Neulich bin ich auf ein interessantes Projekt gestoßen. Die atheistische Berliner Journalistin Valerie Schönian begleitet ein Jahr lang den Priester Franziskus von Boeselager. Und lernt enorm viel über ihn und seinen Glauben. Zu einigen Artikeln möchte ich jetzt meine Gedanken niederschreiben.
Zu Hause bei Franziskus im Sauerland
Valerie schreibt darüber, dass in Franziskus‘ Familie der christliche Glaube ganz selbstverständlich präsent war, anders als bei ihr. Das erinnerte mich an etwas, das mein Vater neulich gesagt hat. „Wir sind halt nicht damit aufgewachsen. Sonst wären wir vielleicht auch Christen geworden.“
Ich bin ja nun auch nicht damit aufgewachsen und habe mich trotzdem irgendwann taufen lassen, dachte ich gerade. Aber so ganz stimmt das ja auch nicht. In meiner Welt, anders als bei meinen Eltern, war der christliche Glaube ja durch Schule und Freunde durchaus präsent. Andererseits war die Mehrheit in meiner Heimat ja nicht evangelisch, sondern katholisch. Und ich habe immer gesagt, dass die Schulzeit mich dem Glauben nicht gerade näher gebracht hat. Hm.
Ich glaube, wer hier aufwächst, hat immer einen Bezug zu Gott. Man kann sich vielleicht gegen ihn entscheiden, aber ignorieren kann man die Idee von ihm nicht.
Das schreibt Valerie über Franziskus‘ Heimat, und ich glaube, bei mir in meiner kleinen Heimat nördlich der drittviertgrößten Stadt Niedersachsens war das genauso. Man konnte Gott und das Christentum da gar nicht ignorieren.
Franziskus‘ Eltern sagen, dass sie ihren Kindern den katholischen Glauben schon mitgeben wollten, nur weniger streng. Irgendwann werden mein Mann und ich sicher auch Kinder haben, und wir reden jetzt schon gelegentlich darüber, wie wir das mit dem Glauben genau machen wollen. Werden sie getauft? Beten wir mit ihnen? Gehen wir mit ihnen in die Kirche und wenn ja, in welche? Kommt an Weihnachten das Christkind oder der Weihnachtsmann? Alles noch ungeklärte, aber wichtige Fragen.
Valerie schreibt darüber, dass Franziskus vor dem Essen betet und dass sie vorher niemanden kannte, der das tut. Ich kannte auch nur eine Person und selbst die tut das nicht immer. Dann war ich drei Tage im Kloster. Die Schwester, mit der ich Kontakt hatte, betet grundsätzlich vorm Essen, egal, zu welcher Tageszeit oder wer mit ihr isst. Ich finde das gewöhnungsbedürftig und ich tue es selbst auch nicht. Aber falsch finde ich das nicht unbedingt. Für die Speisen, die man hat, sollte man schon dankbar sein.
In dem Text geht es auch darum, wie ein Unfall von Franziskus‘ Schwester die Eltern wieder näher zum Glauben führte. Ich finde es toll, dass die das geschafft haben. Ich meine, ich zweifle heute noch oft genug an Gott. Gerade, wenn mir irgendwas Schlimmes passiert.
Wandmomente: Unsere Gespräche über Homosexualität stecken fest
Wenn zwei so unterschiedliche Menschen wie Valerie und Franziskus aufeinandertreffen, bleibt es ja nicht aus, dass es manchmal hakt. Ein wichtiger Punkt ist da Homosexualität. Für Valerie wie für mich, sozusagen. Ich habe lange gezögert, mich einer christlichen Kirche anzuschließen, weil ich spürte, dass da für manche Menschen eben nicht alle gleich sind.
Franziskus sagt, dass nach dem Verständnis der katholischen Kirche eine Ehe darauf ausgerichtet ist, Kinder zu bekommen. Aber es gibt ja auch Paare, die keine bekommen können oder wollen. Was ist mit denen? Die dürfen heiraten. Gleichgeschlechtliche Paare können ja auch miteinander Kinder haben, Stiefkinder oder adoptierte Kinder zum Beispiel. Warum sollen die das nicht haben dürfen?
Franziskus sagt, dass er damit niemanden oder diskriminieren will. Ich sehe das ein bisschen anders.
Er ist genauso Christ wie ich. Aber es gibt da trotzdem einen Punkt, bei dem man nicht zusammenkommen kann. Ein Wandmoment halt, wie Valerie sagt.
Vorweihnachtszeit mit einem Priester
Ich muss ja sagen, Weihnachten ähnelt bei mir eher dem Weihnachten von Valerie – mit Weihnachtsmärkten, Plätzen, „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, geliebte Menschen treffen und so. Aber ein bisschen hat mich schon gestört, dass Weihnachten bei mir vergleichsweise wenig mit dem Christentum zu tun hatte die letzten Jahre. Obwohl ich ja Christin bin. Und seit 2013 Weihnachten jedes Jahr in der Kirche war. Letztes Heiligabend waren Monsieur und ich also im 23-Uhr-Gottesdienst. Und ich habe sogar aus meiner brandneuen Lutherbibel die Weihnachtsgeschichte vorgelesen. Monsieur hätte nicht unbedingt auf einem Kirchbesuch bestanden. Naja, er war auch lange Jahre Lektor und in seinem Leben wahrscheinlich öfter in der Kirche, als ich es je sein werde.
Als ich den Abschnitt über die Austeilung des Abendmahls las, wurde ich wieder wütend. Mich macht immer noch total krank, dass offiziell kein gemeinsames Abendmahl möglich ist. Und dass ich das vermutlich nicht mehr erleben werde.
Drei Gottesdienste und eine heilige Nacht
Weiter oben schrieb ich, dass ich es etwas schade finde, wenn Weihnachten wenig mit dem Christentum an sich zu tun hat. Nichtsdestotrotz denke ich, dass auch Nichtchristen das Weihnachtsfest feiern können. Valerie schreibt, dass es ihr um die Familie geht, und das finde ich auch gut.
Sie schreibt außerdem, dass sie beim dritten Gottesdienst verwirrt darüber ist, wann was gesungen und gemacht wird (beim letzten Gottesdienst war das ja noch ganz anders). Das Gefühl kenne ich gut. Selbst wenn ich in einen ganz normalen evangelischen Gottesdienst gehe, kenne ich einige Teile der Liturgie nicht. Und als ich im Kloster mitgebetet habe, meine Güte…
Ihr Glaube ist fast anfassbar.
Das ist, was bei mir mehr ankommt als die Worte, und das so viele Menschen an Weihnachten in die Kirche treibt, auch wenn sie sonst nie kommen.
Ich glaube, das war lange Jahre mein Problem. Glaube war für mich nie anfassbar quasi, und dann habe ich irgendwann Menschen getroffen, bei denen das anders war. Hätte ich diese Menschen nicht getroffen, wäre ich wohl keine Christin geworden.
tl;dr: Das Projekt „Valerie und der Priester“ ist sehr interessant. Es gibt viele wichtige Einsichten und ich denke, dass man viel lernen kann, wenn man Menschen kennen lernt, die ganz anders sind als man selbst. Offenheit natürlich vorausgesetzt.
Mit freundlichen Grüßen
Die Kitschautorin
Nachtrag vom 8. Dezember 2020: Vor einigen Jahren – ich weiß nicht mehr, wann genau – habe ich Franziskus von Boeselager sogar zufällig persönlich getroffen. Er war sehr freundlich.