waren es eh nicht wert, dachte sie im Grunde. Sie war sich selbst der nächste Gesprächspartner, abgesehen von einigen wenigen Freunden vielleicht.
Ohne dass sie es wirklich registrierte, sank die Sonne immer weiter nach unten. Als sie schließlich den Zug verließ, war sie gar nicht mehr zu sehen. Sie schritt durch das Glasgebäude, in ihrer altgewohnten Ich-habe-zu-tun-bitte-sprechen-Sie-mich-nicht-an-Haltung, und setzte sich in die S-Bahn. Sie betrachtete all die Menschen, die dort saßen, ohne ihnen in die Augen zu sehen. Mit ihrem anthrazitfarbenen Hosenanzug stach sie schon etwas heraus, aber es gab andere Menschen, die mehr herausstachen als sie.
Schließlich kam ihre Station. Ihr Handy vibrierte zwei Mal, aber sie ging erst einige Meter, bevor sie dazu kam, nachzusehen, wer da etwas von ihr wollte.
Tut mir echt voll leid, aber ich muss noch was ganz Dringendes erledigen. Machts dir was aus, wenn wir uns ne halbe Stunde später treffen? Bis später, D.
Das konnte doch nicht wahr sein, oder? Das war doch nicht wahr, oder? Sie hatte eine total harte Arbeitswoche hinter sich, fuhr vier Stunden, um ihn zu sehen, und dann das? Was bildete der sich eigentlich ein?
Sie war so sauer, dass sie ignorierte, eigentlich noch zwei Straßen weiter zu müssen, und ging kurzerhand durch die nächstbeste Tür. Was zufällig die Tür einer Kneipe war.
Das Interieur war nicht gerade einladend, aber das war ihr dann auch egal. Sie sank auf einen Hocker am Tresen. „Na, auf Geschäftsreise?“, fragte sie der Wirt, und sie watschte ihn sogleich ab. „Das geht Sie nichts an. Ich hätte gerne ein großes Helles mit Schuss, bitte.“
Der Wirt zuckte mit den Augenbrauen und erledigte ihre Bestellung. Sie lehnte sich missmutig über den Tresen und wünschte, sie wäre zu Hause geblieben. Der Liebesfilm, den sie vor drei Wochen aufgenommen hatte, wäre eine viel angenehmere Gesellschaft gewesen als ein Typ, der sie einfach versetzte.
„Alles Idioten hier“, rief ein Typ in der Ecke laut, wofür er vom Wirt gemaßregelt wurde, mit recht unfreundlichen Worten. Irgendwie hatte der Besoffene da hinten Recht, dachte sie und musterte die anderen Gäste.
Da ging die Tür auf. Ein Kerl mit langen Haaren und Bart kam herein, bestellte ein Bier und setzte sich auf den Hocker neben sie. Ernsthaft? Neben sie? Wo noch so viele andere Plätze frei waren? Sie starrte auf das dunkle Holz des Tresens und hoffte, dass der Typ sie  nicht ansprechen würde.
„Was guckst du denn so missmutig?“
Tja, die Hoffnung war soeben gestorben. „Alles in Ordnung“, brummte sie. „Was macht so ’ne schöne Frau wie du an so ’nem Ort?“
„Sich die Birne wegsaufen“, antwortete sie, ohne hinzusehen, und holte ihr Handy aus der Tasche. Da war ja noch eine Nachricht.
Hallo, wie geht es dir? Papa und ich gehen gleich essen. Ruf doch mal wieder an! Grüße, Mama.
Das würde sie vielleicht sogar tun, wenn sie nur wüsste, was sie sagen sollte. So aufregend war ihr Leben nicht. Viel arbeiten, gelegentlich Freunde treffen. Sie schnaubte. Wenn die nicht gerade Anderes vorhatten.
„Ist wirklich alles in Ordnung?“, wollte ihr Sitznachbar wissen. „Wie würdest du dich denn fühlen, wenn du dich ewig auf ein Treffen mit deinem Kumpel freust und dann versetzt er dich einfach?“, rief sie und war im nächsten Augenblick selber erstaunt über diesen Ausbruch.
„Wohl nicht besonders gut“, entgegnete der Typ. Der Wirt stellte die Biere vor die beiden. Sie nahm sogleich einen großen Schluck. „Was hat er denn gesagt?“
Sie schnaubte wieder. „Er muss was total Wichtiges erledigen und ob es mir was ausmachen würde, wenn wir uns ’ne halbe Stunde später treffen. So ein Scheiß!“
„Moment, hast du nicht gerade gesagt, er hat dich versetzt?“, erkundigte sich der Typ verwirrt.
„Ja, und?“, war die Antwort.
Der Kerl lachte auf. „Mädel, ich hab keine Ahnung, was bei dir schiefgelaufen ist, aber bei dir muss was mächtig schiefgelaufen sein.“ Er trank von seinem Bier.
„Moment mal, was bil…“, wollte sie zu einer Riesenverteidigung ansetzen, als er sie unterbrach. „Schon klar, du bist wohl am liebsten allein und musst das auch jedem zeigen. Schon klar.“ Und er trank wieder.
Sie klappte den Mund auf und zu wie ein Fisch, der auf dem Trockenen lag. Erst viel später fiel ihr eine Antwort ein. „Bist du Jesus oder so? Glaubst du, in Menschen hineinsehen zu können?“
„Nein“, lachte er, „auch wenn ichs lange versucht hab. Ich hab mich sogar für Theologie eingeschrieben.“
„Theologie, Hilfe“, stöhnte sie. „Warum studiert man so was?“
„Damals hielt ich es jedenfalls für ’ne gute Idee. Nach 13 Semestern hab ich es sogar geschafft, mich für die Abschlussarbeit anzumelden.“
„Wow, total schnell“, meinte sie und zuckte mit den Augenbrauen.
„Hat am Ende aber nichts gebracht. Ich musste einsehen, dass Apostasie in den abrahamitischen Religionen nicht so das affengeile Thema ist.“
„Und stattdessen nervst du jetzt Frauen in Kneipen“, lachte sie auf und stierte wieder auf ihr Handy.
„Ich nerve niemanden, der nicht dazu einlädt“, sagte er, zwinkerte ihr zu und trank dann weiter von seinem Bier.
Sie sah auf ihre Armbanduhr und erschrak. In einem Zug trank sie den Rest ihres Bieres aus, unterdrückte einen riesigen Rülpser, so gut es ging, und knallte dem Wirt ihr Geld auf den Tresen. Dann eilte sie aus der Kneipe.
Eine Straße weiter sah sie aus dem Augenwinkel eine große Werbetafel für den neuesten koreanischen Kleinwagen mit Hybridantrieb und Doppelkupplungsgetriebe. Na, das wäre ja was für ihren Vater, der war total autoverrückt. Sie nahm sich vor, bald ihre Mutter zu fragen, ob er immer noch Autozeitschriften auf dem Klo las. Aber erst morgen. Erst musste sie zu ihrem Kumpel und ihm von dem Irren aus der Kneipe erzählen.

Geschützt: Kurz kommentiert (mehr oder weniger), Teil 39

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12 von 12 mal anders

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Seit Ewigkeiten nehme ich mir vor, bei „12 von 12“ teilzunehmen, und gestern habe ich das erste Mal rechtzeitig daran gedacht. Dummerweise habe ich momentan kein Smartphone (und die Digicam wird nur für wirklich besondere Anlässe benutzt). Also machen wir das heute etwas anders. 12 GIFs, die einigermaßen darstellen, was ich gestern so getrieben habe. (Und damit ihr keinen epileptischen Anfall bekommt, als Links.)

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Mit freundlichen Grüßen

Die Kitschautorin

Ich war schon wieder weg

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Und genau darüber berichte ich jetzt.

Zugfahrten

Es nervt mich jedes Mal wieder, dass Leute durch den ganzen Zug rennen und so alles blockieren. Vermutlich reservieren zu wenige Leute. Von meinem Platz habe ich auf der Hinfahrt jemanden verscheuchen müssen, der nicht wusste, dass man auch kurz vor der Abfahrt noch reservieren kann. Es gibt sicher auch Leute, die keine 4,50 bezahlen wollen, aber die müssen ja nicht den Gang verstopfen. Wenn man ohne Reservierung einen Platz will: entweder den Schaffner fragen, sich ins Restaurant setzen oder auf die bahncomfort-Plätze – die werden selten genutzt.

Die Unterkunft

Dass ich zu der Lesung (der da) konnte, kam relativ kurzfristig. Als ich über Facebook davon erfuhr, war sie schon ausverkauft. Litcologne bietet aber eine Tauschbörse an und so kam ich doch an eine Karte. Zweieinhalb Wochen vorher. Zu Messezeiten eine günstige Unterkunft in Köln zu finden, ist irre schwer. Mein Fehler war, dass ich das zweitgünstigste Angebot gegen das günstigste getauscht habe. Es sollte einen misstrauisch machen, wenn man zu Messezeiten mit nur zweieinhalb Wochen Vorlauf ein Doppelzimmer für knapp 40 Euro bekommt.

Die Einrichtung wäre mit „spartanisch“ unzureichend beschrieben, die Bedienung im Bistro tauchte einfach nicht auf (und die Rezeption wusste nicht, warum) und mein Bett war so unbequem, dass ich Rückenschmerzen habe. Dass ich quasi die ganze Zeit ein Kirchengebäude vor der Nase hatte, war auch nicht schön, auch wenn das Gästehaus der katholischen Kirche gehörte.

Die Kölner U-Bahn Stadtbahn

Die U-Bahnen in Hamburg und Berlin fand ich toll. In Köln fand ich sie zu laut. Außerdem scheint es dort völlig normal zu sein, dass die Bahn einfach mal im Tunnel stehenbleibt. Oh, und ich hab mich auf dem Weg zur Lesung drei Mal verfahren.

Die Lesung

Es war total witzig und wenn es in Zukunft Lesungen von „Lists of note“ gibt, solltet ihr unbedingt hingehen. Wer zu faul ist, zu googeln: Shaun Usher hat viele seiner Meinung nach bemerkenswerte Listen zusammengestellt. Es sind lustige dabei (Johnny Cash), bescheuerte auch (Frauen, die gegen das Flirten sind). Es gab auch traurige. Bibiana Beglau hat eine Liste vorgelesen, die aus dem Jahr 2001 stammte. Eine Frau wollte vor der Arbeit noch wählen und kam deswegen später, das hat ihr das Leben gerettet, sie arbeitete nämlich im World Trade Center. Die Liste bestand daraus, was sie nie wieder mit ihren Kollegen von damals tun wird.

Ich fand es gut, dass Gebärdensprachdolmetscherinnen anwesend waren. Nicht nur, weil Gehörlose so gut folgen konnten. Es verlieh einigen Listen auch eine gewisse Komik. Bibiana Beglau hat zum Beispiel eine Liste über nicht zu ändernde Körpermerkmale vorgelesen.

Ich werde nicht ändern:

  • meine Brüste, bei denen einer kleine ist als die andere
  • meine Hüften, die aussehen, als hätte man Hefeteig um eine Bierkiste gewickelt

Bela B (der sich von vielen Gesten sehr beeindruckt zeigte) bat um einen Sonder-Gehörlosen-Applaus für die Dolmetscherinnen. Das geht übrigens so:

Was sonst so passiert ist

Ich habe mir einen Löffellistenwunsch erfüllen können. Ich möchte dazu gar nicht so viel sagen, wer mich kennt, der kann sich eh denken, worum es geht. Ich sage nur so viel: Es kann sehr wichtig sein, richtig herum um ein Gebäude zu laufen.

Mit freundlichen Grüßen (und kauft Shaun Ushers Bücher)

Die Kitschautorin