Dreiwortgeschichte: Winterlinde – Containerkran – Kampfschrei

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Ich starre aus dem Fenster. Hinter mir reden die Menschen, die durch das Gebäude wuseln und Teenager herumscheuchen. Wenn es gut läuft, bringen sie den Teenagern auch noch etwas bei. Auch heute reden sie nicht mit mir. Nicht dass mich das überrascht.
Zwei Tische weiter sitzt die große Frau mit aschblondem Pferdeschwanz, die es nie für nötig hält, ihre Schüler zu begrüßen. Gleichzeitig wundert sie sich, warum sie es nicht schafft, ihren Zehntklässlern die Bedeutung deutscher Lyrik nahezubringen. “Es klappt nicht mal, wenn ich sie selber was schreiben lasse!” Der Junge, der – weil er ja immer nur Mist baut – direkt vor ihrem Pult sitzt, hat etwas vorgetragen, das mit wunderschönen Versen über eine Winterlinde anfing, nur damit dann am Ende Geschlechtsverkehr und Morde unter besagter Linde vorkamen. Sie überlegt laut, weitere Schritte einzuleiten, aber seine Eltern interessieren sich ja auch für nichts.
Am gleichen Tisch sitzt die schlanke Frau, die zwar ungefähr mein Alter hat, aber schon perfekt das versauerte Gesicht ihrer zwanzig Jahre älteren Kolleginnen draufhat. Sie unterrichtet den Jungen, der das Gedicht geschrieben hat, in Biologie und nimmt gerade Bäume durch. Ich schätze, der Junge ist so auf die Linde gekommen. Ich glaube, die Biologielehrerin könnte den Schülern so viele wichtige Infos vermitteln. Sie könnte ihnen erzählen, dass Winterlinden hier heimisch sind, erst ab Ende Juni blühen – das wären jetzt noch vier Monate –, 2016 Baum des Jahres waren, Quelle für Tees und Arzneimittel sind oder dass sich sogar die Gothic-Band ihres Neffen danach benannt hat, und nichts davon würde im Kopf der Schüler hängen bleiben, weil sie kein didaktisches Talent hat. Ich selbst weiß so was auch nicht aus der Schule.
Eigentlich sollte ich gerade nicht im Lehrerzimmer sitzen und darüber nachdenken, wie ich nie ins soziale Gefüge der Lehrkräfte passen werde, die sich hier unterhalten, scherzen, lachen, Tipps und Infos austauschen. Ich sollte auf den mir anvertrauten Schüler aufpassen, der gerade das pädagogische Angebot in der Turnhalle nutzt, weil es theoretisch möglich wäre, dass er wegen irgendetwas ausflippt und Schuleigentum malträtiert. Ich muss aber gerade darauf vertrauen, dass das diesmal nicht passiert. Ich kann das einfach nicht mehr. Ich habe keine Lust auf Ohrenschmerzen durch Kampfschreie, Schüler, die ihre Kommunikation nicht anders gestalten können, als laut zu sein, und den Aufsicht führenden Lehrer, der dem FSJler mitteilt, welche Schüler jetzt schon wieder was verbrochen haben und wie schlecht es der heutigen Pädagogik doch geht. Trotz des sich hinter mir abspielenden Geplauders glaube ich nicht, dass irgendwer gerne an dieser Schule ist. Auch ich habe die Freude nach dem dritten Wutausbruch meines Schülers aufgegeben. Aber solange ich nicht versetzt werden kann, bleibt mir keine andere Wahl, als in diesem Höllenloch zu sein. Ehe ich noch weiter darüber sinnieren kann, wie furchtbar mein Leben ist, gongt es und ich gehe Richtung Klassenzimmer.

Mein Kopf dröhnt. Es ist endlich 13 Uhr, aber mein Kopf dröhnt. Nach ein paar leeren Worten an meinen Schüler und seine Mutter schlurfe ich davon. Irgendwie erreiche ich den Bus, der mich zu meiner Wohnung bringt. Immer noch Schüler um mich rum, aber nun kann ich wenigstens Ohrenstöpsel benutzen, ohne dass irgendwer schief guckt. Die Strecke zieht sich, weil auf dem Weg eine Baustelle ist. Dass die Pubertiere hinter mir das Aussehen der Bauarbeiter kommentieren, registriere ich kaum.
In meinem kleinen Einzimmerapartment angekommen streife ich die Schultasche ab, schließe die Augen und atme tief durch. Dann gehe ich zur winzigen Küchenzeile und gieße mir einen Schluck Wasser ein. Langsam rinnt es meine Kehle runter. Ich habe nur eine Stunde Zeit, bis ich wieder losmuss. Mein bester Freund hat mich zu sich eingeladen. Er ist der Einzige, der mich ab und zu noch aus dem Haus zwingt, und das Einzige, auf das ich mich im Leben noch freue. Früher war ich aktiver, ging auf Demonstrationen, aber das hat sich alles irgendwann im Sande verlaufen.
Schnell schmeiße ich einige Lebensnotwendigkeiten in meinen Rucksack und fahre wieder los. Bus zum nächsten Bahnhof. Umstieg in einen Regionalexpress, der mich in die nächste Großstadt bringt. Ich sehe einige Schüler meiner Schule, aber die haben genauso wenig Bock auf mich wie ich auf sie.
Ich höre etwas Musik. Sie trägt dazu bei, dass mit fortschreitenden Kilometern Schule, Einsamkeit und Dorfleben hinter mir verschwinden und die Gedanken sich leeren. Gleichmütig ertrage ich Umstieg und weitere Bahnfahrt, die Schienenkilometer schieben sich unter mir vorbei wie eine Graubrotscheibe durch meinen Verdauungstrakt. Ohne große Leidenschaft in die eine oder andere Richtung nehme ich sie hin.
Irgendwann fährt der private Regionalzug an einem Supermarkt vorbei. Er ist der erste Ausläufer der Stadt, in die ich muss. Einfamilienhäuser, verschmutzte Wohnblocks und irgendwann immer mehr Häuser. Da der Zug pünktlich ist, was nicht oft vorkommt, schreibe ich dem Freund, den ich besuche, die voraussichtliche Ankunftszeit an seinem Haus. Dann sehe ich wieder aus dem Fenster.
Ein großer Hafen mit Containerkränen. Wenn ich nicht früher schon Bilder gemacht hätte, würde ich jetzt welche machen, für meinen Freund aus der Schweiz, der Kranbilder sammelt. Ob er wohl das große Kranballett kennt, das vor 25 Jahren am Potsdamer Platz in Berlin aufgeführt wurde? Oder die Nachbildung des Brandenburger Tors aus künsterisch bemalten Containern? Ich schreibe ihm und natürlich lautet die Antwort bei beidem Ja. Ich muss leicht grinsen, zum ersten Mal heute.
Wenig später kommt der Zug an. Ich fahre mit der U-Bahn, es sind nur wenige Stationen, dann bin ich direkt an der Wohnung meines besten Freundes. Ich klingle. Schnell öffnet er mir.
“Nina! Schön, dass du da bist!”, ruft Carsten und umarmt mich. Dann bittet er mich herein. Ich bemerke, dass sein Fernseher läuft.
“Seit wann stehst du auf Tennis?”, frage ich Carsten. Er mustert kurz den Fernseher und antwortet: “Seit ich bemerkt habe, dass die eine Spielern beim Abschlag immer einen orgastischen Schrei ausstößt.” Ich lache. “Nein, im Ernst, ich habe einfach durchgezappt, während ich auf dich und das Essen im Ofen gewartet habe.” Carsten ist der beste Koch der Welt, also freue ich mich.
Wir genießen den Auflauf, den er zubereitet hat. “Oh, das schmeckt mir so gut”, verkünde ich, und er sogleich “etwas anderes schmeckt mir aber gar nicht!”.
“Was ist denn los?”
“Seit du an dieser einen Schule arbeitest, wirkst du so niedergeschlagen und schlecht gelaunt.”
“Das wärst du auch, wenn du nonstop mit unfähigen Lehrern, Schülern mit Wutausbrüchen und Lärmproblemen und ständiger Unlust konfrontiert wärst. Und ich habe meinem Chef schon gesagt, dass ich da wegwill, aber er findet gerade nichts Neues.”
“Auf jeden Fall läuft etwas falsch, wenn du nur noch für die Schule und mich aus dem Haus gehst”, sagt er und gießt sich etwas Cola ein.
“Wofür sollte ich auch? Ich wohne mitten im Nirgendwo, wenn ich da vor die Tür trete, sehe ich nur nervige Bratzen von meiner Arbeit und die Freiwillige Feuerwehr.”
“Du könntest ja schauen, ob du wieder wie früher in einen Kampfsportverein eintrittst. Irgendwo gibt es bestimmt was.”
“Dann könnte ich dich auch wieder umlegen, wenn du mal wieder frech wirst”, sage ich und recke ihm mein Kinn leicht entgegen.
Er lacht leise. “So gefällst du mir viel besser.”
Ich lächle. “Vielleicht sollte ich mehr in deine Nähe ziehen, wäre ja vielleicht ganz gut für uns beide.”
“Zunächst haben wir erst mal das Wochenende”, antwortet Carsten gewohnt realistisch. Ich nicke und schaue aus der Balkontür in die untergehende Sonne, Kräne im Hintergrund.

Warum Chormusik toll ist

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Vermutlich mag fast jeder auf der Welt Musik. Aber ich mag sie sehr. Neulich konnte ich sogar das erste Mal als Altistin auftreten. Darum kommt jetzt ein Blogeintrag darüber,

warum Chormusik toll ist.

Harmonien sind großartig – im Leben wie im Singen!

Beweisstück A: Queen – Bohemian Rhapsody.

Ist das nicht einfach nur großartig für die Ohren?

Beweisstück B: Mozart – Lacrimosa.

Das letzte Stück, an dem Mozart von seinem Tod arbeitete. Das meiste wurde von einem seiner Schüler zu Ende geführt. Ich lernte es kennen, als ich eine sehr dramatische Folge von „The Crown“ sah. Ich liebe dieses Stück einfach. Alles ist perfekt.

Man lernt Leute kennen – sowohl Student*innen als auch Ältere.

Monatelang starrte ich auf das tolle Nackentattoo einer Sopranistin des Uni-Chors. Als ich schließlich all meinen Mut zusammennahm und ihr ein Kompliment für das Tattoo machte, strahlte sie sehr. Das war toll.

Jahre später trat ich in den evangelischen Kirchenchor ein. Da lobten mich dann Leute 50plus für meine kräftige Stimme. Das war auch toll.

Chormusik ist Ökumene.

Im Dorf-Chor sind sowohl Evangelen als auch Katholiken vertreten. Die sehr großartige @schibulska, die auch sehr großartige @hanna_unterwegs und ich schickten uns Sopran-, Alt- und Baritongesänge hin und her. Solange man*frau miteinander harmoniert, interessiert auch keinen, welche Konfession oder welches Geschlecht die Mitmachenden auf dem Papier haben.

Es gibt wunderschöne anglikanische Kirchenmusik.

Beweisstück C:

Das Stück gefällt sogar Kalimba spielenden Atheistinnen. (Hallo, Melanie!)

Soft skills verbessern sich dadurch.

Wenn man (wie ich) nicht einfach vom Blatt singen kann, muss man nach Gehör singen. Dadurch lernt man, sich auf die Mitsingenden einzustimmen. (Und die junge Organistin kurz vorm Auftritt zu beruhigen.)

Man wird mutiger.

Es brauchte fast 20 Jahre, bis aus einer nervös dahinstotternden Gymnasiastin eine halbwegs selbstbewusste Frau mit seeeehr tiefem Alt wurde. Aber es hat geklappt.

Es ist inklusiv.

Ich bin letztlich der Meinung: Wenn die Voraussetzungen stimmen, kann jeder singen. Egal ob behindert, nicht behindert, jüdisch, christlich oder was auch immer. (Wer mir nicht glaubt: hier Beweisstück D. https://www.zdf.de/dokumentation/unvergesslich-unser-chor-fuer-menschen-mit-demenz/unvergesslich-106.html )

Schlussfolgerung

Chormusik ist großartig, denn sie dient zur Völkerverständigung und zur Inklusion. Sie verbindet Menschen, die sich sonst nicht mal auf der Straße gegrüßt hätten.

Wiedereröffnung

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Hallo, da bin ich wieder! Ich habe diesen Blog ein wenig umgebaut. Viele Artikel sind gelöscht oder mit einem Passwort versehen. Die E-Mail-Adresse, bei der ihr das Passwort erfragen könnt, findet ihr unter „Kontakt“.

Wie ihr vielleicht schon gemerkt habt, führe ich nun zwei Blogs. Auf meinem Hauptblog „Die Erklärversucherin“ findet ihr nun alle soziopolitischen Artikel und den ganzen Krams, der mich so bewegt. Hier wird es künftig Kunst geben: meine Kurzgeschichten, aber auch meine Collagen, die ich bald zum Verkauf anbieten werde.

Ich hoffe, ihr findet hier vieles, das euch gefällt.

Mit freundlichen Grüßen
Die Kitschautorin

Geschützt: Bye bye

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Endlich ist 2019 vorbei

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1. Ganz grob auf einer Skala von 1 bis 10: Wie war dein Jahr?

Das kann nichts anderes sein als eine 1.

2. Zugenommen oder abgenommen?

*weint leise*

3. Haare länger oder kürzer?

Mehr oder weniger gleich… irgendwie finde ich einfach, dass mir kurz vor schulterlang am besten steht.

4. Kurzsichtiger oder weitsichtiger?

Keine Ahnung.

5. Mehr Kohle oder weniger?

*weint leise*

6. Besseren Job oder schlechteren?

*weint laut*

7. Mehr ausgegeben oder weniger?

*weint lauter*

8. Dieses Jahr etwas gewonnen und wenn, was?

Leider nichts.

9. Mehr bewegt oder weniger?

Weniger.

10. Anzahl der Erkrankungen dieses Jahr?

Ach, hört mir auf…

11. Davon war für dich die Schlimmste?

Neben dem chronischen Zeugs? Das LWS-Syndrom, wegen dem ich stellenweise fast nur noch auf dem Sofa herumlag.

12. Der hirnrissigste Plan?

Das möchte ich hier lieber nicht schreiben.

13. Die gefährlichste Unternehmung?

Die Geburt meines Kindes.

14. Die teuerste Anschaffung?

Mein Kind.

15. Das leckerste Essen?

Keine Ahnung.

16. Das beeindruckendste Buch?

Im Sinne von „einen nachhaltigen Eindruck hinterlassend“? Das wäre dann wohl „Sodom“ von Frédéric Martel.

17. Der ergreifendste Film?

„Der Junge muss an die frische Luft“.

18. Die beste CD?

Ich glaube, ich habe dieses Jahr keine gekauft.

19. Das schönste Konzert?

Lordi, Reload-Festival, 23. August.

20. Die meiste Zeit verbracht mit?

Mit meinem Kind.

21. Die schönste Zeit verbracht mit?

Mit meinem Mann, meinem Kind und einem guten Freund.

22. Zum ersten Mal getan?

Ein Kind bekommen und diverse Dinge, die mit Mutterschaft so verbunden sind. Nach Monaco und Italien gefahren.

23. Nach langer Zeit wieder getan?

Mein altes Gymnasium besucht. Meine Lehrerin der 1. und 2. Klasse kontaktiert. Im Chor gesungen. Nach Frankreich gefahren. Eine Demonstration besucht. Einen bezahlten Artikel geschrieben.

24. Dinge, auf die ich gut hätte verzichten können?

Diverse körperliche Malaisen, schwere Depressionen, Krach mit der Nachbarin, Mann im Krankenhaus, selber im Krankenhaus sein, fremdenfeindliche Aufkleber in meinem Wohnort, Dinge, die ich nicht sehen wollte, einen arroganten Kinderorthopäden, Wehen…

25. Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?

Nicht die Abendschule abzubrechen.

26. Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?

Zeit mit jemandem.

27. Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?

Freie Zeit.

28. Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?

„Ihr Kind ist gesund.“

29. Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?

Keine Ahnung.

30. Dein Wort des Jahres?

Ein Vorname.

31. Dein Unwort des Jahres?

Da ist die Auswahl zu groß.

32. Dein(e) Lieblingsblogs des Jahres?

Da gibts eigentlich nichts.

33. Verlinke deine Rückblicke der vorigen Jahre.

Geschützt: Jahresrückblick 2011

https://kitschautorin.wordpress.com/2012/12/23/soundtrack-of-2012/

https://kitschautorin.wordpress.com/2013/01/01/2013-omfg/

Jahresrückblick 2013

2015, yeh

Da hat man sich grad mal an 2015 gewöhnt

2017, endlich

Endlich ist 2017 vorbei

2019, oho

Mit freundlichen Grüßen und Wünschen für das Jahr 2020

Die Kitschautorin

500 Ideen

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Vor ein paar Jahren habe ich ein wunderbares Buch gekauft. Es trägt den Titel „500 junge Ideen, täglich die Welt zu verbessern“, wurde von Shary Reeves, Jan Hofer (ja, der Tagesschau-Moderator) und Dieter Kronzucker (ja, der Journalist) herausgegeben, und zu einigen dieser Ideen will ich jetzt ein bisschen was aufschreiben.

Idee 11 – Zu cool für Müll

Bevor ich diese Idee gelesen hatte, hatte ich Eis immer nur im Becher bestellt, weil ich die Waffel nicht mochte. Aber jetzt bestelle ich mein Kugeleis nur noch mit Waffel – und sie schmeckt mir komischerweise sogar seitdem!

Idee 21 – Beim China-Imbiss Bäume retten

Ich hatte eigentlich nie viel asiatisch gegessen, bis ich freie Mitarbeiterin bei einem Radiosender wurde – und die bestellten sich dauernd was zum Mitnehmen beim Chinesen um die Ecke. Weil mir das Plastikbesteck da auf die Nerven ging, habe ich mir irgendwann wunderschöne Essstäbchen gekauft.

Idee 50 – Lehrer loben (beigesteuert von Prof. Dr. rer. nat. habil. Astrid Beckmann)

Der Frau, die in der ersten und zweiten Klasse meine Klassenlehrerin war, habe ich einen Brief geschickt, in der ich ihr erklärt habe, was für eine tolle Lehrerin sie mir war. Geantwortet hat sie bis jetzt noch nicht, aber vielleicht kommt das noch. Ansonsten war ich vor zweieinhalb Monaten auf dem Schulfest meines alten Gymnasiums. Was ich gegenüber meiner Lehrerin aus der Neunten und Zehnten nach zwei Cola-Rum herausgekriegt habe, war: „Sie sind cool!“ Was ich eigentlich damit sagen wollte, war „danke, dass Sie sich für mich eingesetzt haben“. Und das hat sie. Sie hat einem Mädchen, das keine Freunde in der Klasse hatte, gesagt, dass es toll ist, weil es so intelligent ist. Und sie hat sich dafür eingesetzt, dass dieses Mädchen nicht sitzenbleibt, weil es sich so hängen ließ.

Idee 63 – Nicht für die Schule, sondern für das Leben (beigesteuert von Lisa Bund)

Wenn ich irgendwo Müll auf dem Boden sehe, nehme ich ihn nicht jedes Mal mit – grundsätzlich sollte jeder seinen Müll selbst entsorgen. Eine Ausnahme mache ich aber: wenn der Müll so liegt, dass jemand darauf ausrutschen könnte. Ich bin auf der Kölner Domplatte mal auf einem Flyer ausgerutscht und habe mir den Fuß verknackst. Das sollte keinem anderen passieren.

Idee 67 – Behinderte Kinder in normale Schulen integrieren (beigesteuert von Andrea Nahles)

Mein ganzer Beruf dreht sich darum. Eine wichtige und sinnvolle Arbeit. Man sollte behinderten Menschen alle Chancen zukommen lassen. Umso wütender macht es mich, wenn man immer wieder versucht, meiner Profession die Relevanz abzusprechen.

Idee 107 – Schönen guten Tag noch (beigesteuert von Katharina Gast)

Meine Mutter hat fast zwanzig Jahre lang als Verkäuferin gearbeitet, ich habe Verkäuferinnen im Freundeskreis. Sie freu(t)en sich sehr, wenn die Kunden nicht bloß muffig, sondern auch etwas freundlich waren. Verbessert(e) ihren Tag.

Idee 117 – Offenheit statt Angst (beigesteuert von Hülya Özkan)

Mein Leben ist definitiv besser geworden, seit ich weiß, wie gastfreundlich Syrer sind. Oder wie gut Iraner kochen können. Oder wie sie über ihre Heimat denken. Oder wie man auf Persisch fragt, wie es einem geht (und antwortet).

Idee 125 – Lachen hilft (beigesteuert von Kester Schlenz)

Natürlich gibt es Dinge, gegen die können Witze nichts ausrichten, aber ich glaube, ein guter Freund von mir hat sich schon gefreut, als ich mich am Telefon mit einer total dummen Ansage meldete und das Ganze ein paar Minuten lang aufrechterhielt. Den Arbeitsstress schien er hinterher nicht mehr ganz so schlimm zu finden. Und ich denke, an jenem einen Tag DDR-Witze nachzuschlagen, war auch besser für mich, als mir weiter Sorgen über diverse Dinge zu machen.

Idee 127 – Sei wirkungsstark wie ein kleiner Vulkan (beigesteuert von Gerlis Zillgens)

Als ich im Unichor sang, starrte ich monatelang immer wieder auf den Nacken eines hübschen Mädels, die dort ein Tattoo trug. Motiv: ein Herz mit integriertem Gleichheitszeichen und dem Wort „equality“. Irgendwann nahm ich all meinen Mut zusammen und sagte ihr nach der Probe, wie cool ich ihr Tattoo fände. Das Strahlen, als sie danke sagte, wars definitiv wert.

Idee 129 – Rechtzeitig umdenken

Gesine Schwan rät: „Versuche, in jedem Gegner den möglichen Partner zu entdecken.“ Als ich das las, musste ich an eine Geschichte von vor ein paar Jahren denken. Ich führte im mittlerweile leider geschlossenen sozialen Netzwerk Neon.de eine erbitterte Diskussion mit jemandem, der eine gleichgeschlechtliche Ehe nicht Ehe nennen wollte. Dieser Mann ist heute einer meiner besten Freunde.

Idee 163 – Kavalier sein (beigesteuert von Marc Dumitru)

Irgendein Abend während meiner Schwangerschaft, ich hatte was mit einem Freund unternommen und wollte danach mit Öffentlichen weiter zu meinen Schwiegereltern fahren. Er brachte mich zum Bahnhof, leider kamen wir etwas zu spät dort an. Aber anstatt mich dort allein eine knappe Stunde warten zu lassen, wartete er mit mir, bis der nächste Zug da war. Und als ich am Zielbahnhof ankam, holte mein Schwiegervater mich dort ab. Mit dem Auto. Damit ich die knapp fünfhundert Meter nicht selbst laufen musste.

Idee 240 – Schnelle Frische

Das ist eine Idee, gegen die ich mal etwas sagen muss, als jemand, der jahrelang gemobbt wurde. Wenn mir jemand ein Minzbonbon anbietet, ist mein erster Gedanke nicht „oh, cool, nehm ich mal“, sondern „der will mir sagen, dass ich stinke“. Und dann habe ich Flashbacks. Ob jetzt ungerechtfertigt oder nicht.

Idee 241 – Echt bei sich selbst ankommen

Auch diese Idee überzeugt mich nicht hundertprozentig. Birgitta Weizenegger plädiert dafür, sich nicht in der virtuellen Welt zu verstecken. Sie selbst habe das lange gemacht, aber es habe sie nicht weitergebracht, im Gegenteil.

Dazu muss ich sagen: Wer im echten Leben jahrelang nur Ablehnung und Gegenwind erfahren hat, ist über das Internet sehr froh. Man kann dort relativ gefahrenlos Menschen kennen lernen, und das wiederum hat mir in der echten Welt sehr weitergeholfen.

Idee 487 – Lesen bringt Frieden

Eva Jung plädiert in Anlehnung auf ein Zitat von Mahatma Gandhi dafür, die Bibel zu lesen, denn dies habe Potenzial, die Welt wirklich zu verbessern. Ich bin zwar Christin, aber ich denke auch, dass „meine“ heilige Schrift nicht automatisch dazu taugt, die Welt zu verbessern. Es kommt auf den Menschen an, der sie liest, und der nutzt sie vielleicht eher als Anlass für Kreuzzüge oder Homophobie.

Habt ihr Fragen oder Anmerkungen? Ab damit in die Kommentare.

Mit freundlichen Grüßen

Die Kitschautorin

Abtreibung

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English version below.

Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Eintrag schreiben soll. Es geht um ein verdammt schwieriges Thema. Aber als ich neulich auf Twitter den xten Account verkünden sah, Abtreibung sei Mord und die Umstände seien egal, wusste ich: Es muss sein.

Ich habe nie abgetrieben, ich werde es wohl auch nie. Aber spätestens seit ich selbst schwanger war, weiß ich: Man kann keiner Frau die Entscheidung darüber aufzwingen. Als Schwangere macht man einen Riesen-Nervenzirkus durch (das ist auch das Problem daran, wenn in die Diskussion eingebracht wird, frau könne ein Kind doch zur Adoption freigeben, statt es abzutreiben). Was frau in der Situation nicht brauchen kann: selbstgerechte Leute, die sie als Mörderin hinstellen, wenn sie das Kind im Bauch nicht wollen.

Sagte ich „selbstgerecht“? Ja, denn es ist so. Die Abtreibungsgegner wissen nichts darüber, unter welchen Umständen die Frau schwanger geworden ist oder in was für einem Leben sie gerade steckt. Ihnen ist egal, ob die Frau vergewaltigt wurde, alleinerziehend wäre, kein Geld hat, um ein eventuelles Kind großzuziehen, krank ist. Das Interesse am Lebensschutz geht immer nur soweit, bis das Kind geboren ist, und dann werden die Frauen, die nicht wie ich mit einem großartigen Ehemann und ausreichend Geld ihr Wunschkind aufziehen, meist allein gelassen und noch mit blöden Sprüchen bedacht.

Ich bin weder Biologin noch Ärztin noch Juristin. Die Fragen, inwiefern ein im Uterus heranwachsender Organismus Leben darstellt oder ob es jetzt Mord bedeutet, wenn man diesen entfernt bzw. entfernen lässt, sollen andere beurteilen. Ich nehme es aber keiner Frau übel, wenn sie abtreibt. Das kann ich einfach nicht. Nicht, seit ich weiß, was eine Schwangerschaft bedeutet.

Und abtreiben werden Frauen so oder so, es wird nie aufhören. Man kann aber zumindest verhindern, dass sie mit heimlichen Abtreibungen bei Pfuschern ihr Leben riskieren.

Wer zu dem Thema noch weiterlesen möchte: Die Juramama hat einen wunderbaren Artikel darüber geschrieben.

Mit freundlichen Grüßen

Die Kitschautorin


I thought long and hard about whether I should write that article or not. It’s on a very difficult matter. But when I recently read the umpteenth account on Twitter proclaiming abortion is murder and the circumstances don’t matter, I knew I had to do it.

I never had an abortion, I most likely never will. But since I was pregnant myself at the latest, I know: One can’t force this decision on any woman. As a pregnant woman, one goes through a huge movement of feelings (this is also the problem when someone asks to consider giving a child up for adoption instead of having an abortion). What women don’t need at all in that situation: self-righteous people making these women out to be murderers if they don’t want the children in their bodies.

Did I say „self-righteous“? Yes because it’s like that. Abortion opponents don’t know anything about the situation in which these women got pregnant or which lives they are having. They don’t care if these women were raped, don’t have the money to raise eventual children or are ill. The interest in life protection just covers the period of time until the children are born and then, the women who, unlike me, don’t raise their planned child with a wonderful husband and a sufficient amount of money are most likely left alone and getting chatted up in an insulting manner.

I’m no biologist or doctor or lawyer. The questions on how an organism in utero represents life and if it’s murder to remove it or have it removed, I leave them for others to judge. But I do not resent any woman having an abortion. I just can’t. Not since I know what a pregnancy means.

And women will have abortions anyway, it will never stop. But one can at least keep them from having abortions in secret and risking their lives because of sloppy jobs.

For any further reading: Juramama wrote a great article (German) on that subject.

Best wishes

The kitsch author

Meine Meinung zu Homöopathie

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Um es kurz und schmerzlos zu machen: Ich bin dagegen. Es wirkt nicht über den Placeboeffekt hinaus und man sollte es nicht verwenden.

Wenn man Kinder hat und denen einfach nur irgendein beruhigendes Mittel gibt, reichen Smarties – sind günstiger und wenn man sie mit genug heiligem Ernst verabreicht, wirken sie genauso. Ja, unser Gesundheitssystem ist krank, aber Homöopathie ist wirklich nicht hilfreich. So geschehen bei Tina Turner. Die gute Dame brauchte eine Organspende, nachdem eine homöopathische Behandlung ihres Nierenschadens zu einer massiven Verschlechterung geführt hatte.

Und wenn jetzt jemand kommt und sagt „der Heilpraktiker hat aber bei mir was heilen können, was der Arzt nicht gefunden hat“, dann spricht das nicht unbedingt für den Heilpraktiker, wohl aber gegen den Arzt. Um Heilpraktiker zu werden, reicht übrigens ein Hauptschulabschluss und man muss nur die schriftliche Prüfung bestehen; es gibt keine staatlich überprüfte einheitliche Ausbildung. Beim Medizinstudium ist das anders.

Ach ja, nur um das klarzustellen: Dass ich gegen Homöopathie bin, widerspricht nicht meinem Weltbild als Gläubige. Es gibt Dinge, die der Mensch sich nicht erklären kann, ich und viele andere schreiben diese Gott zu. Humanheilkunde gehört nicht dazu, denn mit naturwissenschaftlichen Methoden können wir genau herausfinden, was dem Menschen hilft und was nicht. Homöopathie gehört eindeutig zu Letzterem.

Mit freundlichen Grüßen

Die Kitschautorin

Neulich auf Twitter

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Auf Twitter landete ein Artikel des Domradios in meiner Timeline, der thematisierte, dass Papst Franziskus Internetkonzerne für den Kampf gegen Kindesmissbrauch in die Pflicht genommen hat. Ich kommentierte dazu: „Erst mal an die eigene Nase fassen.“ Daraufhin bekam ich Folgendes zu hören:

https://twitter.com/RoswithaSteffe2/status/1195665671016865792

Hatte ich, und genau das hatte ich auch geantwortet, betreffende Nutzerin wünschte sich trotzdem von mir, etwas reflektierter zu argumentieren. Das will ich an dieser Stelle gerne versuchen: Papst Franziskus tut nicht genug, um den unzähligen Fällen von Missbrauch in seiner Kirche beizukommen. Eine Weitergabe von Informationen oder Verdachtsfällen an staatliche Stellen ist nicht vorgesehen. Im Vatikan herrscht ein Klima des Schweigens. Daran sollte Papst Franziskus arbeiten, bevor er Schuld an Internetkonzerne abschieben will. Oft genug kamen missbrauchende Geistliche ungeschoren oder mit lächerlichen Strafen davon. Die ganze Sache stinkt zum Himmel. Um nicht zu sagen: Der Gestank hat Substanz.

Mit freundlichen Grüßen

Die Kitschautorin

Rückgebildet

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Ich gehe mittlerweile zu einem Rückbildungskurs (ja, ich bin mittlerweile Mutter) und möchte auf vielfachen Wunsch eines einzelnen Freundes (ja, ich meine dich) hier ein paar der dort erlebten Geschichten teilen.

Die Leiterin des Kurses ist eine örtliche Physiotherapeutin und grundsympathisch. Weniger sympathisch finde ich allerdings die Kursteilnehmerinnen. Naja, sie sind schon okay, aber es gibt schon Momente, die… seltsam sind.

Eine der Teilnehmerinnen kommt grundsätzlich ohne BH und ständig baumeln ihre Brüste herum, weil sie ihr Jüngstes stillt. Ja, offenes Stillen kann eine tolle Sache sein, aber ich bin halt so prüde, dass ich nicht ständig fremde Brüste irgendwo herumpurzeln sehen will. Und nein, ich kann mich aufgrund der Räumlichkeiten nicht einfach so hinsetzen, dass ich sie nicht sehe.

Eine andere geht regelmäßig zum Osteopathen mit dem Nachwuchs. Kleiner Exkurs: Ich war neulich bei einem extrem arroganten Kinderorthopäden, der extrem stolz auf seine in den USA absolvierte Osteopathenausbildung ist. Warum er die da gemacht haben wird? Weil er sich dort dafür, anders als in Deutschland, mit dem Medical-Doctor-Titel schmücken darf. Die Wirksamkeit davon ist halt nicht wirklich nachgewiesen. Leider gibt’s genug Kassen, die das zahlen. Naja.

Dieselbe Frau nimmt auch Globuli fürs bessere Stillen. Und auch sonst gab es Momente zum Augenrollen:

Teilnehmerin: Wie schaffen es Frauen wie Heidi Klum nur… die hat vier Kinder und trotzdem schon wieder so ’nen flachen Bauch.

Fysiotherapeutin: Mit ’nem guten OP-Team.

Teilnehmerin: Eeeeeecht?

Und an einem anderen Tag erzählte sie vom Konzept des Natural Bleeding. Ich will das hier nicht genauer ausführen, es ist echt eklig. Aber am stärksten war, dass die Frau das völlig ohne Argwohn in der Stimme erzählte… als würde sie für möglich halten, dass das tatsächlich funktioniert.

Naja, mal sehen, was im Kurs noch alles so passiert. Will keep you posted.

Mit freundlichen Grüßen

Die Kitschautorin