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Krümelmonster, Teil 20

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Nach ein paar Stunden kamen wir auch wieder zurück. Das Erstaunliche war, wir hatten Lea und Gero im Café getroffen. Zuerst wollte ich zu ihnen gehen, aber sie schienen sich ernsthaft zu unterhalten, da wollte ich nicht stören. Ich bekam nur mit, dass Lea bei der Kellnerin „etwas Alkoholfreies“ bestellte. Da hatte ich lächeln müssen. Ob das Gespräch ein Ergebnis gehabt hatte? Wir würden es sehen, hatte ich mir gedacht und nach dem Zahlen einfach gehen wollen. Doch da hatte Lea mich doch noch gesehen.
„Hallo, ihr beiden! Sara, ich wollte dir nur sagen, dass Gero an Weihnachten auch zu uns kommt.“ Er hatte genickt.
„Ähm… okay! Du, wir müssen jetzt dringend zurück in die WG, ich meld mich dann bei dir!“, hatte ich Lea informiert. „Okay, bis dann!“, hatte sie geantwortet. Hatte ich da eine kleine Rundung an ihrem Bauch gesehen?
„Wahrscheinlich wird sie das Baby behalten“, meinte Anna, als ich sie darauf ansprach. „Die beiden wirkten so glücklich zusammen, und sie hat ja extra nur Wasser bestellt.“
„Meinst du?“, fragte ich. „Das weiß man bei Lea nie so genau. Die kann ihre Meinung mal eben so“ – ich schnipste mit den Fingern – „ändern. Das kannst du nicht vorhersehen.“
„Wir werden sehen.“ Mittlerweile waren wir wieder beim Haus angelangt, in dem Anna und Aurélie wohnten. „Jetzt werden wir aber erst mal sehen, ob sich unsere Lieblingsfreunde wieder eingekriegt haben. Deren Meinung zu ändern, ist sicher sehr viel schwieriger.“
„Da hast du wohl Recht“, stimmte ich ihr zu und nahm 2 Stufen auf einmal. „Ich wette, die zoffen sich immer noch.“
„Da könntest du wieder Recht haben. Mal sehen…“ Als wir vor der Wohnungstür standen, war es auffällig ruhig. Wir pressten beide unsere Ohren an die Tür, aber es war nichts zu hören.
Anna schloss auf. In der Wohnung war immer noch nichts zu hören, außer der tickenden Küchenuhr. Wir schlichen zur Stubentür und schlossen sie vorsichtig auf. Und was erblickten wir?
Aurélie und Freddy Arm in Arm, auf dem Fernsehbildschirm lief das Menü von „Die fabelhafte Welt der Amélie“, wahrscheinlich zum hundertsten Mal. Die beiden lagen da und schliefen. Und bei noch genauerem Hinsehen entdeckte ich… unter der Sofadecke, die sie verhüllte, waren beide nackt!
Ich zerrte Anna in ihr Zimmer. „Die haben beide miteinander geschlafen! Im Wohnzimmer!“
„Tja, ich würde mal sagen, das Ganze war ein voller Erfolg. Lass uns schlafen gehen, ich bin echt müde.“
Auf der unbequemen Gästematratze ruhte ich zur Nacht und ich muss sagen: Lange habe ich nicht mehr so gut geschlafen wie damals.

Das konnte ich auch sehr gut brauchen, denn der Tag darauf wurde genauso ereignisreich. Mindestens genauso ereignisreich, würde ich sagen.
In der Uni wurden viele bedeutungsvolle Blicke ausgetauscht zwischen mir und anderen Leuten.
Zwischen Anna und mir, weil sich Aurélie und Freddy endlich wieder vertragen hatten und Arm in Arm die Uni durchquerten. Wir lächelten uns an.
Zwischen Kati und mir, weil wir eine Zweckverbrüderung geschlossen hatten und uns heute Abend deswegen treffen wollten. Verschwörerisch grinsten wir uns einander an.
Zwischen Hannes und mir. Ihn verwunderte es, dass Kati und ich in stetigem Blickkontakt standen und gelegentlich ein Wort miteinander wechselten. Das verstand er nicht. Sollte er auch nicht.
Wie hast du dich entschieden?, fragte sein Blick.
Belästige mich nicht weiter!, antwortete mein Blick.
Aber du bist doch so eine tolle Frau!, entgegnete sein Blick verständnislos.
Und du bist ein Weiberheld, der sich nicht darum schert, ob er anderen Menschen mit seinen Taten wehtut, sagte mein Blick. So einen will ich nicht haben, egal, wie sehr er mich beglückt hat, fügte mein Blick hinzu.
Und so eine hab ich wiederbelebt, ärgerte sich sein Blick.
Dafür bin ich dir auch sehr dankbar, gab mein Blick zurück. Trotzdem will ich dich nicht mehr haben. Das hättest du dir früher überlegen sollen. Damit wandte sich mein Blick ab.
Das war jedoch nicht das Wichtigste, diese Gespräche mit Blicken, die während Politikvorlesungen und auf den Unigängen stattfanden. Das Wichtigste kam erst heute Abend.
Da kehrte ich wieder ins Studentenwohnheim zurück. Dieser Mief hatte mir fast schon gefehlt. Aber nur fast.
Ich warf schnell meine Sachen ins Zimmer und ging dann los zum Zimmer 405, das viel größer als meins war und in dem Kati wohnte. Sie erwartete mich wohl schon, denn ihre Tür war geschlossen und sie hatte eine Tasche aufgesetzt.
„Hallo“, sagte Kati. „Ich muss gestehen, ich bin ganz schön nervös.“
„Ich auch. Hast du alles dabei?“
„Ja, hab ich“, behauptete sie. „Schere, Minischraubenzieher, Zimmerschlüssel, ich hab sogar ’ne Digitalkamera dabei…“
„Wieso das denn?“
„Damit ich alles fotografieren kann“, lachte sie.
„Du hast sogar einen Minischraubenzieher dabei? Wo hast du den denn her?“, wollte ich wissen.
„Denkst du, ich bin ein kleines Püppchen, das nichts selber machen kann? Den hab ich mir vorm Auszug gekauft, falls irgendwas von meinen Sachen kaputt geht“, informierte Kati mich.
Während wir den Flur Richtung Hannes’ Zimmer entlanggingen, flüsterten wir. Wie lächerlich, als ob uns irgendjemand hören könnte. „Hast du den Schlüssel zu Hannes’ Zimmer?“
„Ja, klar. Er hat den, den er für mich hat abziehen lassen, noch nicht zurückverlangt.“
„Sag mal, wie bist du eigentlich in mein Zimmer gekommen damals?“, erkundigte ich mich bei mir.
„Es war nur einmal abgeschlossen“, erzählte sie. „Da brauchte ich bloß meine Kreditkarte durchschieben und schon war ich drin.“
Ich ärgerte mich, dass ich das nicht bedacht hatte. Aber jetzt ging es um wichtigere Dinge.
Mittlerweile waren wir bei seinem Zimmer angelangt. „Bist du dir wirklich sicher, dass er gerade nicht da ist?“, wisperte ich.
„Na klar, er hat um die Zeit immer seinen Sportkurs an der Uni. Dann wollen wir mal.“ Mit diesen Worten schloss sie die Tür auf. Sofort machten wir uns an die Arbeit. „Ich kümmere mich um die Stereoanlage, und du machst seinen Computer an“, befahl Kati. Fachmännisch schraubte sie die Rückseite der Anlage auf.
„Was soll ich denn da tun?“
„Ich weiß aus sicherer Quelle, dass er morgen eine Hausarbeit abgeben muss. Und so wie ich ihn kenne, hat er die weder ausgedruckt noch auf USB gespeichert“, meinte Kati mit einem diebischen Unterton in der Stimme.
„Du meinst…“
„Ja, genau, ich meine.“
Jetzt tauchte die Passwortabfrage auf seinem Bildschirm auf. „Tipp mal Passwort ein“, verlangte Kati, während sie einige Kabel vertauschte. Ich gehorchte ihr. „Boah, ist der Kerl einfallsreich.“
„Wem sagst du das?“
Normalerweise war ich nicht der Mensch, der daraus Freude bezog, anderen Menschen zu schaden. Doch ich muss gestehen, dass es mir tierischen Spaß machte, all den Quatsch, den er zum Thema Sportpsychologie zusammengeschrieben hatte, zu löschen und beim Schließen des Word-Dokuments auf die Frage „Möchten Sie die Änderungen speichern?“ mit Ja zu antworten.
Eine Weile werkelten Kati und ich noch herum und stifteten Unordnung, wie negative Heinzelmännchen sozusagen. Irgendwann ließ meine Mitverschwörerin ihr Werkzeug sinken und schaute auf die Uhr. „So, wir müssen uns langsam vom Acker machen. In einer Viertelstunde kommt er wieder.“ Sie holte ihren Lippenstift aus der Tasche, malte sich die Lippen rosa an und drückte einen Kuss auf den Monitor. „Hast du auch irgendwas, das du hier zurücklassen kannst?“, wandte sie sich an mich.
„Ja, klar, einen Moment…“, überlegte ich und rannte schnell ins Zimmer. Fein säuberlich breitete ich den mitgebrachten Gegenstand auf seinem Bett aus. Es war das Handtuch, das ich getragen hatte, als Hannes und ich uns in der Dusche begegnet waren.
Zum Abschluss versprühte Kati noch etwas Parfüm im Zimmer und dann verließen wir den Raum. Natürlich schlossen wir die Tür wieder ab.
In meinem Zimmer, dessen Tür wir eine Spur weit offen ließen, legten wir uns auf die Lauer. Es war nicht meine Idee. „Findest du das nicht etwas kindisch?“, fragte ich sie. „Mag sein“, gab sie zurück, „aber ich will sehen, wie er den Schock seines Lebens erleidet.“ Wir müssten beide höllisch lachen.
Da kam Hannes pfeifend den Flur heraufgelaufen, die American-Apparel-Tasche locker über die Schulter gehangen, den Schlüssel schon in der Hand. Er schloss auf und wir konnten sehen, dass er die Tür nicht schloss. Verwirrt betrachtete er das Chaos in seinem Zimmer und schnupperte. Es klang ulkig.
Als Nächstes wollte er wohl, soweit wir das sehen konnten, die Stereoanlage andrehen. Die aber nicht funktionierte. Zunächst fluchte er laut herum. Dann war zu hören, wie er sich über den Lippenstift auf dem Computer wunderte, und es klang schon etwas ängstlich. Er murmelte etwas, das Kati und ich nicht so genau verstehen konnten und tippte auf seinem Handy herum, das er sich ans Ohr hielt. Allerdings schien es nicht zu funktionieren, denn Hannes fluchte erneut wie wild herum. „Scheiße, was passiert denn hier? Okay, ganz ruhig…“ Was dann geschah, konnte ich nicht so genau sehen.
„Was macht er da?“, wisperte ich.
„Er macht den PC an“, antwortete Kati ebenso leise. „Und den Drucker hat er auch angeschaltet… Hm…“ Sie kniff die Augen zusammen… „Er hat irgendwas geöffnet…“ Und plötzlich ertönte so laut, dass man es noch am anderen Ende Frankfurts hören musste, ein verzweifeltes „NEIN!!!“
„Er hat die Arbeit geöffnet!“, rief Kati mir begeistert zu. Wir mussten beide lachen und klatschten High-Five, als wären wir Basketballspieler. Doch das „Nein“ war noch nicht alles, was wir aus Hannes’ Zimmer hörten. Fassungslos hob er, so beobachteten wir, mein Handtuch auf und sah es sich an, dann betrachtete er den Monitor. Schlagartig schien ihm alles klar zu werden. „NEIN!!! Diese verdammten Schlampen! Na wartet…“
Kati und ich lagen auf dem Boden meines Zimmers vor der einen Spalt offenen Tür und konnten uns nicht mehr einkriegen vor Lachen. Gut, vielleicht war all das, was wir gerade gemacht hatten, kindisch und übertrieben, und vielleicht würden wir es irgendwann bereuen. Doch im Augenblick fühlten wir uns einfach göttlich.

Krümelmonster, Teil 11

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Wie lange war es jetzt her, dass ich die Uni verlassen hatte? Wie lange war es her, dass Lea plötzlich vor mir gestanden hatte und mich abholen wollte? Ich sah auf die Uhr meines Handys. Es waren fünf Stunden. Eigentlich kein so großer Zeitraum, und doch fühlte ich mich, als wäre ich von einem Güterzug überrollt worden. Von einem Güterzug, der aus dem Nichts aufgetaucht war.

Nie im Leben hätte ich heute Morgen, als ich in Hannes’ Bett aufgewacht war, gesagt, dass es an dem Tag so weit käme, dass meine Schwester im Krankenhaus lag und dass ich mich so schrecklich fühlte. Wie gesagt, als wäre ein Güterzug über mich drübergefahren. Mit längerem Aufenthalt auf meinem Kopf. Erst jetzt merkte ich, wie sehr er mir schmerzte. Während ich zur S-Bahn-Station ging, kamen noch Brustschmerzen dazu. Ich hatte mal gehört, wenn es einem sehr schlecht geht, kriegt man Brustschmerzen. Das schien sich jetzt zu bewahrheiten.

Ich hatte es gewusst! Ich hätte mein Glück nicht uneingeschränkt lassen dürfen. Ich hätte nicht uneingeschränkt glücklich sein dürfen. Denn immer, wenn ich das bis jetzt getan hatte, war mir danach etwas ganz Furchtbares passiert. Jedenfalls etwas, das mir auf die eine oder andere Art sehr schwer zusetzte. Und das tat die augenblickliche Situation zweifelsohne.

Ich kam an der S-Bahn-Station an und setzte mich dort in ein Abteil, das erstaunlicherweise fast leer war. Das passierte hier so gut wie nie. Normalerweise höre ich unterwegs immer Musik oder lese Texte für die Uni. An diesem Tag ließ ich mich einfach saft- und kraftlos auf den erstbesten freien Sitz fallen. Ich achtete nicht mal darauf, wer neben mir saß.

Irgendwann piepte mein Handy und kündigte damit das Eintreffen einer SMS ein. Es piepte zwei Mal, drei Mal. Es war mir egal.

Die Uni-Tasche, die ich immer noch trug, wog doppelt so schwer wie sonst. Als ich aus der S-Bahn stieg, brachte ich gerade so viel Kraft auf, dass ich vorwärts ging, nicht mehr. Der Riesenklotz, der das Studentenwohnheim war, befand sich vor mir und ich sah, dass mein Fenster erleuchtet war. Dann ging es aus. Was war denn da wieder los?

Auf einmal ganz wach, rannte ich die Treppen hoch und eilte zu meinem Zimmer. Und da sah ich es.

Meine CD mit den französischen Liedern war wieder da. Aber nicht so, wie ich sie gerne gehabt hätte. Sie war in viele kleine Teile zerbrochen. Das Textbooklet war in viele kleine Schnipsel zerrupft und die Hülle war kaputt. Über allem schwebte noch dieser extreme Parfümgeruch, der mir neulich schon aufgefallen war.

Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Dieses Parfüm, das war Chanel No. 5. Ein sauteures Parfüm und das Lieblingsparfüm einer Person, die ich kannte und die mich kannte. Es war Kati.

Ich wollte nicht mehr, ich konnte nicht mehr. Ich ließ mich mit dem Malheur, das ich in den Händen hielt, in Embryostellung auf den Boden fallen und weinte mein Innerstes aus mir heraus. So doll, dass ich keine Luft mehr kriegte.

 

Ich weiß nicht mehr, wie ich aufgestanden bin, nachdem mich die blendende Sonne, die mir in die Augen schien, geweckt hatte. Ich weiß nicht mehr, wie ich Zähne geputzt, mich mit Deo eingenebelt und die Tasche für die Arbeit gepackt habe. Und ich weiß nicht mehr, wie ich den Briefkasten geleert und die S-Bahn zur Uni genommen habe.

Ich fühlte mich wie eine leere Hülle. Meine Emotionen waren weg, ich empfand nur noch große Leere. Irgendwie kam ich schon am im Hauptgebäude gelegenen Studentencafé an, legte die Schürze um und tat das Wechselgeld in mein Portemonnaie. Aber ich weiß nicht mehr, wie.

Wie üblich nahm ich Bestellungen auf, kassierte ab und wechselte ein, zwei Worte mit den Gästen. Aber es fühlte sich überhaupt nicht echt an und es war große Kraft nötig, um das alles zu tun.

Meine Chefin, die im dreizehnten Semester an der Uni Soziologie studierte, merkte natürlich trotzdem, wie es mir ging. Den ganzen Vormittag, den wir zusammen hinter dem Tresen waren, schaute sie mich immer wieder von der Seite an. Als ich mich schließlich an einer Schranktür stieß und lauthals fluchte, sprach sie mich darauf an.

„Sag mal, hast du irgendwelche Probleme? Musste mir natürlich nicht erzählen.“

„Ach, Lea liegt im Krankenhaus“, antwortete ich knapp.

„Deine Schwester, richtig? Oh, äh, das tut mir sehr Leid. Dann mal gute Genesungswünsche an deine Schwester.“

„Danke“, murmelte ich und nahm flugs die nächste Bestellung auf.

Mein Handy piepste schon wieder. Verdammt, wieso piepste das nur ständig? Ich nahm es mal kurz aus der Tasche und sah, dass ich bereits 10 ungelesene SMS hatte. 7 kamen gestern von Aurélie und heute 3 von Anna. Konnte man denn nirgendwo alleine gelassen werden?

Ich wusste gar nicht, was ich denken sollte. Was war denn jetzt schon wieder los mit denen? Sieben Nachrichten von Aurélie innerhalb kurzer Zeit, das war schon ungewöhnlich. Und Anna hatte mir auch ziemlich häufig geschrieben.

Ich las die ganzen Nachrichten erst mal durch. Die erste kam gestern Nachmittag, so gegen ein Uhr.

Na, biste noch in der Uni?

Die zweite stammte von fünfzehn Uhr siebenundzwanzig.

Ich will mich mit Freddy treffen, hoffentlich klappt das!

Was sollte klappen? Ich würde es sicherlich bald erfahren.

Das Treffen war ein Desaster! Er will mich nie wieder sehen. Bitte komm gleich vorbei!

Ach herrje, und das hatte ich nicht gelesen? Na super, da blühte mir ja wieder was. Die nächsten drei SMS zeigten zwei entgangene Anrufe und eine Mailboxnachricht an und die letzte SMS, die gegen dreiundzwanzig Uhr fünf abgeschickt wurde, lautete folgendermaßen: Mach endlich mal dein Handy an, verdammt!

Schon wieder taten sich in meinem Kopf lauter Rätsel auf. Ich hatte nichts von eventuellen Plänen mitgekriegt, was ging denn da wieder ab? Bevor ich irgendetwas anderes tat, lieferte ich dem Mädel, das in den Vorlesungen von Professor Neumann immer neben mir saß, seinen Kaffee mit zwei Stück Zucker und las dann Annas SMS.

Die Frau macht mich wahnsinnig!, schrieb sie um fünf Uhr siebenunddreißig heute früh. Schon die ganze Nacht hört sie diese Scheiß-Filmmusik aus Amélie und nervt mich damit. Nichts hilft!

Amélie, damit war Aurélies Lieblingsfilm gemeint, dessen Protagonistin eine gewisse Amélie war. Ich kannte die Musik auch und konnte mir vorstellen, dass Anna eine höllische Nacht mit ihrer Mitbewohnerin durchgemacht haben musste. Oh herrlich.

Kommst du morgen zur Uni? Am besten treffen wir uns da, lautete die zweite SMS von sieben Uhr vier. Die letzte SMS von vor drei Stunden rief mich – freundlich – dazu auf, zurückzurufen.

„Darf ich mal kurz telefonieren?“, fragte ich meine Chefin. Sie gestattete es mir. Also verschwand ich mal eben in den Pausenraum und rief meine beste Freundin an.