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Schlagwort-Archive: wissenschaftliche arbeiten

This is the end

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Als ich in der, äh, 11. Klasse oder so war, sind wir ins Berufsinformationszentrum in die damals noch drittgrößte Stadt Niedersachsens gefahren. Ich schlenderte durch die Reihen, in denen Ordner mit Berufsinformationen standen, und griff mir etwas aus dem Ressort Ausbildung. Meine Klassenlehrerin fragte: „Was machst du hier? Du solltest auf jeden Fall studieren!“

Ich wollte das auch immer tun, aber irgendwas sagte mir, dass ich doch lieber eine Ausbildung suchen sollte. Ich habe auf die Stimme gehört. Warum, wusste ich lange nicht. Mittlerweile weiß ich: Es war Angst.

Ich hing drei Jahre in einer Ausbildung fest, die mir absolut nicht zusagte, die ich aber nicht abbrach, weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte. Ich rechnete mir aus, dass ich mein weiteres Leben wohl als Sachbearbeiterin in irgendeinem Unternehmen fristen würde. Nichts gegen diese Art von Berufen, aber ich spürte – vor allem gegen Ende der Ausbildung -, dass das nicht mein Weg sein konnte. Und dann passierte etwas Merkwürdiges.

Ich erinnerte mich auf einmal wieder daran, wie ich in der 12. Klasse einige Vorlesungen besucht hatte. Und nachdem ich lange nicht gewusst hatte, was  ich nach Ende der Ausbildung tun sollte, wurde es auf einmal sonnenklar. Ein Studium war immer mein Traum gewesen, und ich wusste genau: Wenn ich jetzt nicht damit anfangen würde, würde ich es nie schaffen. Direkt am ersten Tag der Anmeldezeit bewarb ich mich.

Ich weiß immer noch, wie glücklich ich war, als am 6. August 2012 der Bescheid kam, dass ich angenommen war. Und wie ich im Oktober 2012 mit großen Augen durch die Gebäude lief. Die folgenden Jahre waren ein harter Kampf. Ich musste vieles lernen. Ich war froh, dass ich meine Freunde hatte, auf die ich zählen konnte. Meine Familie unterstützte mich auch, wofür ich ihr, wie ich hier einmal betonen möchte, sehr dankbar bin. Aber es war eben auf eine andere Art. Studiert hat aus meiner Familie keiner, ich bin die Erste.

Als ich mit meinem Bachelorvater während der Exkursion beim Frühstück saß, sagte ich ihm: „Ich bin die Ausnahme von Ihrer Regel“, und meinte damit mein Arbeiterkind-Studenten-Dasein. Er antwortete, er habe keinesfalls sagen wollen, dass Arbeiterkinder nicht studieren können, nur, dass sie es schwerer haben. Nichts anders wollte ich ausdrücken. Hätte ich keine Freunde gehabt, die studieren (und die großenteils älter sind als ich, also vieles schon durchgemacht hatten), wäre es auch bedeutend schwerer gewesen.

Schwer genug war es eh. Ich hatte viel zu kämpfen. Mit der Studienordnung, mit meinen Krankheiten, mit meiner Angst, es nie zu schaffen. Als ich den Bescheid bekam, dass ich bei der ersten Bachelorarbeit durchgefallen war, wollte ich abbrechen. Und dann rief ich meine Mutter an. Sie sagte, wenn ich jetzt nicht weitermache, werde ich es für immer bereuen. Da hatte sie mich leider.

Ich startete einen neuen Versuch, der auch nicht so gut war, aber immerhin hatte ich bestanden. Ich musste Seminare anhängen, mit Dozenten in Kontakt treten, die die Uni längst verlassen hatten, mit fast vier Jahren Verspätung einen Praktikumsbericht schreiben, das Politik-Prüfungsamt um Anrechnung bestimmter Seminare anbetteln und zwischendurch dachte ich immer wieder, dass ich es nicht schaffe. Als letzte Woche die letzte fehlende Hausarbeitsnote eintraf, war ich so nervös, dass ich erst mal einen heftigen Skolioseanfall bekam. Ich rechnete fest damit, dass ich durchgefallen war. Und was soll ich sagen – es war eine 2,3.

Selbst nach diesem letzten fehlenden Fitzelchen dachte ich, dass den Leuten bestimmt noch irgendwas auffällt, was mich am Abschluss hindert. Und jetzt habe ich es geschafft. Ich habe es tatsächlich geschafft. Ich kann es noch gar nicht richtig fassen.

Der eine oder andere wird sich jetzt denken: Warum ist die so misstrauisch? Warum vertraut die so wenig in sich selbst? Tja, das mit dem Vertrauen in mich selbst war schon immer ein Problem, und das Misstrauen entstand u.a. daraus, dass ich mich schon oft kurz vorm Ziel glaubte und dann doch wieder irgendein Mist passierte. Aber jetzt habe ich es geschafft. Am Montag darf ich mein Zeugnis abholen und Buchstaben hinter meinem Namen führen.

Wer wissen will, was ich jetzt als Nächstes anstelle: Langfristig einen Job suchen (vorzugsweise im sozialen Bereich), kurzfristig einem Haufen von Leuten danken. Ich fange hier mal an:

Ich danke meinem Mann, den ich sehr liebe und der immer wieder für mich da ist. Ich danke meinen Freunden, die mir immer wieder Mut zugesprochen und meine Panikanfälle der letzten Wochen und Monate geduldig ausgehalten haben. Ich danke meiner Familie, die mir immer wieder gesagt hat, dass sie an mich glaubt, und ohne die ich wahrscheinlich mein Studium abgebrochen hätte. Ich danke Anja (@thesismum), die mir mit Quellen für meine oben erwähnte Hausarbeit geholfen hat. Ich danke Miriam (@VitusTochter), die mir während eines meiner Tiefpunkte eine sehr liebe Postkarte geschickt hat. Ich danke Charlie, der wie so viele andere all meine Launen ausgehalten hat. Ich danke Sineb El-Masrar, die mich durch einen Fernsehauftritt auf mein Bachelorarbeitsthema gebracht hat (ich finde Ihr aktuelles Buch übrigens toll!). Ich danke capconio, dem besten Pony der Welt. Ich danke den Leuten aus der #twomplet und der #twaudes, die immer wieder für mich gebetet haben. Ich danke dem Pastor, der mich getauft hat, für seine offenen Ohren. Und ich danke all den anderen Leuten, die mir auf meinem Weg geholfen haben.

Mit freundlichen Grüßen

Kitschautorin, B.A.

Geschützt: Meine Hausarbeit und der WDR

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Heute in der Uni

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Heute wollte ich in die Uni, um dort Einsicht in ein Gutachten zu beantragen.

Punkt 1: Ich brauchte nen schriftlichen Antrag, wovon ich vorher nichts wusste.

Punkt 2: Die Bachelor-Prüfungsamtsfrau war krank.

Punkt 3: Die Master-Prüfungsamtsfrau, die sie vertrat, hätte – ich hatte mittlerweile irgendwie den Antrag klargekriegt – mich ins Gutachten reinschauen lassen können, wollte aber nicht. Begründung: „Mir wäre aber schon lieber, wenn Sie dafür zu (BA-Frau) gehen, ich hab das ja gar nicht vorliegen und müsste das erst raussuchen, das geht ja gar nicht, weil das dauert viel zu lange…“

Es war zwar viertel nach elf und die normale Sprechstunde wäre um halb zwölf zu Ende gewesen, aber was ist das denn für eine Begründung? Wenn zu meinem Mann eine Kundenfirma kommt und an ihn eine Frage hat wegen eines Bauteils und der sagt: „Ne, das mach ich jetzt nicht mehr, weil ich in ner Viertelstunde Feierabend habe“, dann wird er gefeuert. Da kann man sich die Vertretung ja auch gleich sparen, wenn sie keine Zeit oder Lust hat, das zu machen.

Mit freundlichen Grüßen

Die Kitschautorin

PS: Ich schrieb dann an die BA-Frau, ob wir, sobald sie gesundet ist, einen Termin für die Einsicht machen können. In der Abwesenheitsnotiz stand dann: „In dringenden Fällen wenden Sie sich bitte ans Master-Prüfungsamt.“ Äh, ja.

Da hat man sich grad mal an 2015 gewöhnt

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und schon ist es wieder vorbei. Hier der Rückblick.

1.       Ganz grob auf einer Skala von 1 bis 10: Wie war dein Jahr?

8. Großer Scheiß und richtig tolle Sachen.

2.       Zugenommen oder abgenommen?

Es wird wohl ungefähr gleich geblieben sein. Zumindest sehe ich nicht wesentlich fetter aus.

3.       Haare länger oder kürzer?

Mehr oder weniger gleich… irgendwie finde ich einfach, dass mir kurz vor schulterlang am besten steht.

4.       Kurzsichtiger oder weitsichtiger?

Gleich geblieben, würde ich sagen.

5.       Mehr Kohle oder weniger?

Bis Oktober extrem wenig, danach bekam ich Arbeit und es wurde mehr.

6.       Besseren Job oder schlechteren?

Besser.

7.       Mehr ausgegeben oder weniger?

Ein Wort: Fahrschule.

8.       Dieses Jahr etwas gewonnen und wenn, was?

Im Adventskalender von “Gekreuzsiegt” wurde ein Buch von Nadia Bolz-Weber verlost und ich habe es gewonnen. Und ich habe eine „Tubeclash“-BluRay gewonnen. (Dabei habe ich nicht mal einen BluRay-Spieler.)

9.       Mehr bewegt oder weniger?

Unentschieden…

10.   Anzahl der Erkrankungen dieses Jahr?

Stresskopfschmerzen und die Flitterwochenkrankheit.

11.   Davon war für dich die Schlimmste?

Ersteres.

12.   Der hirnrissigste Plan?

Ähm… zählt Extremchillen?

13.   Die gefährlichste Unternehmung?

Mit Absatzschuhen auf eine Silvesterparty zu gehen.

14.   Die teuerste Anschaffung?

Nicht sicher. Bestimmt aber irgendwas für die neue Wohnung.

15.   Das leckerste Essen?

Das müssen Mamas Weihnachtsschinken und die Kartoffelsuppe von meinem Mann und mir untereinander ausmachen.

16.   Das beeindruckendste Buch?

„Orange is the new black“ von Piper Kerman.

17.   Der ergreifendste Film?

Ich habe dieses Jahr nicht besonders viele Filme gesehen. Ich glaube, diese Trophäe geht an „Spectre“, weil er so spannend war.

18.   Die beste CD?

„Russendisko Hits 2“.

19.   Das schönste Konzert?

Ich war dieses Jahr auf keinem Konzert.

20.   Die meiste Zeit verbracht mit?

Mit meinem Mann.

21.   Die schönste Zeit verbracht mit?

Mit meinem Mann.

22.   Zum ersten Mal getan?

Internet bestellt. Eine Abschlussarbeit geschrieben. Bei einer wichtigen Prüfung durchgefallen (und das gleich zwei Mal). In Bochum gewesen. Nicht jugendfreie Dinge. Auto gefahren. Standesamtlich geheiratet (und das hoffentlich auch zum letzten Mal). Paintball gespielt (das sicher nicht zum letzten Mal). Ein wissenschaftliches Interview geführt.

23.   Nach langer Zeit wieder getan?

In einem Dorf gewohnt. In Polen gewesen. Eine Herrentoilette aufgesucht. Meine alte Schule besucht. Ein ehemaliges KZ besucht.

24.   Dinge, auf die ich gut hätte verzichten können?

Stress mit Vodafone. Stress mit der Nachbarin. Stress mit Freunden. Spam (on- und offline). Stress durch Nazis. Religiöse Intoleranz. Fremdenfeindlichkeit im Allgemeinen. Knapp vier Monate ohne Küche. Betrunkene Fußballfans. Stutenbissigkeit. Bürokratie. Freipinkelnde Idioten. Stress mit Verwandten. Ein kaputtes Lenkradschloss. Gewisse Paketzusteller (ja, ich meine euch, Hermes). Unfähige Kassiererinnen. Faule Beamte. Einen kaputten Computer beim TÜV. Nervosität. Ewig lange Arbeitssuche. Leute, die mit mir spielen.

25.   Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?

Die Sinnhaftigkeit meiner Arbeit.

26.   Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?

Einen Kurzurlaub.

27.   Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?

Essen natürlich.

28.   Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?

„Ja, ich will.“

29.   Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?

Ich glaube, siehe Frage 28.

30.   Dein Wort des Jahres?

Hochzeit.

31.   Dein Unwort des Jahres?

Nachbarin.

32.   Dein(e) Lieblingsblogs des Jahres?

„Nachrichten vom Abgrund der menschlichen Dummheit“.

33.   Verlinke deine Rückblicke der vorigen Jahre.

https://kitschautorin.wordpress.com/2012/01/01/jahresruckblick-2011/

https://kitschautorin.wordpress.com/2012/12/23/soundtrack-of-2012/

https://kitschautorin.wordpress.com/2013/01/01/2013-omfg/

https://kitschautorin.wordpress.com/2014/01/01/jahresruckblick-2013/

https://kitschautorin.wordpress.com/2015/01/01/2015-yeh/

Mit freundlichen Grüßen und Wünschen für das Jahr 2015

Die Kitschautorin

Geräte, gute Taten und Gebärden

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Tagesordnungspunkt 1: Geräte

Mein Blutdruck hat in letzter Zeit einige Ausreißer gezeigt. Eine Langzeitmessung musste her. Und das, wo ich normale Messungen schon nicht mag. Ich konnte meinen linken Arm 24 Stunden nur eingeschränkt bewegen, brauchte Hilfe beim Umlegen meines Schals, sah unterm Kleid ganz schön schwanger aus, weil die Kiste auf meinem Bauch lag, sorgte im Seminar für großes Hallo, weil jede Einzelmessung mit einem Piepton begann, konnte letzte Nacht kaum schlafen und heute Morgen nicht duschen, weil ans Gerät kein Wasser kommen darf. Mein Blutdruck war diese ganzen 24 Stunden völlig normal. Witzig war übrigens, dass der Internist genau sehen konnte, wann ich schlief (ich war zwischen ein und zwei Uhr und gegen drei wach) und wann der Wecker ging, weil meine Werte um 6:33 Uhr auf einmal hochschnellten.

Tagesordnungspunkt 2: Gute Taten

Mein Dozent aus “Einführung in die Filmproduktion” ringt seit Monaten um einen Termin für die Führung durch das hiesige Studio eines ziemlich großen Fernsehsenders. Inklusive Schneideraum und Anwesenheit bei den Hauptnachrichten. Und alles, was eine Kommilitonin zu sagen hatte, als er meinte, nun wenigstens den Wochentag festgenagelt zu haben, war: “Müssen wir das machen?”

Tagesordnungspunkt 3: Gebärden

Ich versuche seit Wochen, in einen Gebärdensprachkurs reinzukommen. Im Uniportal stehe ich als “vorläufig zugelassen”. Als ich am Tag des ersten Termins beim AStA, der den Kurs organisiert, meine Kursgebühr bezahlen wollte, hieß es, ich stände nur auf der Warteliste und hätte äußerst schlechte Chancen, reinzukommen. Ich bin trotzdem zum ersten Termin gegangen, die (gehörlose) Dozentin konnte mir aber nicht sagen, ob ich teilnehmen kann, weil der AStA es versäumt hatte, der Dozentin die Teilnehmerliste zu geben. Eine Woche später ging ich noch mal zum AStA. Als ich mich sehr über die Situation ärgerte (ich brauche die zwei Leistungspunkte für mein Studium), sagte ein im Raum Anwesender: “Hey, sieh’s doch locker! Ich kenne Leute, die ihre Bachelorarbeit in drei Wochen geschrieben haben!” Mehrere unterdrückte Wutausbrüche und eine unbeantwortete Mail an den zuständigen AStA-Referenten später habe ich es jetzt geschafft, dass die Dozentin mich reinlässt. Aber auch nur, weil eine Studentin zwei Mal gefehlt hat. Hoffen wir mal, dass der AStA mir nicht noch mehr Steine in den Weg legt.^^

Mit freundlichen Grüßen

Die Kitschautorin

Geschützt: Warum ich meine Bachelorarbeit in Pädagogik und nicht in Politik schreiben werde

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Krümelmonster, Teil 23

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Mit mäßigem Erfolg. Zwar schaffte ich es, einige der Fakten in mein Hirn zu bimsen, doch es war dazu große Anstrengung nötig. Ein dunkler Schatten in Form des Gesichtes eines gewissen Medizinstudenten schwebte ständig vor meinen Augen herum.

Zu sehr interessierte mich der Typ, der angeblich Lukas hieß und ein Freund von Hannes war, Krankenpfleger, Medizinstudent. Spielte in einer Band. Ich hatte schon immer eine Schwäche für Musiker gehabt. Ich erinnerte mich an ein Schulfest in der zehnten Klasse, bei dem ich mit Zahnspange im Mund ganz vorne in der ersten Reihe gestanden und den Sänger angehimmelt hatte. Der war damals der Schwarm der ganzen Schule gewesen, bis er geflogen war und –

Von fern ertönte mein Handy. Wo war es nur? Hoffentlich fand ich es rechtzeitig… ich wühlte alle meine Sachen durch, bis ich es endlich fand. Ich drückte auf den grünen Hörer.

„Sara Lehmann?“

„Sara, wieso meldest du dich mit Namen? Du hast doch gesehen, dass ich es bin“, bemerkte Anna in ihrer typischen Art.

„Nein, ich musste schnell machen, sonst hättest du nur die Mailbox gekriegt. Was gibt’s denn?“

„Aurélie will mal wieder was mit uns beiden machen“, informierte mich Anna. „Sie dachte da an einen DVD-Abend.“

„Hat ihr der eine neulich nicht schon gereicht?“

„Ich denke, die beiden sind nicht zum DVD-Gucken gekommen, wenn du verstehst, was ich meine“, versetzte Anna. Wir lachten beide.

„Aber klar würde ich gerne mal was machen“, rief ich. „Sag bloß, du hast es geschafft, sie von Freddy loszueisen?“

„Es war ihre Idee. Sie hat mittlerweile kapiert, dass man auch mal was getrennt machen kann, wenn man in einer Beziehung ist.“

„Coole Sache. Ja, habt ihr denn heute Abend Zeit?“

„Klar.“

Wir verabredeten uns für sechs Uhr in der WG. Als Aurélie mich an der Wohnungstür begrüßte, fiel mir etwas auf: Sie hatte ihre Naturhaarfarbe zurück. Dunkelbraun.

„Hey, Aurélie, du hast ja wieder braune Haare!“

„Ja, die gefallen mir wohl doch besser. Und Freddy auch“, antwortete sie und hängte meinen Mantel auf. „Was möchtest du trinken? Kaffee? Tee? Kakao?“

„Ach, am allerliebsten mag ich Kakao“, gab ich zurück und ließ mich auf einen Tisch in der Küche plumpsen. „Also läuft es zwischen euch beiden wieder?“

„Ja, eure Idee mit dem Einsperren war wirklich klasse. Dadurch haben Freddy und ich endlich mal wieder richtig miteinander gesprochen.“

„Wir helfen immer gern“, meinte Anna, die gerade die Küche betrat, und verbeugte sich.

„Nein, ernsthaft. Jetzt ist uns klar geworden, dass wir nicht aneinanderhängen dürfen und uns gegenseitig unsere Freiheiten lassen müssen.“

„Ist doch gut.“ Anna setzte sich hin. „So, und was genau wollen wir jetzt machen?“

„Ach, ich hätte Lust auf DVD-Gucken, wie gesagt“, äußerte sich Aurélie und goss sich selbst und mir einen Kakao ein.

„Hat dir das DVD-Gucken mit Freddy nicht gereicht? Oder seid ihr am Ende gar nicht dazu gekommen?“ Anna zwinkerte mir zu und trank einen Schluck Früchtetee.

„Öh… woher wisst ihr das?“ Aurélie wurde leicht rot. „Naja… wir müssen ja nicht DVDs schauen, wenn ihr nicht wollt. Ich hab gehört, in der Kneipe um die Ecke spielt eine Band. The Students.“

„Welche Kneipe?“, rief Anna.

„Spielt Lukas da nicht mit?“, rief ich gleichzeitig. Worauf meine Freundinnen gleichzeitig fragten: „Wer ist Lukas?“

„Unwichtig“, watschte ich sie ab. „Ähm, wie heißt denn jetzt die Kneipe um die Ecke?“

Erdbeergrün“, antwortete sie verwirrt. „Aber wer ist dieser Lukas?“

„Kommt mit“ – ich trank meine Tasse Kakao leer – „dann erzähle ich es euch.“

Unterwegs, während wir durch den Adventsschnee stapften, erzählte ich es ihnen dann. „Es war ganz witzig, ihr habt doch sicher erfahren, dass ich neulich umgekippt bin, und da dachte ich, das wäre Hannes, der mich wiederbelebt hätte. Aber dann hab ich Kati getroffen –“

„Wie, du hast Kati getroffen? Die alte Nervtussi?“, unterbrach mich Anna.

„Die würde ich nie freiwillig treffen, die dumme Zicke!“, ergänzte Aurélie.

„Naja, wir haben uns an Hannes gerächt, weil er uns beide sitzenließ. Jedenfalls –“

„Wie habt ihr euch gerächt? Was habt ihr gemacht?“, wurde ich schon wieder unterbrochen.

„Ich hab seine Hausarbeit gelöscht und Kati hat die Stereoanlage neu verka-“

„Was, du hast seine Hausarbeit gelöscht? Das hast du wirklich gemacht?“

„Soll ich euch jetzt eigentlich erzählen, wer Lukas ist, oder wollt ihr das gar nicht?“, rief ich verärgert.

„Oh, das tut uns sehr Leid. Erzähl uns die ganze Geschichte.“

Wir setzten uns an einen Tisch.

„Also, wie gesagt, ich bin umgefallen. Wer Hannes ist, hab ich euch ja schon erzählt.“ Die Mädels nickten. Die Kellnerin kam an und wir bestellten drei Colas. Als sie abzog, fuhr ich fort: „Nun ja, ich bin neulich umgekippt, weil ich nichts getrunken hatte, und da hat Hannes mich wiederbelebt. Das dachte ich jedenfalls. Dann hat er mich in sein Zimmer geschleppt und gesagt, wie Leid ihm das alles tut und dass er mich liebt.“

„Und was hast du gesagt?“, wollte Anna wissen.

„Dass ich erst mal darüber nachdenken muss, und dann bin ich schlafen gegangen. In meinem Zimmer. Tja, und dann hab ich Kati auf der Unitoilette getroffen, deswegen war ich beim Essen übrigens so lange weg. Sie war total fertig wegen der Geschichte mit Hannes und da haben wir uns gerächt.“

„Du hast die Hausarbeit gelöscht und Kati hat irgendwas mit der Stereoanlage gemacht“, bemerkte Aurélie.

„Sie neu verkabelt, genau. Es war echt witzig, wie Hannes ausgeflippt ist. Wir haben natürlich vorher sichergestellt, dass er die Arbeit nirgendwo anders gespeichert hat.“ Ich zog die Augenbrauen hoch und grinste diabolisch. Was meine Freundinnen zum schallenden Lachen brachte. „Das ist ja geil“, japste Anna. „Aber wer ist jetzt Lukas?“

„Passt auf.“ Ich hob meinen Zeigefinger. „Weil Kati und ich die Aktion ganz cool fanden, haben wir uns auf einen Kaffee verabredet. Und da hat sie mir erzählt – sie hat nämlich alles beobachtet –, dass mich dieser Freund von Hannes wiederbelebt hat, der auch dabei war. Und der heißt Lukas.“ Ich lehnte mich zurück und trank etwas von der Cola, die mittlerweile angekommen war.

„Wow.“ Aurélie atmete hörbar aus. „Wieso passiert mir nie so etwas?“

„Dein Liebeslieben ist ja wohl aufregend genug“, wehrte Anna ab. „Aber was weißt du alles von ihm?“

„Naja, Kati hat mir einiges über ihn erzählt. Er hat eine Ausbildung zum Krankenpfleger gemacht und studiert hier jetzt Medizin. Außerdem spielt er in einer Band.“

„Und wie sieht er aus?“

In dem Moment trat jemand ans Mikro heran, das auf der kleinen Eckbühne aufgebaut war und es erklangen einige Gitarrenakkorde.

„Hallo, Leute!“ Die Stimme kam mir bekannt vor. „Hier sind The Students und wir spielen jetzt die beste Musik überhaupt, nur für euch!“ Wir drehten uns um. Ich schluckte.

„Nun ja, eigentlich sieht er genauso aus wie der Typ, der da am Mikro steht“, sagte ich. „Wow, das ist er?“, rief Aurélie und fing an zu kreischen. „Still!“, wies Anna sie zurecht.

Die Leute klatschten und wir stimmten mit ein, ich war aber noch etwas zögerlich. Sehr zögerlich. Was nicht gerade zu meiner Lockerung beitrug, war, dass Lukas‘ Band ein Lied spielte, das mir auch sehr bekannt vorkam.

Tonight we drink to youth
and holding fast to truth.
I don’t want to lose what I had as a boy
My heart still has a beat
but love is now a feat
As common as a cold day in LA
Sometimes when I’m alone, I wonder
is there a spell that I am under
keeping me from seeing the real thing?
Love hurts…
but sometimes it’s a good hurt
and it feels like I’m alive
Love sings
when it transcends the bad things
Have a heart and try me
‚cause without love I won’t survive

Lukas hatte eine tolle Stimme und konnte auch die E-Gitarre super spielen. Ich sah ihn mir genauer an. Er trug eine lässig auf seinen Hüften hängende Jeans und ein eng sitzendes T-Shirt. Er schien nicht besonders muskulös zu sein, also nicht so wie Hannes, aber er war trotzdem ziemlich gut gebaut. Seine Füße trugen weiße Chucks, auf die irgendjemand was geschrieben hatte und um den Hals trug er ein Palästinensertuch, wie auch ich eins hatte. Irgendwann nahm er es allerdings ab. Ich konnte meine Augen gar nicht von Lukas lassen.

An diesem Abend spielte seine Band viele Lieder, bekannte Lieder und eigene Stücke. Besonders entzückt war ich von einem alten Rocksong, den ich mit meiner alten Klasse mal im Matheunterricht gesungen hatte, um den blöden Lehrer zu ärgern. Ich lächelte… und Lukas lächelte zurück!

„Sieht ja gut aus, der Typ!“, bemerkte Anna. „Ja, da hast du wohl Recht“, stimmte ich zu.

Ein paar Stunden später verabschiedeten sich die Students, unter dem dröhnenden Applaus der Kneipenbesucher. „Komm, wir gehen“, forderte Anna uns auf und wir machten uns daran, das Erdbeergrün zu verlassen. Die anderen beiden waren schon nach draußen gegangen, als ich mich noch mal umdrehte… und Lukas‘ Palästinensertuch sah, das er auf der Bühne zurückgelassen hatte! Schnell ging ich zur Bühne und steckte das schöne Tuch ein.

„Kommst du? Wir wollen endlich nach Hause!“, rief Anna nach mir. Ich huschte nach draußen.

Krümelmonster, Teil 20

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Nach ein paar Stunden kamen wir auch wieder zurück. Das Erstaunliche war, wir hatten Lea und Gero im Café getroffen. Zuerst wollte ich zu ihnen gehen, aber sie schienen sich ernsthaft zu unterhalten, da wollte ich nicht stören. Ich bekam nur mit, dass Lea bei der Kellnerin „etwas Alkoholfreies“ bestellte. Da hatte ich lächeln müssen. Ob das Gespräch ein Ergebnis gehabt hatte? Wir würden es sehen, hatte ich mir gedacht und nach dem Zahlen einfach gehen wollen. Doch da hatte Lea mich doch noch gesehen.
„Hallo, ihr beiden! Sara, ich wollte dir nur sagen, dass Gero an Weihnachten auch zu uns kommt.“ Er hatte genickt.
„Ähm… okay! Du, wir müssen jetzt dringend zurück in die WG, ich meld mich dann bei dir!“, hatte ich Lea informiert. „Okay, bis dann!“, hatte sie geantwortet. Hatte ich da eine kleine Rundung an ihrem Bauch gesehen?
„Wahrscheinlich wird sie das Baby behalten“, meinte Anna, als ich sie darauf ansprach. „Die beiden wirkten so glücklich zusammen, und sie hat ja extra nur Wasser bestellt.“
„Meinst du?“, fragte ich. „Das weiß man bei Lea nie so genau. Die kann ihre Meinung mal eben so“ – ich schnipste mit den Fingern – „ändern. Das kannst du nicht vorhersehen.“
„Wir werden sehen.“ Mittlerweile waren wir wieder beim Haus angelangt, in dem Anna und Aurélie wohnten. „Jetzt werden wir aber erst mal sehen, ob sich unsere Lieblingsfreunde wieder eingekriegt haben. Deren Meinung zu ändern, ist sicher sehr viel schwieriger.“
„Da hast du wohl Recht“, stimmte ich ihr zu und nahm 2 Stufen auf einmal. „Ich wette, die zoffen sich immer noch.“
„Da könntest du wieder Recht haben. Mal sehen…“ Als wir vor der Wohnungstür standen, war es auffällig ruhig. Wir pressten beide unsere Ohren an die Tür, aber es war nichts zu hören.
Anna schloss auf. In der Wohnung war immer noch nichts zu hören, außer der tickenden Küchenuhr. Wir schlichen zur Stubentür und schlossen sie vorsichtig auf. Und was erblickten wir?
Aurélie und Freddy Arm in Arm, auf dem Fernsehbildschirm lief das Menü von „Die fabelhafte Welt der Amélie“, wahrscheinlich zum hundertsten Mal. Die beiden lagen da und schliefen. Und bei noch genauerem Hinsehen entdeckte ich… unter der Sofadecke, die sie verhüllte, waren beide nackt!
Ich zerrte Anna in ihr Zimmer. „Die haben beide miteinander geschlafen! Im Wohnzimmer!“
„Tja, ich würde mal sagen, das Ganze war ein voller Erfolg. Lass uns schlafen gehen, ich bin echt müde.“
Auf der unbequemen Gästematratze ruhte ich zur Nacht und ich muss sagen: Lange habe ich nicht mehr so gut geschlafen wie damals.

Das konnte ich auch sehr gut brauchen, denn der Tag darauf wurde genauso ereignisreich. Mindestens genauso ereignisreich, würde ich sagen.
In der Uni wurden viele bedeutungsvolle Blicke ausgetauscht zwischen mir und anderen Leuten.
Zwischen Anna und mir, weil sich Aurélie und Freddy endlich wieder vertragen hatten und Arm in Arm die Uni durchquerten. Wir lächelten uns an.
Zwischen Kati und mir, weil wir eine Zweckverbrüderung geschlossen hatten und uns heute Abend deswegen treffen wollten. Verschwörerisch grinsten wir uns einander an.
Zwischen Hannes und mir. Ihn verwunderte es, dass Kati und ich in stetigem Blickkontakt standen und gelegentlich ein Wort miteinander wechselten. Das verstand er nicht. Sollte er auch nicht.
Wie hast du dich entschieden?, fragte sein Blick.
Belästige mich nicht weiter!, antwortete mein Blick.
Aber du bist doch so eine tolle Frau!, entgegnete sein Blick verständnislos.
Und du bist ein Weiberheld, der sich nicht darum schert, ob er anderen Menschen mit seinen Taten wehtut, sagte mein Blick. So einen will ich nicht haben, egal, wie sehr er mich beglückt hat, fügte mein Blick hinzu.
Und so eine hab ich wiederbelebt, ärgerte sich sein Blick.
Dafür bin ich dir auch sehr dankbar, gab mein Blick zurück. Trotzdem will ich dich nicht mehr haben. Das hättest du dir früher überlegen sollen. Damit wandte sich mein Blick ab.
Das war jedoch nicht das Wichtigste, diese Gespräche mit Blicken, die während Politikvorlesungen und auf den Unigängen stattfanden. Das Wichtigste kam erst heute Abend.
Da kehrte ich wieder ins Studentenwohnheim zurück. Dieser Mief hatte mir fast schon gefehlt. Aber nur fast.
Ich warf schnell meine Sachen ins Zimmer und ging dann los zum Zimmer 405, das viel größer als meins war und in dem Kati wohnte. Sie erwartete mich wohl schon, denn ihre Tür war geschlossen und sie hatte eine Tasche aufgesetzt.
„Hallo“, sagte Kati. „Ich muss gestehen, ich bin ganz schön nervös.“
„Ich auch. Hast du alles dabei?“
„Ja, hab ich“, behauptete sie. „Schere, Minischraubenzieher, Zimmerschlüssel, ich hab sogar ’ne Digitalkamera dabei…“
„Wieso das denn?“
„Damit ich alles fotografieren kann“, lachte sie.
„Du hast sogar einen Minischraubenzieher dabei? Wo hast du den denn her?“, wollte ich wissen.
„Denkst du, ich bin ein kleines Püppchen, das nichts selber machen kann? Den hab ich mir vorm Auszug gekauft, falls irgendwas von meinen Sachen kaputt geht“, informierte Kati mich.
Während wir den Flur Richtung Hannes’ Zimmer entlanggingen, flüsterten wir. Wie lächerlich, als ob uns irgendjemand hören könnte. „Hast du den Schlüssel zu Hannes’ Zimmer?“
„Ja, klar. Er hat den, den er für mich hat abziehen lassen, noch nicht zurückverlangt.“
„Sag mal, wie bist du eigentlich in mein Zimmer gekommen damals?“, erkundigte ich mich bei mir.
„Es war nur einmal abgeschlossen“, erzählte sie. „Da brauchte ich bloß meine Kreditkarte durchschieben und schon war ich drin.“
Ich ärgerte mich, dass ich das nicht bedacht hatte. Aber jetzt ging es um wichtigere Dinge.
Mittlerweile waren wir bei seinem Zimmer angelangt. „Bist du dir wirklich sicher, dass er gerade nicht da ist?“, wisperte ich.
„Na klar, er hat um die Zeit immer seinen Sportkurs an der Uni. Dann wollen wir mal.“ Mit diesen Worten schloss sie die Tür auf. Sofort machten wir uns an die Arbeit. „Ich kümmere mich um die Stereoanlage, und du machst seinen Computer an“, befahl Kati. Fachmännisch schraubte sie die Rückseite der Anlage auf.
„Was soll ich denn da tun?“
„Ich weiß aus sicherer Quelle, dass er morgen eine Hausarbeit abgeben muss. Und so wie ich ihn kenne, hat er die weder ausgedruckt noch auf USB gespeichert“, meinte Kati mit einem diebischen Unterton in der Stimme.
„Du meinst…“
„Ja, genau, ich meine.“
Jetzt tauchte die Passwortabfrage auf seinem Bildschirm auf. „Tipp mal Passwort ein“, verlangte Kati, während sie einige Kabel vertauschte. Ich gehorchte ihr. „Boah, ist der Kerl einfallsreich.“
„Wem sagst du das?“
Normalerweise war ich nicht der Mensch, der daraus Freude bezog, anderen Menschen zu schaden. Doch ich muss gestehen, dass es mir tierischen Spaß machte, all den Quatsch, den er zum Thema Sportpsychologie zusammengeschrieben hatte, zu löschen und beim Schließen des Word-Dokuments auf die Frage „Möchten Sie die Änderungen speichern?“ mit Ja zu antworten.
Eine Weile werkelten Kati und ich noch herum und stifteten Unordnung, wie negative Heinzelmännchen sozusagen. Irgendwann ließ meine Mitverschwörerin ihr Werkzeug sinken und schaute auf die Uhr. „So, wir müssen uns langsam vom Acker machen. In einer Viertelstunde kommt er wieder.“ Sie holte ihren Lippenstift aus der Tasche, malte sich die Lippen rosa an und drückte einen Kuss auf den Monitor. „Hast du auch irgendwas, das du hier zurücklassen kannst?“, wandte sie sich an mich.
„Ja, klar, einen Moment…“, überlegte ich und rannte schnell ins Zimmer. Fein säuberlich breitete ich den mitgebrachten Gegenstand auf seinem Bett aus. Es war das Handtuch, das ich getragen hatte, als Hannes und ich uns in der Dusche begegnet waren.
Zum Abschluss versprühte Kati noch etwas Parfüm im Zimmer und dann verließen wir den Raum. Natürlich schlossen wir die Tür wieder ab.
In meinem Zimmer, dessen Tür wir eine Spur weit offen ließen, legten wir uns auf die Lauer. Es war nicht meine Idee. „Findest du das nicht etwas kindisch?“, fragte ich sie. „Mag sein“, gab sie zurück, „aber ich will sehen, wie er den Schock seines Lebens erleidet.“ Wir müssten beide höllisch lachen.
Da kam Hannes pfeifend den Flur heraufgelaufen, die American-Apparel-Tasche locker über die Schulter gehangen, den Schlüssel schon in der Hand. Er schloss auf und wir konnten sehen, dass er die Tür nicht schloss. Verwirrt betrachtete er das Chaos in seinem Zimmer und schnupperte. Es klang ulkig.
Als Nächstes wollte er wohl, soweit wir das sehen konnten, die Stereoanlage andrehen. Die aber nicht funktionierte. Zunächst fluchte er laut herum. Dann war zu hören, wie er sich über den Lippenstift auf dem Computer wunderte, und es klang schon etwas ängstlich. Er murmelte etwas, das Kati und ich nicht so genau verstehen konnten und tippte auf seinem Handy herum, das er sich ans Ohr hielt. Allerdings schien es nicht zu funktionieren, denn Hannes fluchte erneut wie wild herum. „Scheiße, was passiert denn hier? Okay, ganz ruhig…“ Was dann geschah, konnte ich nicht so genau sehen.
„Was macht er da?“, wisperte ich.
„Er macht den PC an“, antwortete Kati ebenso leise. „Und den Drucker hat er auch angeschaltet… Hm…“ Sie kniff die Augen zusammen… „Er hat irgendwas geöffnet…“ Und plötzlich ertönte so laut, dass man es noch am anderen Ende Frankfurts hören musste, ein verzweifeltes „NEIN!!!“
„Er hat die Arbeit geöffnet!“, rief Kati mir begeistert zu. Wir mussten beide lachen und klatschten High-Five, als wären wir Basketballspieler. Doch das „Nein“ war noch nicht alles, was wir aus Hannes’ Zimmer hörten. Fassungslos hob er, so beobachteten wir, mein Handtuch auf und sah es sich an, dann betrachtete er den Monitor. Schlagartig schien ihm alles klar zu werden. „NEIN!!! Diese verdammten Schlampen! Na wartet…“
Kati und ich lagen auf dem Boden meines Zimmers vor der einen Spalt offenen Tür und konnten uns nicht mehr einkriegen vor Lachen. Gut, vielleicht war all das, was wir gerade gemacht hatten, kindisch und übertrieben, und vielleicht würden wir es irgendwann bereuen. Doch im Augenblick fühlten wir uns einfach göttlich.

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