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Geschützt: Religionsunterricht

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Sechswortgeschichte

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Ich wollte wieder einmal eine Dreiwortgeschichte schreiben und habe auf Twitter nach Wortvorschlägen gefragt. Die Ergebnisse habe ich kurzerhand in einer Sechswortgeschichte verarbeitet. Vielen Dank an Des_Roin und Angriffsvektor für die Vorschläge!

 

Niemand wusste, was für ein Tag war. Ich hatte auch nicht vor, es irgendjemandem zu sagen. Was sollte es bringen? Ich versuchte einfach, mir einen schönen Tag zu machen. Aber das hätte ich auch an jedem anderen Tag versucht.
Es war ein sehr warmer Tag. Aus Sicht eines jeden anderen Menschen wäre das übertrieben gewesen. Alle anderen Menschen hätten gesagt, es wäre knallheiß. Aber ich hatte nun einmal einen etwas komischen Körper. Ich war ziemlich unempfindlich, was Temperaturen anging. Woher das wohl kam?
Ich hatte nichts zu tun, ich war allein. Und es war warm. Daraus folgte zwangsläufig, dass ich mich in die örtliche Groß-Eiswassertonne, sprich: ins Freibad begab. Doch zuvor musste ich mich noch eincremen. Ich hatte zwar kein gutes Temperaturempfinden, das hinderte meinen Körper aber nicht daran, bei mehr als zehn Minuten Sonne eine unangenehme krebsrote Färbung einzunehmen. Und so musste ich eben jeden Sommer der Sonnencremeindustrie einen Haufen Geld für 50er in den Rachen werfen. Ich schmierte mich also mit weißem Zeug ein, hoffte, dass ich keine Stelle vergessen hatte, und warf mich in Schale. Naja. In blaue Badebekleidung.
So gut sah ich darin nicht aus, aber das sollte mich nicht daran hindern, Bewegung im kühlen Nass zu suchen. Während ich noch einen Rock und ein T-Shirt überstreifte, überprüfte ich, ob ich etwas vergessen hatte. Das kam häufiger mal vor. Hatte ich nicht. Gut. Dann los.
Die warme Luft strich an mir vorbei, während ich auf dem Fahrrad Richtung Freibad rollte. Es fühlte sich eigenartig an. Ich rollte über die Flussbrücke und sah aus den Augenwinkeln, wie ein paar Männer am Ufer ihrem geliebten Fangsport nachgingen.

Ich erinnerte mich daran, wie ich bei meinem Opa in der Garage stand. Zwischen 80er-Jahre-Nacktpostern und Werkzeugen hatte er mir erklärt, wie seine Angel funktionierte. Und dass sie schweineteuer gewesen war. Ich wusste noch genau, wie sehr sie mich interessiert hatte. Naja, mit acht Jahren interessiert einen fast alles, was man nicht wirklich anrühren durfte. Mein Opa hatte mir viel gezeigt und mit mir viel gemacht. Er hatte mich auf dem Roller mitgenommen zum Brötchenholen. Allerdings war er nur komische Schleichwege gefahren, weil ich vorne sitzen musste und das eigentlich verboten war. Und er hatte mir zum Geburtstag immer einen Fünfziger geschenkt. Mittlerweile war es mit den Abenteuern wie auch mit dem Geburtstagsgeld eh vorbei, er lag seit drei Jahren in kalter mecklenburgischer Erde.
Ich zuckte mit den Schultern und fuhr in die Allee ein, in der das Freibad lag. Die Kassiererin verlangte beim Eintritt meinen Studentenausweis. Sie musterte ihn, dann riss sie ihre Augen auf.
„Alles G-“
„Schon gut“, winkte ich ab, nahm die Eintrittskarte und ging davon. Rasch zog ich in der Umkleide meinen Rock und mein T-Shirt aus. Dann schnappte ich meine Badutensilien und betrat das Bad.
Ich ließ mich auf der Wiese nieder und merkte ziemlich schnell, dass Zigarettenrauch in meine Nase stieg. Für einen Abend in einer Bar vielleicht ganz en chaud, aber nicht für einen Tag im Freibad. Ich nahm mein Handtuch und verzog mich ein paar Meter weiter unter einen schattigen Baum.
Ein Schluck aus der Wasserflasche, dann ging ich zum Becken. Ich hoffte, dass sie sich nicht in Heißwasser verwandelt haben würde, bis ich zurück war. Es könnte passieren.
Ich schwamm Bahnen vor mich hin und fühlte mich sofort in meinem Element. Wenn ich im Wasser war, vergaß ich immer alles andere.
Nachdem ich einen Kilometer geschwommen war, trieb es mich ins Nichtschwimmerbecken. Dort ruhte ich mich ein wenig aus. Einfach am Rand hängen. Und die Beine kreisen lassen.
Auch wenn ich es mir vielleicht gewünscht hatte, war ich nicht so alleine. Und so schwamm, ich weiß nicht, wie viel Zeit zwischenzeitlich vergangen war, ein ungefähr zehnjähriges Mädchen vorbei. Ich musste meine Beine einklappen, sonst hätte sie mich gerammt.
Ich blickte um mich. Ein paar andere Menschen waren noch im Wasser. Und auf einmal ertönte direkt hinter mir eine männliche Stimme.
„Weitermachen.“
Ich drehte mich um und erblickte den Bademeister, der mich anlachte. Ich lachte zurück und setzte meine Beine wieder in Bewegung.
Ich beobachtete ihn. Kurze, blonde Haare, ein orangefarbenes T-Shirt, blaue Shorts und eine Sonnenbrille. Nicht schlecht. Ob er noch länger hier arbeitete?
Ich beobachtete ihn noch eine ganze Weile, rutschte an ihm vorbei, schwamm in seine Richtung und wieder weg, bis ich das Becken verließ und mich auf meinem Handtuch ausstreckte. Das Mineralwasser war inzwischen lauwarm. Ich starrte in den blauen Himmel. Keine Wolke zu sehen.
Ich hob meinen Kopf leicht. Da drüben war die Imbissbude. Schwimmbekleidete Leute holten sich Eis, Pommes und Würstchen – und sahen teilweise selber so aus wie Bratwürstchen. Wohl zu lange in der Sonne gewesen. Nicht, dass sie am Ende noch verbrannten. Ich wusste, wie sich das anfühlte.
Gerne wäre ich noch weiter im Schatten geblieben, aber langsam überkam mich der Wunsch nach etwas in den Magen und etwas Unterhaltung. Und so stand ich auf, kaufte mir ein Eis mit Schokoladenhülle und holte mein Handy aus dem Schließfach. Dann legte ich mich wieder hin.
Ich genoss den süßen Geschmack, der sich auf meiner Zunge breitmachte. Und es war nicht nur süß, es war auch kalt. Was half, mich vom Schwitzen abzuhalten.
Ich schaltete mein Handy wieder an. 3 neue Nachrichten. Ein Urlaubsfoto von meiner besten Freundin, ein verpasster Anruf von meiner Oma und eine Nachricht von Tim.
Na, was machst du an diesem schönen Tag?
Er wusste, was für ein Tag heute war. Hatte sich aber dafür entschieden, nichts direkt zu sagen. Sehr gut. Hatte ich mir ja auch verbeten.
Bin im Freibad und du?
Oh, da wäre ich ja gerne dabei, schrieb er postwendend zurück. Das glaubte ich ihm sofort.
Glaubst du, das wäre eine gute Idee?, schrieb ich.
Naja, du dürftest dich halt dann nicht wundern, wenn ich eine mega Erektion bekomme, lautete die nächste Nachricht in meinem Postfach.
Ich lachte auf. Das war wieder typisch für ihn. Siehste, genau das meinte ich, antwortete ich und legte mich wieder hin.
Ich musste zugeben, dass mein Leben ziemlich langweilig gewesen war, bis ich ihn kennen gelernt hatte. Klar, er war nicht der Erste gewesen, der an mir Interesse bekundet hatte, aber trotzdem tat es ziemlich gut. Außer wenn er es mal wieder zu weit trieb.
Gelegentlich hatte ich auch einfach das Gefühl, ihn nicht zu verstehen, nicht schlau aus ihm zu werden. Ich wusste manchmal nicht, ob ich es toll finden sollte oder nicht. So sehr mir die Anziehung gefiel, manchmal schreckte ich auch zurück. Liebe konnte ich von ihm jedenfalls nicht erwarten, das war mir klar. Manchmal fand ich das nicht schlimm. Manchmal dachte ich, warum schreibe ich mit jemandem, für den ich eh nur eine willkommene Ablenkung bin?
Ich seufzte und starrte in den blauen Himmel.
Wahrscheinlich hatte es damit zu tun, dass ich einfach nach Aufmerksamkeit gierte und mich darüber freute, wenn mich ein Kerl geil fand.
Ich reckte den Kopf, ich lächelte den Bademeister an, der lächelte zurück. Ich legte den Kopf wieder zurück.
Mein Handy vibrierte.
Schade, du würdest es nicht bereuen.
Ich flirtete gerne ein wenig. Und ab und zu gab es einen Kerl, der da nicht schreiend wegrannte. So wie Tim eben. Ich freute mich darüber, wenn ich eine positive Reaktion bekam. In meinem Kopf war ich immer noch das kleine, hässliche Mädchen, das keiner leiden konnte, schlecht im Sport war und eine Zahnspange trug. Furchtbar, das Ding…
Ich schüttelte mich kurz, stand auf, packte das Handy zurück ins Schließfach und sprang wieder ins Sportbecken.
Schwimmen war der einzige Sport auf der Welt, der mir gefiel und den ich einigermaßen beherrschte. In meiner Jugend war ich mal Basketballfan gewesen, aber da hatte ich mich auch eher aufs Gucken beschränkt. Mit einer Größe von einsfünfundsechzig konnte man aktiven Basketball auch eher vergessen. Meine beste Freundin hatte mich vor ein paar Jahren mal zum Lacrossetraining eingeladen. Auch toll zum Ansehen, aber mehr auch nicht. Und so verlagerte ich mich eben aufs Schwimmen. Freibad im Sommer, Hallenbad im Winter. Und wenn ich es mir leisten konnte, fuhr ich ans Meer.
Ich zog meine Bahnen durchs Becken und erblickte dabei am Horizont die Kirche. Wie gut, dass ich da nicht mehr reinmusste, das war ja früher das Sonntagsritual gewesen in meiner Familie. Seit ich da ausgezogen war, zwang mich keiner mehr dazu. Und keiner zwang mich dazu, was zu glauben.
Die Kirche war nicht das einzige Sonntagsritual in meiner Familie gewesen. Sonntagabends hatten wir immer alle zusammengegessen und „Die Fallers“ geguckt. Es war die Lieblingsserie meiner Oma. Das heißt, Vaters Mutter. Sie war zu uns ins Haus gekommen, nachdem Opa gestorben war, und sie bestand darauf, ihre Lieblingsserie zu gucken, jeden Sonntagabend. Und da sie kaum noch hören konnte, war der Fernseher immer extrem laut. So wusste jeder, der sich im Haus aufhielt, irgendwann zwangsläufig genau, was in der Serie jetzt wieder abging. Ob Caro Sonntag ihren Sohn mittlerweile dem Vater gezeigt hatte? Wollte Oma mir bestimmt erzählen, als sie mich vorhin angerufen hatte. Oder es hatte mit dem heutigen Tag zu tun. Wobei ich mir das verbeten hatte, aber so was hatte Oma noch nie interessiert.
Ich packte mein Zeugs wieder zusammen, zog mich wieder an und verließ das Schwimmbad. Auf dem Heimweg überlegte ich, was ich mit dem Rest des heutigen Tages anfing. Morgen musste ich wieder los. Ich seufzte laut. Das war ein weiterer Grund, warum ich Sonntage immer gehasst hatte. Immer schon die Schrecken des Montags im Nacken. Und ich musste noch das Seminar vorbereiten. Ich war morgen mit einem Referat dran, für das ich unbedingt noch ein Youtubevideo raussuchen musste. Ob es Youtube noch geben würde, wenn ich eines Tages wirklich mal in einer Klasse stand und Biounterricht gab? Ich wusste es nicht.
Zu Hause angekommen öffnete ich meinen Briefkasten. Außer einem Werbebrief von WWF war aber nichts drin. Wie langweilig. Ich ging in meine Wohnung und setzte mich auf mein beiges Sofa. Ich öffnete den WWF-Brief, der mich von der Wichtigkeit des Artenschutzes überzeugen wollte, der natürlich nur mit einer Spende an diese Organisation funktionieren würde. Dann legte ich ihn weg. Eine ganze Weile lang lauschte ich der Stille. Dann seufzte ich.
Ich öffnete den Laptop. Nützte ja alles nichts. Ich suchte in meinen Unterlagen nach dem Video über Evolution, das ich der Seminargruppe morgen im Referat präsentieren wollte. Hatte ich es nicht hier irgendwo in den Unterlagen abgespeichert? Ich suchte im Fotoordner nach dem Link. Irgendwann hatte ich mir mal den Tick mit dem Handy-Bildschirm-Abfotografieren angewöhnt. Hier war es nicht. Statt dem erwünschten schlechten Screenshot hatte ich nur ein Foto von der letzten Silvesterparty gefunden. Eine blaue Flamme.
Blaue Flamme? Silvesterparty? Was war das noch gleich?
Ach, richtig. Meine Freunde und ich hatten Feuerzangenbowle gemacht. Ich erinnerte mich dunkel daran, dass ich den Arm um Tim gelegt hatte und ihm halbbetrunken versucht hatte, zu erklären, dass unser Chemielehrer im Unterricht Feuerzangenbowle gemacht hatte und warum das nicht gut war. Man hätte den Karamellisierungsprozess ja auch anders erklären können oder so ähnlich, wollte ich ihm weismachen.
Ich schüttelte mich kurz und suchte weiter. Da vibrierte mein Handy.
Kommst du vorbei?
Ich muss unbedingt noch das Referat zu Ende vorbereiten, antwortete ich Tim. Nicht mitgeschriebener Untertitel: Glaubst du eigentlich, ich habe sonst nichts zu tun? Du bist nicht der wichtigste Mensch auf dem Planeten. Ich recherchierte weiter.
Mein Handy vibrierte.
Nanu, ein Foto?
Eine Weinflasche. Und darunter eine Nachricht.
Schade, ich hatte nicht vor, die allein zu trinken. ;D
Ich grinste, klappte meinen Laptop zu und zog mir ein schönes Kleid an. Dann fuhr ich los.

Krümelmonster, Teil 7

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Es war Hannes.

Er war ein Bild von einem Mann.

Er hatte einen Traumkörper. Hatte nicht mal irgendjemand erwähnt, dass er Sport studierte?

Da er mir den Rücken zugewandt hatte, bemerkte er mich nicht. Er seifte sich gerade mit diesem unheimlich gut riechenden Männerduschgel ein.

Das Seifenwasser rannte ihm Blasen werfend den Rücken herunter. Wie gebannt starrte ich auf diese Rinnsale.

Mein Gehirn sagte mir, dass ich den Vorhang jetzt besser schließen sollte. Aber ich konnte nicht.

Und da drehte er sich um.

Er sah mich an.

Ich sah ihn an.

Das Wasser rannte seinen Körper runter.

Absurderweise bemerkte ich gerade, dass er grüne Augen hatte. Ich erinnerte mich plötzlich an einen Augenblick vor sechs Jahren, in dem Anna und ich im Klassenraum der damaligen 9c über unsere Traummänner diskutiert hatten. „Und er muss auf jeden Fall grüne Augen haben!“, hatte ich damals zu ihr gesagt, das wusste ich ganz genau.

Er sah mich immer noch an.

„Oh, äh, hi, ich wollte nur, äh, duschen…“, stammelte ich.

Er sah mir intensiv in die Augen. So intensiv hatte mich noch nie in meinem Leben jemand angesehen. „Weißt du, dass du unheimlich attraktiv aussiehst?“

„Das Gleiche kann ich von dir behaupten…“

Ich ließ mein super duftendes Orangenblütengel und den dämlichen Waschlappen fallen. Mit einem leisen Geräusch kamen sie unten an. In dem Augenblick war kein Laut mehr zu hören, nirgendwo.

Dann ging alles ganz schnell. Er fasste mich am Hals und zog mich in die Duschkabine, an sich und küsste mich intensiv. Mit Zunge. Das hatte ich überhaupt noch nie getan. Die Dusche verteilte ihr Wasser über uns und machte mich samt Handtuch total nass. Aber das war mir egal. In meinem Kopf explodierten Funken. Er wanderte mit seinen Lippen vom Mund zur Wange, den Hals herunter, und wieder zurück. Mit der einen Hand hielt er mich im Arm, mit der anderen drehte er das Wasser ab.

Wir stolperten über den Zimmerflur und pressten dabei die Körper eng aneinander, sodass mein Handtuch weiterhielt, obwohl es sich eigentlich schon gelöst hatte. Mehrmals liefen wir dabei gegen die Wand, denn die Augen hielt ich beim intensiven Küssen geschlossen. Irgendwie schaffte er es, die Zimmertür zu öffnen und uns beide auf sein riesiges Bett fallen zu lassen. Er zog mir das Handtuch, das schwer wie Blei auf mir lag, vom Körper. Dabei kam er nicht nur zufällig an meine Brüste, die er streichelte und mit der Zunge liebkoste. Es fühlte sich so gut an. Seine Hände berührten mich am ganzen Körper und ließen mich glauben, ich wäre im Paradies. Es fühlte sich an, als bestünde ich aus einem Eisberg, in dem ein Feuer war, der den Berg zum Schmelzen brachte. Meine Hände gingen auf Erkundungsreise und wanderten auf seiner Haut herum. Sie war gleichzeitig heiß und kalt, genauso wie ich. Ich bewegte meine Hände vom Rücken, auf dem ich einige erregte Kratzer hinterließ, zu seiner unteren vorderen Mitte und tastete mich dort entlang. Auch das hatte ich noch nie gemacht und es war ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Eigentlich hatte ich es mir nie richtig vorgestellt. Trotzdem schien es ihm zu gefallen, denn er stöhnte auf und wurde auf einmal noch wilder. Er küsste mich von meinen Brüsten abwärts, über die Hüften bis auf die Beine und die Innenseiten meiner Schenkel hoch. Mir liefen Schauer über den Rücken. Jetzt streichelte er mich in der unteren Mitte meines Körpers und brachte dort Gefühle zum Vorschein, die ich noch nie gehabt hatte und so unendlich gut taten. Ich massierte seinen ganzen Körper, besonders die eben erwähnte Stelle, und er bäumte sich auf und ließ mich seine gesamte Männlichkeit spüren. Wir wurden beide immer lauter und immer erregter. Jetzt langte er mit der rechten Hand unter sein riesiges Bett, dessen Breite wir voll auskosteten, und streifte sich das, was er dort fand, über. In einen Pariser verpackt, fühlte er mit seinen wundervollen Händen kurz vor und war in mir. Es war in jeder Hinsicht, so sagten die Franzosen, wie ein kleiner Tod. Es tat weh, aber das merkte ich kaum, weil ich so unter Strom stand und sich in meinem Kopf ein ganzes Feld von Blumen auftat, ich schloss die Augen und mir entfuhr ein lauter, lustvoller Schrei. Irgendwann sank ich ermattet zusammen und er ließ sich neben mich fallen. Er küsste mich auf beide Seiten meines Halses und dann auf den Mund.

„Na, hat es dir gefallen?“, fragte er mich und streichelte dabei über meine Haare.

„Es war das Schönste, was ich je erlebt habe“, seufzte ich glücklich.

„Hast du denn überhaupt schon mal…?“, fragte er mich und betonte dabei das hast auf eine besondere Weise.

„Nein. Aber ich könnte mir nicht vorstellen, dass es jemals schöner werden könnte…“, antwortete ich und schloss die Augen. Es war bereits ziemlich spät, das Erste, was ich wieder bewusst mitbekam.

„Du bist ja ziemlich müde, meine Hübsche“, flüsterte er mir ins Ohr.

„Du hast mich auch ins Schwitzen gebracht“, murmelte ich und zwinkerte ihm zu. „Machst du das eigentlich immer?“

„Was meinst du?“

„Mit einer anderen schlafen, obwohl du vergeben bist?“

Jetzt setzte er sich auf und vergrub sein Gesicht in beiden Händen. „Die Beziehung mit Kati ist immer schwieriger geworden. Ich habe mit ihr Schluss gemacht und sie ist heute Morgen gefahren. Sie wird nie wiederkommen. Und wenn ja, dann ist es mir egal, denn sie bedeutet mir überhaupt nichts mehr.“

In dem Augenblick knallte eine Tür. Wir beide zuckten zusammen, besannen uns aber wieder auf uns beide.

„Dass sie einen Mann wie dich nicht zu schätzen weiß, war ja klar“, brummte ich und lächelte ihn an.

Dann gähnte ich. „Du solltest wirklich schlafen. Sonst kommst du morgen nicht rechtzeitig in die Uni, meine Hübsche“, wisperte er mir zu.

„Die Uni ist mir so was von egal“, rief ich und zog ihn zu mir runter, da ich ihm noch einen Gute-Nacht-Kuss geben wollte, und was für einen…

 

Am nächsten Morgen war mein ganzes Leben irgendwie anders. Habt ihr, verehrte Leser, mal den Film „Die fabelhafte Welt der Amélie“ gesehen? Dort fand die Protagonistin Selbsterfüllung, indem sie einem Menschen, der früher in ihrer Wohnung gelebt hatte, Schätze aus seiner Kindheit zukommen ließ. Sie ging durch Paris, die Sonne schien, und sie war vollkommen im Einklang mit sich selbst. Genauso ging es mir jetzt. Ich lief durch Frankfurt, die Sonne schien für mich, obwohl es in Wahrheit bestimmt regnete, und ich fühlte mich unheimlich toll. Die Uni überstand ich wie nichts, stellte in der Vorlesung Dutzende Fragen, war also unheimlich präsent, arbeitete sogar gerne in meiner eigentlich aufgezwungenen Arbeitsgruppe mit. Sonst fand ich meine Kommilitonen immer voll nervig, aber jetzt fand ich sie so interessant wie sonst was. „Was ist denn mit dir los?“, fragte dieses blonde Mädchen, dessen Namen ich nie wusste, und ich antwortete: „Ich bin heute einfach supergut drauf.“

In der Mittagspause traf ich in der Mensaschlange, dessen Länge mir natürlich überhaupt nichts ausmachte, auf Anna.

„Sag mal, was ist denn mit dir los?“, wollte sie neugierig wissen.

„Das bleibt mein kleines Geheimnis“, antwortete ich und zwinkerte ihr, immer noch dauergrinsend zu.

Irgendwann verriet ich es ihr schließlich. „Hannes und ich haben, du weißt schon…“ Kicher!

„Nein, nicht wirklich, oder?“ Anna riss die Augen vor Erstaunen weit auf.

„Doch!“ Ich nickte grinsend mit dem Kopf.

„Wie, ernsthaft?“

„Ja, natürlich ernsthaft!“

Anna machte immer noch große Augen. Doch dann erfolgte nicht die Reaktion, die ich erwartet hätte. Ich dachte eigentlich, sie würde jetzt so etwas sagen wie: „Wow, du hast zum ersten Mal mit einem Mann geschlafen? Toll!“ Oder so etwas in der Art. Stattdessen kam von ihr nur der Kommentar: „Au Backe!“ und sie nahm ihr Gesicht in ihre Hände.

„Was ist denn los?“, fragte ich, nun nicht länger lächelnd.

„Du fragst mich, was los ist?“ Anna schaute mich an. „Du verschwendest deine Jungfräulichkeit an so einen Typen? Stadtbekannter Casanova? Der hatte schon mit so ziemlich jeder Frau an der Uni was, einige Dozentinnen mit eingeschlossen. Und jetzt kommst du an und lässt dich auch noch in seinem Portfolio auflisten? Oh Mann, ich hätte dich eigentlich für intelligenter gehalten.“

„Ich weiß doch auch nicht, was da passiert ist“, verteidigte ich mich. „Es war höhere Gewalt. Der kam einfach so in mein Zimmer und hat mich vollgequatscht und ich hab ihn rausgejagt… Aber als wir uns dann in der Dusche getroffen haben, da…“

„Wie, ihr habt euch in der Dusche getroffen?“, wollte Anna wissen.

„Na ja, ich wollte halt duschen gehen und da hab ich den Vorhang aufgerissen, und er stand da nackt und dann kam eins zum anderen…“, erzählte ich.

„Eins kam zum anderen, soso. Na ja, ich hoffe nur, dass es dir nicht am Ende so geht wie all den anderen armen Tussis.“

„Wie meinst du das?“

„Nun ja“, sagte Anna und nahm sich einen Teller Gemüsemaultaschen von der Anrichte, „der reißt halt ständig eine auf und lässt sie dann wieder fallen.“

Während ich mir ebenfalls Gemüsemaultaschen auftat, fragte ich: „Glaubst du, das hat mich in dem Moment interessiert? Ich hab ja auch nicht darüber nachgedacht, ob Hannes und Kati jetzt noch zusammen sind oder nicht.“

Wir bezahlten unser Essen und nahmen unser Besteck.

„Das weiß man bei den beiden nie so genau. Die haben so eine On-Off-Beziehung…“ Anna setzte sich an einen Tisch und ich tat es ihr gleich. „Alles, was ich dir sagen wollte, ist doch: Pass auf, dass du dich nicht in den Typen verliebst, der ist gefährlich. Und nimm dich in Acht vor Kati. Mit der ist überhaupt nicht gut Kirschen essen.“

„Ich wollte doch nicht gleich eine Beziehung mit ihm anfangen“, lachte ich. „Und vor der dummen Pute hüte ich mich doch. Die kann mir gar nichts.“

Wo ist die Liebe hin?, Teil 1

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Vor einigen Jahren begann ich eine Reihe über eine junge Frau namens Sara und stellte die entstandenen Teile auf neon.de hoch. Da ich den Account vor einiger Zeit gelöscht habe, wird die Geschichte nach und nach hier zu lesen sein. “Wo ist die Liebe hin?” ist der zweite Teil der Reihe. Viel Spaß beim Lesen.

Da rein und da raus. Da rein und da raus. Immer und immer wieder. Es gibt wohl keine Altersgruppe, die diesen Spruch so verinnerlicht hat wie die Gruppe der Kinder und Jugendlichen. Wie oft steht man als Kind oder auch Jugendlicher irgendwo herum und muss sich von den Eltern anmeckern lassen? Die einzige Möglichkeit, die man dann noch hat, ist, die Ohren auf „Da-rein-und-da-raus“ zu stellen. In ein Ohr gehen die elterlichen Ermahnungen herein, zum anderen gehen sie wieder heraus. Und der Nachwuchs denkt: Mich geht das alles nichts an.

So was hatte ich neulich auch. Und ich bin nicht die Einzige aus meiner Familie, die so etwas erleben muss. Meine Schwester Lea lebt immer noch bei uns, obwohl sie schon zwanzig ist und mittlerweile studiert. Sie muss sich von unseren Eltern und unserer Oma so einiges anhören. Ich auch. Vielleicht kommt es mir nur so vor, aber ich habe den Eindruck, als würden sie unseren siebenjährigen Bruder Paul verschonen.

Jedenfalls saß ich neulich in meinem Zimmer und wollte auf keinen Fall gestört werden. Ich musste nämlich für mein Abitur lernen. Die erste Prüfung fand schon in zwei Tagen statt, also war es richtig eng. Gott sei Dank hatte ich rechtzeitig angefangen. Ich hatte schon von Kollegen gehört, die gestern erst angefangen hatten. Die lernten einfach die Nächte durch, dann würde es gehen. Sagten sie.

Ich dagegen nahm das Lernen fürs Abitur ernst. Jeden Tag hatte ich mich mindestens eine Stunde an den ganzen Stoff gesetzt. An diesem Tag, von dem ich jetzt erzählen will, saß ich bereits so lange lernend am Schreibtisch, dass ich im Lernstoff richtig versunken war.

Ich saß gerade an der Fotosynthese. Ein ätzendes Thema. Wie sollte ich das jemals verstehen? Ich hatte nur noch wenige Tage, um das hinzukriegen. Die Zeit war knapp.

Moment! Mir ging grade ein gewaltiges Licht auf! Es müsste doch so sein, dass –

„Sara! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du den Müll rausbringen sollst? Und die Küche hast du auch noch nicht aufgeräumt! Und im Bad stapelt sich deine dreckige Wäsche! Muss ich dir eigentlich alles tausendmal sagen? Immer muss ich alles hinter euch herräumen! Ich hab’s ja auch noch nicht schwer genug in meinem Beruf!“

Ich war stockwütend. Wozu klebte ich eigentlich ein Bitte-nicht-stören-Schild an meine Zimmertür, wenn es sowieso ignoriert wurde? Wieso kümmerte sich keiner darum, dass ich kurz vor meinen Abiturprüfungen stand und lernen musste?

Wie eine Furie hetzte ich durch die Wohnung und erledigte alles so schnell wie möglich, nur damit ich vielleicht mal in Ruhe gelassen wurde.

Das Letzte, was ich machte, war, die Küche aufzuräumen. Ich knallte das Besteck in die Schubladen, als wäre es an meiner Wut schuld.

Das Verhalten meiner Familie war verdammt kontraproduktiv. Wie oft sagten sie mir, dass ich lernen müsse, um einen guten Schnitt zu erreichen? Und als Nächstes hinderten sie mich am Lernen. So ein Mist!

Mit Schmackes warf ich ein Messer in die Schublade. Da kamen meine Mutter und meine Oma in die Küche.

„Kind! Sei etwas vorsichtiger mit dem Besteck!“, meckerte Oma.

„Wir wollen das Besteck auch noch ein bisschen länger behalten!“, pflichtete Mama bei.

Da war das Maß voll. Erst hinderten sie mich am Abi-Lernen und dann traten sie auch noch nach. Wäre ich eine Comicfigur gewesen, hätte mein Kopf jetzt die Farbe von Tomaten angenommen, Dampf über die Ohren abgegeben und ein Geräusch abgesondert, als würde das Wasser in einem Teekessel sieden.

Gut, dass ich sowieso fertig war. Ich knallte die Schublade so laut zu, dass man es bestimmt noch in Leas Zimmer hörte.

„Sara!“, rief meine Mutter, wahrscheinlich, um erzieherische Strenge vor meiner Oma zu demonstrieren, von der sie nicht besonders gemocht wurde.

Nun rief ich es ihnen ins Gesicht. „Nein! Lasst mich bitte in Ruhe! Ich muss für mein Abitur lernen und bitte darum, nicht gestört zu werden!“

„Junge Dame!“, rief nun meine Oma. Diesen Ausdruck konnte ich gar nicht leiden. Er klang in meinen Ohren viel zu autoritär.

„Du hast in diesem Haus Pflichten zu erledigen!“

„Meine oberste Pflicht ist es doch, ein gutes Abitur zu schaffen. Habt ihr doch beim Mittagessen erst gesagt“, hielt ich ihnen vor, während ich auf der Treppe stand und sie anschaute.

Worauf meine Mutter nur entgegnete: „Nun werd nicht noch frech!“

Noch so ein toller Elternsatz. Einfalls- und verständnislos.

Ich wurde noch wütender. Der Geduldsfaden riss mir endgültig, als erst Lea vorbei lief und mich fragte, wann ich ihr denn endlich den Pullover zurückgab, den sie in Wahrheit schon vor drei Wochen zurückbekommen hatte, und dann Paul mit einem Schulfreund das Haus betrat und auf meine Jacke trampelte, die nun ein dicker fetter Schuhabdruck zierte.

„Ahhh! Das ist ja nicht zum Aushalten!“ Ich stiefelte wie Rumpelstilzchen in mein Zimmer, packte alles Nötige in meine Tasche und rannte zur Haustür.

„Sara! Du bleibst noch hier! Du hast noch längst nicht alles erledigt!“

„Ich weiß!“, fauchte ich und knallte die Tür zu. Ich hörte noch einige Wortfetzen von meinen Geschwistern: „Was hat die denn?“

„Darf Sara jetzt weggehen?“

„Nein, eigentlich nicht“, sagte meine Mutter zu meinem jüngeren Bruder.

Unterwegs dachte ich nach. Im Grunde hatte Mama sich nicht wirklich verändert, seit sie vor knapp einem Jahr wieder angefangen hatte, zu arbeiten. Sie wirkte noch abgespannter, wenn sie nach zehn Stunden in der Praxis nach Hause kam, aber das war auch schon alles.

Ich kam an der Straßenbahnhaltestelle an und stieg in die Bahn ein. Mein Ziel war meine beste Freundin Anna. Bei ihr konnte ich bestimmt in Ruhe das Gelernte wiederholen.

Drei Stationen fuhr ich, dann war ich da. Praktischerweise wohnte sie direkt gegenüber der Haltestelle. Ich drückte auf die Klingel.

„Hey, das ist ja ’ne Überraschung!“ Anna umarmte mich zur Begrüßung, dann forderte sie mich freundlich auf, doch hereinzukommen und nahm in ihrem Zimmer auf einem orangefarbenen aufblasbaren Sessel Platz.

„Es ist ja schon lange nicht mehr vorgekommen, dass du so unangemeldet bei mir vorbeischneist. Was ist denn passiert?“

Nun setzte ich mich auch hin, auf ihren Schreibtischstuhl im Stil der 60er-Jahre. Wieso hatte ich mir nicht auch so einen Stuhl besorgt?

Ich schilderte ihr meine häusliche Lage. „Es ist total ätzend! Heute wollte ich einfach nur in Ruhe für die Prüfungen lernen. Ich saß gerade an der Fotosynthese und du weißt ja, Bio kann ich überhaupt nicht. Ich war gerade dabei, es zu kapieren, als meine Mutter ins Zimmer kam und mich angemeckert hat, dass ich nichts mehr für den Haushalt tue. Dabei hatte ich doch extra ein Schild an die Tür gehängt: Bitte nicht stören. Und als ich ihr das gesagt habe, ist sie ausgeflippt. Was kann ich eigentlich dafür, dass sie so einen Stress im Beruf hat? Hat sie ja keiner zu gezwungen!“ Ich holte tief Luft.

„Meine Güte, das ist ja ganz schön heftig“, stöhnte Anna. In diesem Augenblick ertönte von nebenan lautes Kindergeschrei. Über einige Minuten lang wollte es nicht mehr aufhören.

„Na toll“, entfuhr es mir. Anna hatte das gehört. „Was wolltest du hier denn tun? Etwa lernen?“, fragte sie.

„Na ja, weißt du…“

„Tut mir Leid, aber ich fürchte, das kannst du voll vergessen. Ich schaff’s ja selber nicht mehr, seit die Nachbarn“ – sie nickte mit dem Kopf Richtung Wand – „ihr Baby haben.“ Anna schnitt eine Grimasse. „Immerhin haben dadurch andere Geräusche aufgehört.“ Ich wusste genau, was sie meinte, und schnitt ebenfalls eine Grimasse.

„Das ist echt dämlich, ich weiß.“ Mit ihrer linken Hand haute sie auf die Sessellehne. „Ich frage mich auch schon: Kann man denn nirgendwo in Ruhe lernen?“

Seufzend antwortete ich: „Ich habe leider auch keine Ahnung.“

Doch da kam mir eine Idee.

Ich stand auf. „Komm mit, ich weiß, wo wir hinkönnten.“ Anna schaute verwundert drein, packte aber ihre Lernsachen und folgte mir.

Zum letzten Mal minderjährig, Teil 2

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„Guten Morgen!“

„Guten Morgen, Herr Nowitzki!“, antwortete der Kurs gelangweilt.

„Es tut mir Leid, ich hoffe, ihr musstet nicht weinen, weil ich später komme“, versuchte unser Deutschlehrer zu scherzen. Anna, die neben mir sitzt, verdrehte die Augen und raunte mir ins rechte Ohr: „Wahnsinnig witzig!“ Das brachte mich jetzt aber zum Lachen.

„Ich musste noch etwas wegen der Literatur-AG besprechen“, informierte er uns.

„Was denn. wird die neuerdings von der Bräuning geleitet?“, versetzte Anna. Die Bräuning war die neue Deutschreferendarin an unserer Schule und sah aus wie ein Supermodel. Zweifellos war sie seine Lieblingskollegin. Ich lachte.

„Was ist los, Sara?“, fragte Herr Nowitzki und grinste sein Alle-finden-mich-toll-Grinsen.

„Nichts, ich freue mich nur so, dass Sie da sind“, gab ich zurück und grinste ebenfalls.

„Das ist schön“, meinte er und begann mit seinem Unterricht.

Heute hatte er eine Kurzgeschichte über ein Mädchen in der Pubertät mitgebracht. Die hatte ein total unordentliches Zimmer, ließ ihre Freunde auf ihren Turnschuhen unterschreiben, trug laut des Ich-Erzählers viel zu kurze Miniröcke, dafür immer einen riesenlangen Schal und hörte ihre Musik so laut, dass man denken könnte, sie hätte bei sich eine Disko aufgemacht. Ich konnte nicht genau sagen, wieso, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, als wollte Herr Nowitzki sich mit dieser Kurzgeschichte an uns heranschmeißen.

Ich musste an meine Mutter denken. Wenn ich ihr diese Geschichte gezeigt hätte, hätte sie mit Sicherheit so etwas gesagt wie: „Wieso hat der Autor eine Geschichte über dich geschrieben?“ Ihr Standardspruch war, dass ich mein Zimmer auch Labor nennen könnte, weil ich dort ja Unmengen an biologischen Studien betreiben würde. Sie fand es eine Unsitte, dass meine Freundinnen auf meiner Schultasche unterschrieben hatten, nervte mich ständig damit, dass ich „meine Kapelle“ zu laut aufgedreht hätte, und meine Outfits gingen ja sowieso schon mal gar nicht. Hätte ich all die Gesundheitsschäden abbekommen, die meine Mutter mir deswegen angedroht hat, wäre ich schon tot.

Ich dachte nach. Hatte sie diesen ganzen Kram einfach satt? Wollte sie deswegen wieder als Ärztin arbeiten? Irgendwie konnte ich das verstehen. Es kam gelegentlich vor – na gut, es kam ständig vor, dass ich absolut keine Lust mehr auf mein Leben hatte und alles radikal ändern wollte. Wie oft hatte ich mir nach dem Realschulabschluss schon gewünscht, ich hätte nicht mit der Schule weitergemacht, sondern eine Ausbildung begonnen?

„Sara, du siehst zwar gut aus, aber bitte pass trotzdem auf“, unterbrach der Obercasanova meine Gedanken.

Und Sie sehen zwar gut aus, nerven aber trotzdem sehr. Ich habe wichtigere Probleme als diese dämliche Geschichte, dachte ich und tat ab jetzt so, als würde ich aufpassen.

Zu Hause kam ich mir irgendwie sehr unwirklich vor.

Es geschieht selten, dass wir alle gemeinsam zu Mittag essen, da Lea häufig bei Freunden ist, Oma ihr Mittagessen meistens alleine einnimmt und Papa meist lange arbeitet.

Doch an diesem Tag saßen alle da. Oma trug ein glückliches großmütterliches Grinsen im Gesicht, was für sie schon verdammt ungewöhnlich war. Papa trug einen merkwürdigen Strickpullover mit einem noch merkwürdigeren, mir gänzlich unbekannten Pullunder darüber. Mama grinste ebenfalls wie ein Honigkuchenpferd, tat Paul etwas von der Suppe auf und sagte dabei etwas zu ihm, was Paul zu einer unheimlich witzigen Bemerkung veranlasste. Alle lachten.

Ich kam mir vor wie in einem Werbespot. Ich wusste nicht, was diese unheimlich wirkende Harmonie erzeugt hatte, aber ich würde es herausfinden.

In diesem Moment bemerkte mich meine Familie.

„Hallo, Sara, setz dich!“, rief Lea fröhlich und wies mir den freien Platz neben ihr zu.

„Na, Sara, wie war’s in der Schule?“, wollte Mama wissen, als ich mich setzte.

„Wie immer“, antwortete ich. „Ich bin heute Morgen mit Lea hingefahren, habe sechs Stunden abgesessen, und dann bin ich mit dem Bus wieder nach Hause gefahren.“

Ach, du nun wieder, ließ Mamas Blick verlauten. Sie nahm einen Löffel von der Suppe.

„Wieso bist du eigentlich schon zu Hause?“, fragte ich Papa.

„Ich habe mir frei genommen“, entgegnete er. Komisch, das tat er äußerst selten.

Ich begutachtete den Inhalt meines Tellers. Blassbräunliche Suppe mit Nudeln drin. Wirkte irgendwie künstlich, wie aus einer dieser Tüten, die Lea immer benutzte, wenn sie mal kochen sollte.

Paul erzählte etwas über die Tiere, die sie heute in seinem Unterricht behandelt hatten. „So groß sind die!“, rief er und breitete seine kleinen Arme dabei voll aus.

„Aha“, machte Mama und goss sich noch etwas Suppe nach.

„Wollen wir heute zusammen in den Zoo gehen und uns die Vögel ansehen?“, schlug Oma vor.

Das verwunderte mich wirklich. Normalerweise beschränkte sich Omas Kontakt mit ihren Enkelkindern darauf, sie (also uns) zu bitten, den Fernseher leiser zu drehen, etwas im Haushalt zu tun oder zu wettern, wir würden alle noch von der Schule fliegen, wenn wir unsere schulischen Pflichten weiter so vernachlässigten.

„Au ja“, rief Paul begeistert.

Ich probierte etwas von der Suppe. Sie schmeckte merkwürdig.

„Äh, Mama?“, setzte Lea an. Ich kannte sie ziemlich gut und wusste daher: Sie will irgendwas von Mama.

„Wir wollen morgen von Deutsch aus ein Kurstreffen veranstalten. Können wir das bei uns im Keller machen?“

Oh, oh, das gibt Ärger, dachte ich. Die Erwachsenen, besonders Mama, hatten es nämlich überhaupt nicht gerne, wenn Lea hier etwas veranstalten wollte. Sie hatten Fantasien, dass alle mit einer Alkoholvergiftung enden oder mindestens alles vollkübeln würden.

„Aber natürlich, Lea! Um wieviel Uhr soll es losgehen?“

„Um acht. Boah, danke, Mama! Ich muss gleich alle anrufen und ihnen das erzählen.“ Meine Schwester hat viele Angewohnheiten. Dazu gehören das Liegenlassen von benutztem Geschirr im Zimmer, bis es total schimmlig ist, das laute (und falsche) Trällern der aktuellen Charts im Bad und das vorzeitige Verlassen des Esstisches.

Komischerweise blieb Lea jetzt bis zum Schluss sitzen, obwohl sie doch gerade jetzt einen Grund dafür gehabt hätte, ihrer Angewohnheit Nummer drei nachzugehen.

Ich schlürfte noch einen Löffel Suppe. Die schmeckte wirklich zu merkwürdig.

„Ich hab keinen Hunger mehr“, murmelte ich und verließ die Küche. Ich bekam noch mit, wie Paul fragte, ob er die übrig gebliebene Suppe essen dürfe, und ein „Ja, klar“ zur Antwort bekam. Warum wollte mich eigentlich niemand darauf hinweisen, dass ich mir einen Erdbeerjogurt mitgenommen hatte, obwohl ich doch angeblich keinen Hunger mehr hatte?

Ich ging in mein Zimmer. Ein Nachgeschmack der komischen künstlichen Suppe, so glaubte ich, hing noch auf meiner Zunge.

Während ich den Erdbeerjogurt löffelte, dachte ich über die gesamte Situation nach. Heute Morgen beim Frühstück hatten sich noch alle angeschwiegen. Das war nachvollziehbar, nach dem Stress gestern. Aber dann hatte Lea auf der Fahrt zur Schule so entschlossen gewirkt. Wieso nur? Was hatte sie vor? Und was war von der zur Schau gestellten Harmonie beim Mittagessen zu halten? Ich verstand das einfach nicht.

Hatte Lea Mama davon abbringen können, in das Angebot ihrer Freundin miteinzusteigen? Waren deswegen alle so friedlich? Anders konnte ich mir das nicht erklären. Und doch spürte ich, das es so einfach nicht sein konnte. Irgendwas musste noch kommen, von dem ich wusste, dass es nicht gut war. Da war ich ganz unruhig.

Im verzweifelten Versuch, mich von der Problematik abzulenken, machte ich sogar endlich mal wieder meine Hausaufgaben.

Geschützt: Disketten und Idiotie

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Fünf Jahre

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Schon wieder eine neue Geschichte. Viel Spaß beim Lesen.

Fünf Jahre

Ich mag Bahnfahrten. Vor allem in Schnellzügen. Sie sind bequem und man kommt trotzdem rasch an. Kein langwieriges Kreuzen über deutsche Autobahnen, und obendrein muss man nicht ständig halbstündige Ruhepausen einlegen. Was ja tödlich ist, wenn man, so wie ich an jenem Tag, mehrstündige Fahrten einlegen muss. Muss zwar sein, aber die Ankunft verzögert sich dadurch endlos nach hinten.

An jenem Tag hatte ich mir also vorgenommen, mich in einen Zug zu setzen, um fünfeinhalb Stunden durch Deutschland zu fahren.

Warum tat ich so was? Der Anlass für so eine lange Bahnfahrt war ein Klassentreffen. Eine furchtbare Einrichtung, die nur dazu diente, voreinander anzugeben. Wer hatte den tollsten Lebensplan? Wer war so ein Loser und in der Provinzhauptstadt stecken geblieben?

Im Prinzip gab es nur einen Grund, und der war meine beste Freundin, die in unserer Heimatstadt Biologie studierte. Ich sah sie recht selten, wir unterhielten uns zwar ständig am Telefon und übers Internet, aber das war leider kein guter Ersatz. Und so fuhr ich eben hin.

Wenn sie da war, würde die ganze Veranstaltung sicher lustig werden. Wir würden uns Roten bestellen, in die Ecke setzen und über die Anwesenden lästern.

Da war zum Beispiel Carsten, der seine fehlenden Körpergrößenzentimeter damit ausglich, dass er wahnwitzig schnell über die Straßen raste. Oder Rachel, die zwar über Aussehen wie ein Supermodel verfügte, dafür aber weder über Hirn noch über Sozialverhalten. Oder Viola, die es im Alleingang fast geschafft hatte, mich bei all meinen Freunden in Misskredit zu bringen. Oder Paul, der trotz mieser Noten ein duales Studium ergattert hatte. Oder Stefan, der jedes Wochenende damit angegeben hatte, wie besoffen er gewesen war. Oder…

In diesem Moment öffnete sich die Tür. Bis dahin war ich allein im Abteil gewesen. Und ich hatte gehofft, dass das so bleiben würde. Das Bedauern verstärkte sich noch, als ich sah, wer da das Abteil betreten hatte.

„Was zur Hölle machst du denn hier?“, entfuhr es uns fast gleichzeitig. Mir stand der Mund sperrangelweit offen. Ich wusste zwar, dass Sven in Heidelberg studierte, aber ich hatte nicht damit gerechnet, ihn hier zu treffen. Sonst hätte ich wohl auch einen anderen Zug genommen.

Sven starrte ungläubig auf seine Sitzplatzkarte und dann auf mich, und dann wieder auf die Karte und dann wieder auf mich. „Das kann doch nicht sein…“, murmelte er und sprach damit genau aus, was ich dachte. Widerwillig setzte er sich auf den Platz, der gegenüber von meinem war. Der Rollkoffer, wie ihn vermutlich fünfundneunzig Prozent aller deutschen Studenten besaßen, blieb einfach auf dem Boden stehen. „Ich wusste nicht, dass du auch kommst“, war das Erste, was Sven zu mir sagte. „Tja, da kann man mal sehen“, antwortete ich und sah zu, dass ich meine MP3-Player-Kopfhörer in die Ohren kriegte. Was ziemlich nutzlos war, denn ich sah ihn ja immer noch, und ich konnte nicht die ganze Zeit die Augen zuhalten. Selbst dann wäre er ja immer noch da gewesen.

Bis Mannheim hielt ich es aus, dann packte ich meine Wertsachen in meine Jackentaschen und verließ das Abteil.

Im Bordbistro nahm ich etwas zu mir. Es war sehr teuer, aber wenigstens hielt mich das eine Weile von Sven fern. Während ich also die nicht gerade preiswerte Nahrung (wenn man das so nennen konnte) zu mir nahm, betrachtete ich die auf der anderen Seite des Fensters vorbeirasende Landschaft und dachte nach.

Er war nett zu mir gewesen, als es kein anderer war. Das hätte er nicht tun sollen. Denn von da an klebte ich wie eine Klette an ihm und vergötterte ihn geradezu – das war für beide Seiten nicht gut. Was tut ein Mädchen, das niemand anderen hat? Sie macht sich komplett abhängig von einer Person. Und wie fühlt sich diese Person wohl? Richtig, total genervt. So was konnte nicht gut ausgehen. In unserem Fall ging es so aus, dass ich über Dritte erfuhr, was er von mir dachte und von da an nie wieder mit ihm geredet hatte. Er war ein Heuchler und Angeber. Sein Einserabitur und seinen Aufenthalt in Chile rieb er jedem unter die Nase. Unbegreiflich, wie ich mal auf so jemanden gestanden hatte. Und doch hatte ich es getan.

Ich stand auf und ging wieder zurück auf meinen Platz. Gegenüber von mir saß immer noch Sven und las irgendein intelligentes Buch. Als ich wiederkam, sah er kurz auf. Ich versteckte mich hinter der riesigen Ausgabe einer bekannten Wochenzeitung, wo ich auch blieb, bis der Zug in den Bahnhof einfuhr. Während der ganzen restlichen Bahnfahrt redeten wir kein Wort mehr miteinander. Auch nicht auf dem Weg vom Bahnhof zum Veranstaltungsort. In der Aula des Gymnasiums gingen wir schließlich auseinander, er nach rechts zu seinen ganzen Untertanen und ich nach links zu Isa. Ich umarmte sie zur Begrüßung. „Na, wie lange bist du schon hier?“

„Keine 10 Minuten. Und du bist gerade erst in der Stadt angekommen?“

„Ja, mit dem Arsch da. Ich musste fast die ganze Fahrt mit ihm zurücklegen!“

„Oh, das war sicher ein Horror.“

„Na, klar!“ Ich nickte lebhaft. „Ich lege keinen Wert darauf, irgendwas mit ihm zu tun zu haben. Und dann passiert so was!“

„Komm, wir verbringen hier einfach einen schönen Abend. Der Trottel hat überhaupt keine Aufmerksamkeit verdient.“

Da hatte Isa wohl Recht. Und so verbrachten wir den Abend damit, bei einem Glas Cola-Roten über die Anwesenden zu lästern. Wie ich es mir gedacht hatte.

Irgendwann hatten sich die ein oder zwei Getränke durch meinen Verdauungstrakt gearbeitet. Und wie das eben so ist, muss man in solchen Fällen häufig aufs Klo. Dorthin ging ich – am Chemietrakt vorbei, durch die Glastür, zweite Tür links. Ich wusste es immer noch.

Ich ging auf Toilette, wusch mir die Hände und trat wieder vor die Tür. Dort erblickte ich plötzlich Sven. Hatte er etwa auf mich gewartet?

„Hi, wie geht’s?“

Ich legte meinen Silberring wieder an.

„Komm, willst du nie wieder mit mir reden? War ich so schlimm?“

„Schlimmer.“

„Komm, man kann doch die Vergangenheit ruhen lassen, oder? Ich meine, wir haben beide Fehler gemacht – Schwamm drüber.“ Er starrte mich hilflos an.

„Kein Interesse.“ Ich schritt davon.

„Du musst jetzt nicht so pseudobetroffen sein!“, rief Sven mir noch hinterher, und der Satz brachte mich so zum Lachen, dass Isa mich fragte, was los sei. „Ach, der Junge“, informierte ich sie prustend, während ich mich hinsetzte, „hat versucht, sich mit mir zu versöhnen. Als ob ich das je tun würde.“

„Oh Mann, der ist ja bescheuert“, entgegnete sie, nicht minder belustigt. Wir stießen an und tranken.

Auch Sven kehrte irgendwann wieder an seinen Platz zurück. Er redete mit Marie und Jan und guckte immer wieder zu mir rüber. Ich schaute demonstrativ weg. Und während ich mit Isa quatschte, überlegte ich, was jetzt von ihm zu denken war.

Wollte ich mich wirklich nie wieder mit ihm versöhnen? Nein, wollte ich nicht. Wirklich nicht? Verdient hatte er es wohl nicht. Schon oft waren wir in solchen Situationen gewesen und Sven hatte mich bitter enttäuscht.

Ich wollte aufstehen und ihm sagen, was ich dachte, doch in diesem Augenblick umarmte er Marie und stand auf. Jacke angezogen, Rollkoffer geschnappt und schon war er draußen. Verschwunden in der entstandenen Dunkelheit.

Lange starrte ich ihm hinterher. Ich schätzte, ich würde ihm nie wieder begegnen. Früher wäre ich daran verzweifelt. Heute nicht.

Ende